Auf einer schwarz-weiß Aufnahme sind am 22. Juli 1960 uniformierte Sargträger bei der Trauerfeier zum Grubenunglück in der Hannoverschen Treue 1960 in Salzgitter zu sehen. © Stadtarchiv Salzgitter Foto: Gerhard Stoletzki

"Hannoversche Treue": 33 Bergleute sterben 1960 bei Salzgitter

Stand: 19.07.2020 09:14 Uhr

Ein verheerendes Feuer am 19. Juli 1960 im Bergwerk "Hannoversche Treue" kostet 33 Kumpel das Leben. Erst Ermittlungen der Kripo decken die Ursache des Brandes unter Tage auf.

Der letzte der vermissten Kumpel wird erst Tage nach dem Unglück aus 340 Meter Tiefe geborgen. Albert Biewer ist tot - wie 32 seiner Kollegen. Heute vor 60 Jahren, am 19. Juli 1960, kommt es im Erzbergwerk "Hannoversche Treue" bei Salzgitter zur Katastrophe. Um 7.17 Uhr am frühen Morgen wird Feuer gemeldet und sofort Großalarm ausgelöst. Doch für viele der Bergleute kommt jede Hilfe zu spät. Sie lassen ihr Leben unter Tage.

"Undurchdringliche Rauchschwaden"

Auf einer schwarz-weiß Aufnahme sind am 17. Juli 1960 zahlreiche Personen vor der Grubenanlage Hannoversche Treue in Salzgitter zu sehen. © Stadtarchiv Salzgitter Foto: Gerhard Stoletzki
Am Tag des Unglücks: Während unten die Bergung der Vermissten läuft, warten vor der Schachtanlage Personen auf Informationen.

Ein zeitgenössischer Bericht: "Unmittelbar nach der Explosion hüllten starke Rauchschwaden den Förderungsschacht ein und behinderten das Einfahren der ersten Rettungskolonnen. Die Schwaden drangen dann in die Stollen vor und überraschten dort die an ihren Arbeitsplätzen tätigen Bergleute. Versuche der Eingeschlossenen, sich zu retten, scheiterten an den undurchdringlichen Rauchschwaden." So schilderten Reporter des "Hamburger Abendblatts" das Unglück.

War es ein Anschlag?

Nach dem Feuer beginnt das Rätselraten. War es Sabotage? Gar ein Anschlag? Alles scheint möglich. Die Kriminalpolizei ist vor Ort, um die Brandursache zu untersuchen. Der Suizid eines 19-jährigen Bergmannes bringt die Beamten dann auf die richtige Spur. Der Tote und vier seiner Kollegen waren offenbar im Bilde, wie das Feuer entstand. Sie verabredeten Stillschweigen und sagten zunächst falsch aus. Doch die Ermittler finden nach und nach heraus, was wirklich passiert war.

Kokelei aus Leichtsinn

Ein 17-jähriger Lehrling hatte, wohl aus Leichtsinn, mit seiner Grubenlampe gekokelt und dabei einen Pappkarton angezündet. Er versuchte zwar noch, den Karton zu löschen, doch es war zu spät. "Das Feuer muss dann in Sekundenschnelle wie ein Schornsteinbrand im Stollen aufwärtsgelodert sein", stellte die Kriminalpolizei später fest. Der Schrägstollen mit seinem Luftzug habe auf das Feuer wie ein Blasebalg gewirkt.

Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt

Auf einer schwarz-weiß Aufnahme geht am 22. Juli 1960 eine Person an zahlreichen, blumengeschmückten Särgen vorbei während der Trauerfeier zum Grubenunglück in der Hannoverschen Treue 1960 in Salzgitter. © Stadtarchiv Salzgitter Foto: Gerhard Stoletzki
Trauer in Salzgitter: Die Anteilnahme war groß.

Im März 1962 erhebt die Staatsanwaltschaft Braunschweig Anklage gegen zwei Verdächtige wegen fahrlässiger Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Doch zu einem Hauptverfahren kommt es nicht. "Kein hinreichender Verdacht" urteilt die zuständige Jugendkammer. Eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft weist das Oberlandesgericht Braunschweig im Mai 1963 ab.

Grubenlampen auf den Särgen

Die geborgenen Opfer werden drei Tage nach dem verheerenden Brand beerdigt. Auf jedem Sarg steht eine brennende Grubenlampe. Die "Hannoversche Treue" wird im Mai 1967 stillgelegt. Zum Gedenken an das Unglück hat die Stadt Salzgitter auf dem Gelände des ehemaligen Schachtes 1 eine Gedenkstele errichtet.

Weitere Informationen
Rettungsarbeiten in Lengede 1963. © dpa - Fotoreport
3 Min

Lengede: Rettung aus der Dunkelheit

Am 24. Oktober 1963 werden 50 Bergleute im niedersächsischen Lengede verschüttet. Elf harren in einem Hohlraum aus. Von dort werden sie erst 14 Tage später gerettet. 3 Min

Zahlreiche Helfer stehen am 7.11.1963 während der dramatischsten Rettungsaktion in der Geschichte des deutschen Bergbaus neben der Bohrstelle im niedersächsischen Lengede. © dpa - Bildfunk Foto: dpa

Wunder von Lengede: Elf Bergleute nach zwei Wochen gerettet

Nach dem Unglück gab es kaum noch Hoffnung. Aber am 7. November 1963 werden die letzten elf Überlebenden gerettet. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 19.07.2020 | 12:00 Uhr

Mehr Geschichte

Kaufhaus-Chef Franz Weipert 1974 bei der ersten offiziellen Fahrt der Gondelbahn über den Bootshafen in Kiel. © Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Foto: Friedrich Magnussen

Als man in Kiel zum Einkaufen mit der Gondelbahn fahren konnte

Am 28. März 1974 wurde in Kiel eine ganz besondere Attraktion eingeweiht: die Weipert-Bahn, die über den Bootshafen führte. mehr

Norddeutsche Geschichte