Historische Aufnahme der Eröffnung des Kanaltunnels. © WNA NOK

Rendsburger Kanaltunnel: Vier Spuren unter dem NOK

Stand: 25.07.2021 06:00 Uhr

Als der Rendsburger Kanaltunnel 25. Juli 1961eröffnet wurde, waren die Menschen in der Region erleichtert. Denn trotz einer Brücke mussten Autofahrer, um den Kanal zu überqueren, vor allem Zeit und Geduld mitbringen.

von Christian Wolf

Seit mehr als 125 Jahren verbindet der Nord-Ostsee-Kanal (NOK) die Nordsee mit der Ostsee. Schleswig-Holstein ist seitdem geteilt. Damit die Menschen weiterhin problemlos die künstliche Wasserstraße passieren können, werden im Laufe der Jahre unter anderem mehrere Brücken im Land gebaut, so auch in Rendsburg. Die im Jahr 1895 errichtete Straßendrehbrücke wird nach der Verbreiterung des Kanals im Jahr 1912 durch eine damals moderne Doppeldrehbrücke ersetzt. Geplant hat sie der Bauingenieur Friedrich Voß, der auch die Rendsburger Hochbrücke gebaut hat, weswegen die Drehbrücke wie eine kleinere Version dieser Hochbrücke aussieht. Doch auch dieses Bauwerk muss nach nicht einmal 40 Jahren ersetzt werden, dieses Mal allerdings durch einen Tunnel.

Brückenöffnungen sorgen für kilometerlange Staus

Jemand, der die Geschichte des Kanaltunnels kennt, ist Uwe Steinhoff. Der ehemalige Marineoffizier aus Kiel reist seit rund 15 Jahren durchs Land und hält Vorträge. Es sind zwischen 100 und 150 im Jahr, sogar das Deutsche Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven hat ihn schon gebucht. In seinen Vorträgen geht es auch um den Bau der vierspurigen Querung unter dem NOK: "Der Bau war ein Mammut-Projekt, an dem mehrere Firmen beteiligt waren, darunter Bilfinger, Holzmann AG und Hochtief. Der Kanaltunnel war von großer Bedeutung für die Region." Denn nicht nur der Schiffs-, sondern auch der Straßen-Verkehr hat nach dem Zweiten Weltkrieg stark zugenommen. "Deswegen musste die Drehbrücke mehrmals am Tag geöffnet werden, damit die Schiffe durchkommen. Autofahrer mussten also warten und es kam auf beiden Seiten zu Staus von mehreren Kilometern Länge. Denn die Regionalbahn musste auch noch über die Brücke rüber", erklärt der 76-jährige Hobby-Historiker.

Etliche Häuser müssen abgerissen oder verschoben werden

Uwe Steinhoff sitzt bei einer Präsentation über den Nord-Ostsee Kanal an einem Tisch. © Uwe Steinhoff
Uwe Steinhoff ist Hobby-Historiker und hält jährlich bis zu 150 Vorträge über den Kanal, das alte Kiel und den Kanaltunnel.

Es fällt die Entscheidung für den Bau des Kanaltunnels, los geht es am 23. November 1957. Für das Projekt muss in Rendsburg allerdings erst Platz geschaffen werden. "Alleine auf der Nordseite sind 35 Grundstücke aufgekauft worden. Es müssen sogar sechs Häuser verschoben werden, zwei davon über 200 Meter und die mussten auch noch um 90 Grad gedreht werden", erklärt Steinhoff. Die anderen Häuser werden allerdings abgerissen. "Anschließend musste man dann eine gigantische Baugrube auf der Südseite des Kanals ausheben, damit darin der Mittelteil des Tunnelsegments gebaut werden kann." Das ist 140 Meter lang, besteht aus sieben Betonteilen, die mit Gummidichtungen miteinander verbunden sind. Dieses Segment soll später auf den Grund des NOK in 20 Meter Tiefe versenkt werden. Dafür müssen aber vorher Arbeiter und Bagger den Kanal an beiden Ufern jeweils buchtartig ausbaggern, denn das Tunnelsegment ist länger als der Kanal breit ist. "Es war einfach wichtig, dass die beiden Ausgänge des Tunnels außerhalb des Kanals liegen, damit die Schifffahrt beim Bauen der Zugänge zum Kanal nicht behindert wird", erklärt Hobby-Historiker Steinhoff. Insgesamt heben Mensch und Maschine für den Bau 1,2 Millionen Kubikmeter Erde aus.

