Unsere Geschichte

Erntegeschichten

Sonntag, 14. Mai 2023, 15:15 bis 16:00 Uhr
Samstag, 20. Mai 2023, 12:00 bis 12:45 Uhr

Säen und ernten sichern seit Jahrtausenden den Menschen das Überleben. "Unsere Geschichte" blickt zurück. Wie hat sich die Landwirtschaft gerade auch mit Blick auf die Ernte in den letzten Jahrzehnten in Norddeutschland verändert? Was waren die Unterschiede zwischen Ost und West. Und gibt es immer noch Unterschiede? Wie haben neue Maschinen die mühselige Arbeit auf den Feldern verändert? "Unsere Geschichte" präsentiert Erntegeschichten: unterhaltsam und informativ.

Spargel in Norddeutschland: Ein Pionier erinnert sich

Klaus Dohrmanns Vater war für landwirtschaftliche Experimente zu haben. Als ein Freund des Vaters in den 1930er-Jahren mit Spargelpflanzen bei Hoya experimentierte und kleine Flächen anbaute, faszinierte das auch den Landwirt. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges war aber erst einmal Schluss mit dem Spargel-Experiment, denn die Nationalsozialisten verboten den Anbau von Spargel. Für Luxus-Gemüse solle der deutsche Boden nicht kultiviert werden, schließlich müsse das deutsche Volk satt werden, hieß es in der NS-Propaganda. Klaus Dohrmanns Vater glaubte an das Edelgemüse und sammelte 1951 die Samen auf dem Feld seines Freundes auf. Und schon 1952 erntete er als einer der Ersten in der Gegend seinen Spargel.

"Der Spargel verkaufte sich von selbst"

Klaus Dohrmann ist so alt wie die Geschichte des Spargels auf dem familiengeführten Hof Arkenberg. Er selbst hat erlebt, wie die Menschen in den 1960er-, 1970er-Jahren aus dem Harz und von der Ostsee mit Wannen auf den Hof kamen und kauften. "Der Spargel verkaufte sich von selbst, da es noch keine großen Anbauflächen gab", erinnert sich Klaus Dohrmann. Erst waren es Hausfrauen aus der Umgebung, die jeden Morgen bei den Dohrmanns halfen. Die Spargelstecherinnen waren so begehrt, dass die Dohrmanns alles versuchten, um sie zu halten: zum Beispiel mit Geschenken und Spiele-Abenden. In den 1980er-Jahren kamen dann die polnischen Ärzte, Bildhauer und Ingenieure auf den Spargelhof, um sich in Polen von ihrem verdienten Spargelgeld etwas leisten zu können.

Kirsch- und Apfelernte im Alten Land

Gerd Lefers erinnert sich, wie er früher die vollen Kisten mit Kirschen auf die Lastwagen hievte. Der Fahrer brachte das Obst dann zum Großmarkt nach Hamburg. © NDR/Katrin Heineking
Gerd Lefers erinnert sich, wie er früher die vollen Kisten mit Kirschen auf die Lastwagen hievte. Der Fahrer brachte das Obst dann zum Großmarkt nach Hamburg.

Der Obsthof Lefers in Jork ist seit 1777 in Familienbesitz. Der heute 82-jährige Gerd Lefers ist auf dem Hof aufgewachsen. Er hat Kirschen, Mirabellen und Äpfel gepflückt und die 20 Kilo schweren Kisten gestapelt und verladen. Anfangs hat er mit Werftarbeitern aus der Gegend gearbeitet, die sich in der Obsternte Urlaub nahmen. In den 1960er-Jahren fuhren die Werftarbeiter lieber in den Urlaub, die ersten Arbeiter aus Anatolien kamen. Damals habe man mit den Menschen aus Anatolien noch an einem Tisch gesessen. Schweinefleisch habe es seltener gegeben, sagt Gerd Lefers. Er erinnert sich, wie er zwei jungen Arbeitern das Fahrradfahren beigebracht hat. Die Saisonkräfte aus Anatolien riskierten viel, denn sie bekamen keine offizielle Arbeitserlaubnis. Es gab Razzien der Polizei mit Hausdurchsuchungen. "Wir versteckten die armen jungen Männer meist oben im Haus bei meiner Großmutter, denn dort wagte die Polizei nicht zu suchen", erinnert sich Gerd Lefers. Im darauffolgenden Jahr waren die Arbeiter oder ihre Verwandten wieder da.

