Sendedatum: 09.02.2020 19:30 Uhr

Nicht Däne, nicht Deutscher, sondern Flensburger

von Karl Dahmen

Flensburg ist die nördlichste Metropole Deutschlands, dennoch sieht man hier überall dänische Flaggen, denn die Grenze ist nur wenige Kilometer nördlich. Nach 1945 wollten mehr als drei Viertel der Flensburger dänisch werden. Dass die Bewohner der Stadt sich dann doch wieder als Schleswig-Holsteiner sahen, lag auch am wichtigsten Vertreter der Dänen damals in der Fördestadt - Jacob Clausen Möller, den alle I.C. nennen.

Ole Arnkjær denkt gern an I.C. Möller zurück. Möller war 1945 von den Briten zum Oberbürgermeister von Flensburg ernannt worden und tat viel dafür, dass die Stadt die "Wunden des Krieges" verkraften konnte. Arnkjær hat die Enkelin von Möller geheiratet und ihn selbst kennengelernt. Er beschreibt I.C. als einen freundlich und besonnen Mann, der aber stets bekam, was er wollte. Als Bürgermeister war er beliebt, auf seinem Weg zum Rathaus grüßte er Hausfrauen und Straßenkehrer, Briefboten und Polizisten. Es schien immer so, als wenn er ganz Flensburg kennen würde.

Flensburg in Not

Historische Aufnahme einer Gruppe lachender Personen und Jacob Clausen Möller
Oberbürgermeister Möller war bei den Flensburger Bürgern sehr beliebt.

Die positive Ausstrahlung brauchte Möller, denn nach dem Krieg verdoppelte sich durch Flüchtlinge fast die Bevölkerung. Die Menschen litten Not und die Flensburger überlegten, ob sie es nicht besser gehabt hätten, wenn sie 1920 für Dänemark gestimmt hätten. Bei den Kommunalwahlen 1946 bekamen die Dänen 33 Sitze, die deutschen Parteien 6 Sitze. I.C. Möller als Vertreter der dänischen Minderheit wurde in seinem Amt als Oberbürgermeister bestätigt. Die Flensburger wünschten sich eine Trennung von "Deutscher Not" und erhofften sich von Dänemark paradiesische Zustände.

Flensburg war bis 1864 die zweitgrößte Stadt Dänemarks. Jetzt hofften auch viele Dänen auf die Rückkehr die Stadt ins Königreich. Sie sendeten Pakete, die Flensburger schickten ihre Kinder in Dänische Schulen und Kindergärten. Wer von Spenden profitierte, wurde spöttisch "Speckdäne" genannt. War es da nicht von Vorteil, einen Oberbürgermeister zu haben, von dem die New York Times titelte: "Ein Däne wird Bürgermeister in Flensburg?" Aber sie täuschten sich.

Vor allem ein Flensburger

Flaggen von Dänemark und Deutschland wehen im Wind © dpa-Bildfunk Foto: Carsten Rehder
Jacob Clausen Möller war es egal, ob Flensburg deutsch bleiben oder dänisch werden sollte.

Für I.C. Möller stellte sich nicht die Frage, ob er Deutscher oder Däne sei, er war vor allem Flensburger. Alles was er sagte und tat, diente nur einem Zweck: Flensburg besser zu machen. Er organisierte und regelte, ließ Häuser bauen und sorgte sich um die Infrastruktur.

1948 kam die Währungsreform. Flensburg ging es langsam wieder besser und auch die Wahlergebnisse für die deutschen Parteien steigerten sich. Mit dem Wirtschaftswunder verlor sich der Sehnsuchts-Blick der Flensburger Richtung Dänemark. Außerdem machten die Staatschefs von Deutschland und Dänemark früh klar: Eine Veränderung der Grenze soll es nicht geben. 1951 gab es zum ersten Mal wieder eine deutsche Mehrheit in der Ratsversammlung. Ein Jahr zuvor war Möller Stadtpräsident geworden. Dies Amt gab er nun auf. Sechs Jahre hatte er die Stadt präsentiert, wiederaufgebaut und ihr ein neues Selbstbewusstsein gegeben.

1955 starb I.C. Möller mit 78 Jahren in Flensburg und die dänische Flagge weht bis heute immer noch in der Stadt - aber nur, um an die Geschichte der Stadt zu erinnern und Touristen aus dem Norden zu begrüßen.

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Dampflokomotive aus dem 19. Jahrhundert. © dpa - report Foto: Votava

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Schleswig-Holstein Magazin | 09.02.2020 | 19:30 Uhr