Sendedatum: 16.06.2013 19:30 Uhr

Zeitreise: "Henker von Warschau"

Noch vor Kurzem wurde Ernst-Wilhelm Stojan aufgefordert, endlich Ruhe zu geben, das seien doch alles alte Geschichten. Doch der 87 Jahre alte ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Westerländer Rathaus hat dafür kein Verständnis. Er will aufklären und kann es kaum fassen, dass die Sylter diese Geschichte am liebsten aus der Inselchronik streichen möchten: Der "Henker von Warschau" war dort mehr als ein Jahrzehnt lang Bürgermeister - für Ernst-Wilhelm Stojan ist das bis heute ungeheuerlich.

Unbestrafte Gräueltaten im Kalten Krieg

Heinz Reinefarth, Westerländer Bürgermeister sitzt im Kieler Landtag  Foto: Screenshot
Heinz Reinefarth war Jurist, SS-Gruppenführer, Generalmajor der Waffen-SS, Landtagsabgeordneter und Bürgermeister in der Nachkriegszeit.

Heinz Reinefarth war als Generalmajor der Waffen-SS für die Niederschlagung des Warschauer Aufstandes zuständig. Die "Kampfgruppe Reinefarth" tötete mehr als 10.000 Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder. Zur Verantwortung gezogen wurde er nie. Der amerikanische Geheimdienst hielt seine Hand schützend über ihn - im Kalten Krieg war die Kommunikation mit den östlichen Nachbarn schwierig, eine Strafverfolgung kam so gut wie nie vor. Aber man erwartete eigentlich von NS-Tätern, von Kriegsverbrechern, dass sie sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Heinz Reinefarth ist der einzige SS-General, der das nicht getan hat.

Politische Karriere statt Haftbefehl

1951 wurde er für den BHE - den Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten - zum Bürgermeister in Westerland auf Sylt gewählt. Die Stimmen kamen von seiner Partei und der Sylter CDU. Der damalige SPD-Abgeordnete Stojan erzählt, Reinefarth war freundlich und zugewandt, die Leute mochten ihn. Über Politik konnte man sich nicht mit ihm unterhalten, Fragen zu seiner Vergangenheit blockte er stets ab. Schon damals wollte Stojan gegen den Bürgermeister vorgehen, doch selbst die eigene Fraktion folgte ihm nicht.

Später wurde Heinz Reinefarth sogar in den schleswig-holsteinischen Landtag gewählt - für viele untragbar. Als neue Beweise für seine Mittäterschaft aufkamen, wurde ihm die Immunität entzogen. Reinefarth dankte ab. Verurteilt aber wurde er dennoch nie. Bis 1979 lebte er unbehelligt als angesehener Geschäftsmann auf Sylt.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 16.06.2013 | 19:30 Uhr