Vermarktung und Verkauf auf dem Großmarkt in Hamburg

Knapp 40 Jahre brachte Fruchthändler Claus Ropers Erdbeeren, Kirschen und Äpfel nachts aus dem Alten Land zum Großmarkt nach Hamburg. Seine Frau verkaufte die frische Ware dort. © NDR/Katrin Heineking
Knapp 40 Jahre brachte Fruchthändler Claus Ropers Erdbeeren, Kirschen und Äpfel nachts aus dem Alten Land zum Großmarkt nach Hamburg. Seine Frau verkaufte die frische Ware dort.

Wenn seine Nachbarn im Alten Land ihr Tagewerk vollbracht hatten, fuhr Claus Ropers los. Gegen Abend klapperte er von den 1960er-Jahren bis Ende der 1990er-Jahre mit seinem kleinen Lastwagen die Apfelhöfe ab und wuchtete die frische Ware auf die Ladefläche. Um 21.00 Uhr ging es dann nach Hamburg zum Großmarkt. Ab 23.00 Uhr wurde in den Deichtorhallen aufgebaut. Um 3.00 Uhr morgens kamen die Händler. "Da ging es um Pfennigbeträge, jeder versuchte zu feilschen! Aber das machte es ja gerade aus", erinnert sich Claus Ropers. Gegen 10.00 Uhr war er dann zurück auf seinem Hof, wo er selbst noch Obst anbaute. An sechs Tagen die Woche, 40 Jahre lang, absolvierte Claus Ropers diesen Kraftakt. Seine Frau zog mit und unterstützte ihn. "Wir hatten ein anstrengendes, aber auch sehr interessantes Arbeitsleben", sagt er heute. Zu seinem Nachfolger auf dem Großmarkt hat er gute Kontakte und lässt sich auf dem trubeligen Großmarkt manchmal noch sehen. Ganz besonders angesagt bei den Hamburgern war früher der Tag der offenen Tür im Großmarkt. "20.000 Menschen strömten hinein, Blaskapellen und ganz viel Tamtam!", erinnert sich der 75-jährige Ropers.

Damals in der DDR

Ohne Frauen lief in der Landwirtschaft der DDR nichts. Etwa die Hälfte aller Beschäftigten in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) waren Frauen. Und die begnügten sich nicht nur mit klassischen Arbeiten wie Kühe melken und Felder hacken. Frauen standen "ihren Mann" auch in Bereichen, die noch heute eher als Männerdomäne gelten: zum Beispiel Mähdrescher fahren. Gerda Czilwa aus Wittenförden bei Schwerin war so eine starke Frau. Ab 1973 holte sie mit ihrem riesigen Mähdrescher nicht nur Weizen, Gerste und Roggen ein. Ihr unterstand sogar eine ganze Mähdrescher-Brigade. Zu der gehörten Männer und Frauen. "Natürlich haben alle auf mein Kommando gehört!", erinnert sich die heute 74 Jahre alte Gerda Czilwa. Zuvor hatte sie nach ihrer Lehrzeit in Wittenförden Landwirtschaft studiert.

Erdbeerernte auf dem Hornbrooker Hof in Nehms

Seit 60 Jahren werden auf dem Hornbrooker Hof in Nehms, im Naturpark Holsteinische Schweiz gelegen, Erdbeeren angebaut. Der Familienbetrieb befindet sich derzeit im Übergang von der dritten in die vierte Generation. Erdbeeren zu pflanzen und zu ernten gehört für Familie Goldnick zur Tradition. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich allerdings vieles sehr verändert. Dauerte die Erntezeit früher nur rund einen Monat, können heute dank der Vielfalt an Sorten und neuen Anbautechniken drei Monate lang Erdbeeren geerntet werden, von Mai bis August. Und ging früher der Großteil der Ernte in die Marmeladenfabrik, rückte im Laufe der Jahrzehnte der Verkauf an private Kundschaft immer mehr in den Vordergrund. Mit einem Verkaufsstand Ende der 1970er-Jahre fing es an. Heute verkauft der Hornbrooker Hof seine Erdbeeren an rund 90 Verkaufsständen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen.

Leitung der Sendung
Thorsten Hapke
Redaktionsleiter/in
Joachim Grimm
Autor/in
Katrin Heineking
Heiko Kreft
Ole Lerch
Redaktion
Joachim Reinshagen
Produktionsleiter/in
Wolfgang Feist

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