Keine Beitragserhöhung: Was bedeutet das für die Sender?

Stand: 08.12.2020 18:31 Uhr

Reiner Haseloff hat als Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt gegenüber der Landtagspräsidentin das Gesetz über die Erhöhung des Rundfunkbeitrages in einem Rückholschreiben zurückgenommen.

von Daniel Bouhs, Annette Leiterer

Reiner Haseloff | Bild: Viktorie Kuehne © Viktorie Kuehne Foto: Viktoria Kuehne
Zog das Gesetz zurück: Reiner Haseloff.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt wird in diesem Jahr nicht mehr über die Anpassung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent ab 01.01.2021 abstimmen. Ministerpräsident Reiner Haseloff begründet das damit, dass es keine Mehrheit im Landtag dafür geben würde. Die CDU-Fraktion im Landtag hätte erklärtermaßen mit der AfD Fraktion gegen die Anpassung stimmen wollen. Dieses gemeinsame Abstimmungsverhalten hätte zu einer Regierungskrise und zu einem Bruch der Koalition führen können.

Haseloff führt weiter aus, dass sein Land aber gerade jetzt in der Corona-Pandemie eine handlungsfähige Regierung brauche. "Mir ist bewusst, dass das Konsequenzen hat", meint Haseloff in der Pressekonferenz heute. Und richtig, für ARD, ZDF und Deutschlandradio ist das ein Problem: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat längst mit der geplanten Erhöhung seine Budgets für das kommende Jahr aufgestellt, etwa für einzelne Redaktionen. In den vergangenen Jahren konnten die Anstalten noch auf Rücklagen zurückgreifen. Sie waren einst entstanden bei der Umstellung von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag. Doch die sind nun aufgebraucht.

Malu Dreyer bedauert Entscheidung

"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Säule der Demokratie einen Anspruch darauf auf auskömmliche Finanzierung", mahnt nach der Entscheidung in Magdeburg die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, SPD. Sie koordiniert die Rundfunkpolitik der Länder. Dreyer bedauerte, dass Sachsen-Anhalt nun gar nicht über die geplante Erhöhung des Beitrags abstimmen wird: "Das bedeutet, dass zum ersten Mal in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des Rundfunkwesens der Länder nicht die Länder diejenigen sind, die über den Beitrag entscheiden, sondern dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten das Bundesverfassungsgericht anrufen werden. Und das ist, finde ich, sehr, sehr bitter."

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Gang nach Karlsruhe programmiert

Bliebe es beim bisherigen Beitrag von 17,50 Euro, hieße das: Die Anstalten müssten drastisch kürzen - genau so wie es sich die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt schon seit Monaten gewünscht hat, der vor allem die ARD insgesamt zu groß und zu teuer ist. Doch für Bernd Holznagel, der Medienrecht an der Universität in Münster lehrt, haben die Sender gute Karten bei einem Gang nach Karlsruhe:

"Man wird abwarten müssen, wie Karlsruhe entscheidet. Das lässt sich naturgemäß nie voraussagen. Vor allem ist es natürlich entscheidend, ob das Verfassungsgericht im Eilverfahren - also möglicherweise sehr schnell - die Zustimmung anordnet. Das wäre eine Möglichkeit. Es ist aber auch möglich, dass Karlsruhe sagt, dass zukünftig ganz auf die Mitwirkung der Parlamente zu verzichten ist. Diesen Vorschlag, der stammt nicht von mir, sondern aus der Staatskanzlei Sachsen-Anhalts, dass das eben auch eine Möglichkeit wäre, diesen Streit dann endgültig zu begraben."

 

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Der Rundfunkbeitrag könnte auch ohne Zustimmung der Länder schon zum 1. Januar erhöht werden, sagt der Medienrechtler. Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht der unabhängigen Beitragskommission KEF schon in früheren Entscheidungen einen extrem hohen Stellenwert eingeräumt. Und es waren die Rechnungsprüfer und Medienexperten der KEF, die den Ländern einen künftigen Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro pro Monat und Haushalt empfohlen hatten - nachdem sie die Finanzen der Sender geprüft und einen mehrere hunderte Seiten umfassenden Bericht vorgelegt hatten.

Buhrow: "Sind in einer Zwangslage"

Das Tagesfazit von Tom Buhrow, dem Vorsitzenden der ARD: "Ein weiterer turbulenter Tag in Magdeburg. Ein Ministerpräsident zieht einen Staatsvertrag, den er selber unterschrieben hat und seinem Parlament vorgelegt hatte, wieder zurück, weil er keine Mehrheit im Parlament sieht. Wir wissen nicht, ob AfD und CDU je vorhatten, dem Staatsvertrag eine Chance zu geben. Aber klar ist, es gibt keine Mehrheit. Und damit sind wir in der Zwangslage: Wir müssen vors Bundesverfassungsgericht gehen, denn es geht um ein verfassungsrechtlich geschütztes Verfahren, das von unabhängigen Experten ermittelt wird. Und jetzt müssen wir schauen, wie das in Karlsruhe ausgeht." "Spannende Zeiten!", meint Medienrechtler Holznagel.

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