Stand: 20.10.2014 13:09 Uhr

Ein Leben im Überwachungsstaat

von Bettina Less, NDR Info

Drastische Worte findet Manfred Kruse aus dem niedersächsischen Bleckede, wenn er nach dem Staatssicherheitsdienst der DDR gefragt wird: "Also die Stasi, das waren für mich die absoluten Anscheißer, die andere Leute runtergemacht haben." Sein 86-jähriger Schwiegervater Günther Grunzke sieht das ähnlich. "Die Stasi war eine geheime Staatspolizei. Dasselbe Ding habe ich erlebt bei Adolf - Gestapo", sagt er - und meint Hitlers Geheime Staatspolizei.

Für Familie Kruse war kaum vorstellbar, was bei Familie Mayer aus Mecklenburg-Vorpommern zum Alltag gehörte. Wolfgang Mayer, der im Staatsdienst arbeitete, durfte beispielsweise nicht mit dem Westen telefonieren. "Ich bekam dann eine Einladung zur Kreisleitung der SED und musste mich vor den Genossen rechtfertigen, weshalb und warum auf meinem Telefon mit West-Bürgern telefoniert worden ist."

Zum Nachhören
Telefonanlage der Stasi © plainpicture Foto: Jens Windolf
4 Min

Stasi, Spitzel, Überwachung

Für Familie Kruse im niedersächsischen Bleckede war kaum vorstellbar, was bei Familie Mayer aus Hagenow zum Alltag gehörte: Die allgegenwärtige Überwachung durch die Stasi. 4 Min

Telefon wird abgehört

Damit wussten die Mayers, dass ihr Telefon abgehört wurde, wie Hanna Mayer erzählt. Von diesem Zeitpunkt an sei die Familie immer vorsichtig gewesen, auch bei Telefonaten innerhalb der DDR - "aus Angst, die können das mithören, und dann bist du dran."

Einmal wurde Hanna Mayer von einem Abschnittsbevollmächtigten zur Seite genommen, weil eine Arbeitskollegin einen Antrag auf Westbesuch gestellt hatte. "Die kamen zu mir und fragten mich, 'kann die Frau reisen oder kann sie nicht reisen'. Und dann habe ich gesagt, 'was soll ich sagen, ich kann da nicht reingucken. Aber so wie ich sie kenne, kommt sie hundertprozentig wieder. Sie hat ihren Sohn hier, sie hat ihre Eltern hier, sie kommt wieder.'"

Misstrauen ist allgegenwärtig

Gegenseitiges Misstrauen war allgegenwärtig, auch direkt vor der eigenen Haustür. Bei einem Nachbarn seien sie sich nicht ganz so sicher gewesen, erzählt Hanna Mayer. "Man war sich ja nie hundertprozentig sicher", sagt auch ihr Mann Wolfgang. Vor allem eine Beobachtung machte die Mayers stutzig. "Ich wusste, sie sind nicht da, und dann kam ein fremder Mann und klingelte", erzählt Hanna Mayer. Sie habe dem Mann gesagt, dass die Nachbarn nicht da seien. Daraufhin habe der Mann einen Schlüssel genommen und sei ins Haus gegangen. Hinterher hätten sie erfahren, dass es sich um einen sogenannte toten Briefkasten gehandelt habe. "Die mussten sich ja dann wahrscheinlich irgendwo treffen, die Leute, oder auch was hinterlegen", sagt Wolfgang Mayer heute.

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Ein Mann mit Kopfhörern sitzt hinter einem Tonbandgerät © PantherMedia Foto: NEW_PHOTOS

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Erstaunter Blick in die Stasi-Akten

Nachdem die Mauer gefallen war, konnten die Mayers sich ansehen, welche Informationen über sie gesammelt worden waren. Jane Mayer war 1989 erst 20 Jahre alt, und sie staunte, was die Stasi in ihrer Akte notiert hatte. So war sie offenbar auf einer Zugfahrt nach Budapest beobachtet worden, die sie mit einer Freundin unternommen hatte. "Und dann stand da drin, mit wem ich geredet habe, das hatte ich natürlich alles schon völlig vergessen. Es war auch völlig belanglos."

Hanna und Wolfgang Mayer sagen heute, dass sie eigentlich nichts mehr von der Stasi hören wollen. Vielleicht liegt das daran, dass sie trotz allem nicht so viel Leid durchmachen mussten, wie viele andere zu DDR-Zeiten. "Was auch immer war, das ist für mich erledigt", betont Hanna Mayer.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 31.10.2014 | 07:20 Uhr

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