Tagelange Sperrung und Millimeter-Arbeit

Als der Mittelteil des Tunnels endlich fertiggestellt ist, muss das Bauwerk auf den Grund des Nord-Ostsee-Kanals gebracht werden, abgedichtet an beiden Enden und mit Wasser vollgepumpt, um auch wirklich abzusinken. "Dafür waren 20 Stunden vorgesehen, in der Zeit konnten keine Schiffe die Stelle passieren", es kam aber laut Uwe Steinhoff völlig anders, denn das 140 Meter lange Bauwerk muss gleichmäßig runtergelassen werden: "Dafür haben die Ingenieure auf die Hilfe von sogenannten Schlauchwasserwagen gesetzt, da sich das Segment nicht verdrehen und verkanten durfte. Außerdem rissen Zugseile, die Taucher wieder anbringen mussten und so wurden aus den 20 Stunden am Ende fast 70 Stunden." Die vorher ausgebaggerten Buchten wurden nun wieder zugeschüttet und mit einem Damm versehen. "Jetzt musste nur noch 20 Meter tief gebuddelt werden, damit die Arbeiter zu dem Ende des Tunneleingangs kommen konnten und anschließend die Zufahrten zum Mittelteil mit einer Länge von 250 Metern gebaut werden", so Steinhoff. Noch heute merken Autofahrer, die den Rendsburger Kanaltunnel passieren, wenn sie über ein größes Gitter fahren, das das Regenwasser abhalten soll.

Eröffnung zieht Tausende Besucher an

Die für das Projekt riesig ausgehobene Baugrube muss später noch zum Teil zugeschüttet werden. "Aber nicht alles, denn das Freibad Osterrönfeld ist ein Teil der ehemaligen Baugrube", erzählt Steinhoff. Am 25. Juli 1961 ist es dann endlich so weit, der Kanaltunnel kann für den Straßenverkehr freigegeben werden. Die Feierlichkeit gerät zum Massen-Ereignis, alle wollen sich das damalige Mammut-Projekt anschauen. Rund 80.000 Menschen sind nach Rendsburg geströmt. Den Startschuss geben unter anderem der damalige Bundesverkehrsminister Christoph Seebohm, Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Hermann Böhrnsen und der dänische Verkehrsminister Kai Lindberg. "Bevor die Autos aber endlich die vier Spuren unter dem Kanal nutzen konnten, sind erst mal die Menschen zu Fuß von einem Ende zum anderen gegangen", erzählt der ehemalige Marineoffizier.

Erste Tunnel-Instandsetzung in den 1990er Jahren

Nach rund 30 Jahren wird der Kanaltunnel das erste Mal saniert. An den Wänden entlang des Bauwerks unter dem Nord-Ostsee-Kanals hätten sich unter anderem Risse gebildet, erzählt Uwe Steinhoff. Stahlbeton und das Wasser - die Kombination hat zur Folge, "dass ganze Teile der Betonwand durch den Rost der Armierung regelrecht weggesprengt worden sind." Mit Rostschutz werden die Stellen behandelt und anschließend wieder mit Beton versiegelt. "Da sich die Brandschutzbestimmungen damals geändert hatten, sind dann im Tunnel Brandschutzplatten angebracht worden", erklärt Steinhoff. 20 Jahre später ist dann die zweite Instandsetzung nötig. Doch ein weiteres großes Problem taucht auf. Laut dem Hobby-Historiker wurde nämlich nicht der gesamte Kanaltunnel vorher untersucht: "Die Behörde ist davon ausgegangen, dass sich die Rost-Schäden verdoppelt haben und so wurde dann entsprechend ausgeschrieben. Aber eigentlich hätte der Tunnel gesperrt und vorher komplett untersucht werden müssen."

Jahrelange Verzögerung und Kostenexplosion

Als dann die Brandschutzplatten abgenommen werden, stellt man fest, dass der gesamte Tunnel auf beiden Seiten schwer beschädigt ist. Durch fehlende Unterlagen verzögern sich zudem weitere Sanierungspunkte. Auch moderne Sicherheitsbestimmungen sorgen für Verzögerungen. 2011 wird damit begonnen, den Tunnel zu sanieren, 2014 sollten die Arbeiten fertig werden. Doch statt der anfangs veranschlagten drei Jahre Bauzeit dauert die Instandsetzung am Ende zehn Jahre. Deshalb reichen auch nicht die dafür vorgesehenen 25 Millionen Euro. Am Ende werden 90 Millionen Euro fällig. Inzwischen, genauer gesagt seit Mai dieses Jahres, und damit noch rechtzeitig vor dem 60. Geburtstag, kann der Verkehr wieder auf vier Spuren unter dem Nord-Ostsee-Kanal fließen. Entsprechend groß ist die Erleichterung in der Region, ganz gleich ob in der Wirtschaft, Politik oder bei den Pendlern und Pendlerinnen. Damit zeigt sich auch, wie wichtig der Kanaltunnel ist - auch nach 60 Jahren noch.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 24.07.2021 | 19:30 Uhr

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