Stand: 29.07.2014 06:08 Uhr

Erster Weltkrieg: Euphorie bis Ernüchterung

von Ulrike Bosse, NDR Info
Eine weiߟe Lilie liegt  auf einem Kriegerdenkmal des Garnisonsfriedhofes in Berlin. © picture-alliance/dpa Foto: Wolfgang Kumm
Auf die anfängliche Kriegsbegeisterung folgte schon bald die Todesangst

"Da hatte uns der Krieg gepackt wie ein Rausch ...": Der 19-jährige Ernst Jünger stand mit diesem Gefühl nicht allein. Als am Nachmittag des 1. August 1914 die Mobilmachung verkündet wird, scheint in den deutschen Städten die Kriegsbegeisterung keine Grenzen mehr zu kennen.

Vom Fenster seines Schlosses aus verkündet Kaiser Wilhelm II.  vor einer jubelnden Menge, er kenne nun keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche. Tags zuvor hatte er die Deutschen bereits auf den scheinbar unausweichlichen Krieg eingeschworen: "Es muss denn das Schwert nun entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! Zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande."

Der Schriftsteller Klaus Mann erinnert sich später an die ersten Augusttage: "Flatternde Fahnen, graue Helme mit possierlichen Blumensträußchen geschmückt. (...) Die Luft ist erfüllt von der allgemeinen Prahlerei und den lärmenden Refrains der vaterländischen Lieder."

Nicht nur Begeisterung

Doch nicht alle sind trunken vor Kriegsbegeisterung. Der Schriftsteller Gerhard Hauptmann notiert am 1. August in sein Tagebuch: "Ich hatte heut morgen (vor 7 Uhr) bei meinem Spaziergang in die Stadt Augenblicke, wo es mir Mühe kostete, nicht laut aufzuschluchzen angesichts des ungeheuren, nahenden Völkermordens."

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Ein Sohn in Uniform mit seinem uniformierten Vater im Jahr 1914 © picture alliance

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Dem Vaterland verpflichtet

Einmal zu den Waffen gerufen, betrachteten allerdings fast alle Soldaten die "Vaterlandsverteidigung" als ihre Pflicht. "Patriotisch" waren sie allemal - und nach den ersten Siegesmeldungen eine Woche nach Kriegsausbruch auch zunehmend euphorisch: Sie würden heldenhaft kämpfen und siegen - und Weihnachten wieder zuhause sein.

Stattdessen kam der Vormarsch nach Frankreich schon im September zum Erliegen. Die Soldaten erlebten Grabenkämpfe und Materialschlachten - und die Euphorie, die zu Hause noch nachklang, wich an der Front der Ernüchterung, wie sie der Schriftsteller Erich Maria Remarque beschreibt: "Während sie noch schrieben und redeten, sahen wir Lazarette und Sterbende. Während sie den Dienst am Staate als das Größte bezeichneten, wussten wir bereits, dass die Todesangst stärker ist. Und wir sahen, dass nichts von ihrer Welt übrig blieb."

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NDR Info | 29.07.2014 | 06:08 Uhr

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