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Der Krebsapotheker

Dienstag, 07. November 2017, 21:15 bis 21:45 Uhr
Donnerstag, 09. November 2017, 02:10 bis 02:45 Uhr

Nett soll er gewesen sein. Ein ruhiger Mensch, aufmerksam und besorgt. Peter Stadtmann, der Krebsapotheker aus Bottrop, war im Umgang mit den Schwerstkranken freundlich und verbindlich. Doch gleichzeitig soll er Tausenden Krebspatienten gepanschte oder wirkungslose Krebsmedikamente gegeben haben. Manchmal enthielten die Infusionen gar keinen Wirkstoff, sondern nur Kochsalz.

Über 4.000 betroffene Patienten

Auch Christine Piontek war Kundin in Stadtmanns Apotheke. Sie kann bis heute nicht fassen, was ihr und ihren Mitpatienten widerfahren ist. Manchmal hatte der Apotheker die Infusionslösungen sogar höchstpersönlich zur Therapiesitzung vorbeigebracht.

Die "Onko-Mädels": u.a.  Christiane Piontek, Heike Benedetti © NDR
Christiane Piontek und ihre "Onko-Mädels" schenken sich gegenseitig Kraft im Kampf gegen den Krebs.

"Er hat sich sogar bei uns erkundigt halt in die Runde, wie es uns denn geht. Im Nachhinein finde ich das makaber", sagt sie. "Den todgeweihten Menschen zu fragen, wie es ihm geht, mit dem Gedanken, ich weiß ja eigentlich, ach, Du kriegst heute nur mal Kochsalz.”

Mehr als 4.000 Patienten sind vermutlich betroffen, es ist einer der größten Medizinskandale der Nachkriegsgeschichte. Den finanziellen Schaden durch Abrechnungsbetrug beziffert die Staatsanwaltschaft auf 56 Millionen Euro. Am Montag beginnt der Prozess gegen den Apotheker. Die Beweise sind erdrückend.

Recherchen deuten auf Mitwisser hin

Die Autoren Oliver Schröm, Niklas Schenck und Willem Konrad haben sich zusammen mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv auf Spurensuche gemacht. Wer ist Peter Stadtmann? Und warum blieb das Verbrechen so lange unentdeckt? Die Autoren sprachen mit zwei früheren Apothekenmitarbeitern, die dem Spuk ein Ende setzten und den Apotheker anzeigten. Und sie sprachen mit Hinterbliebenen und mit Opfern, die nun mit der Angst leben müssen, dass der Apotheker ihnen Lebenszeit gestohlen hat.

"Wenn man mich mal fragt – ich weiß von nichts!"

Der Apotheker hatte vermutlich Mitwisser und Helfer. Nach Recherchen von Panorama – die Reporter, Correctiv und der Wochenzeitung DIE ZEIT, kannten viele die Gerüchte über die Panscherei in der Apotheke, schauten aber weg. Martin Porwoll, einer der beiden Anzeigeerstatter, sagt dazu: "Wenn ich das System Apotheke sehe, wie das da funktioniert hat, ist mir klar, warum Menschen das machen. Jetzt nicht von der Motivation her, aber … wenn das schlimmste Verbrechen irgendwie nur, irgendwie normal aussieht, dann ziehen die Leute mit. Ohne mit der Wimper zu zucken."

Maria-Elisabeth Klein
Maria-Elisabeth Klein arbeitete als Laborantin in der Apotheke und berichtet von regelwidrigen Zuständen im Labor.

Der Laborantin Maria Klein, die ebenfalls Anzeige erstattet hat, war wiederum aufgefallen, dass der Apotheker häufiger mit Straßenkleidung in das Sterillabor ging, um Krebsmedikamente herzustellen. "Es hieß immer: Der Chef geht wieder spielen. Das hieß, er machte die Chemotherapien mal eben nebenbei. Als ich dann mal nachgehakt habe, was so die Lagerung und Haltbarkeit betraf, wurde dann nur gesagt: "Wenn man mich mal fragt – ich weiß von nichts!".

Ermittlungen gegen zwei Mitarbeiterinnen

Ende Juli 2017 wurden die Ermittlungen neben Peter Stadtmann auf zwei Apothekenmitarbeiterinnen ausgeweitet. Es handelt sich nach unseren Recherchen um zwei Laborantinnen, 58 und 32 Jahre alt, die in der Alten Apotheke in Bottrop zusammen mit Peter Stadtmann Krebsmedikamente herstellten.

Am 29. November 2016 war der Apotheker festgenommen und die Apotheke durchsucht worden. Die Polizei beschlagnahmte damals 117 Krebstherapien, die an diesem Tag hätten ausgeliefert werden sollen. Das Landeszentrum für Gesundheit (LZG) in Münster untersuchte 88 der Infusionslösungen. Die restlichen 29 überprüft das Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Ende Mai 2017 legte das LZG seine Ergebnisse vor: 39 Infusionen waren stark unterdosiert.

Auswertung der Herstellungsprotokolle

Zusätzlich haben Ermittler die Herstellungsprotokolle der beschlagnahmten Infusionslösungen ausgewertet. Demnach hat Peter Stadtmann selbst zehn der unterdosierten Krebsmedikamente hergestellt, die 58-jährige Laborantin 21 Infusionslösungen, und die 32-jährige Laborantin zeichnete für zwei Infusionen. In sechs weiteren Fällen fehlte das Herstellungsprotokoll.

Nach unseren Recherchen ermittelt die Staatsanwaltschaft Essen gegen die beiden Laborantinnen wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz und Beihilfe zum Betrug. Die Apothekenmitarbeiterinnen ließen über ihren Anwalt mitteilen, dass sie sich nicht zum Vorwurf äußern wollen. Auch Peter Stadtmann schweigt.

 

Weitere Informationen
Peter Stadtmann, Apotheker "Die Alte Apotheke" Bottrop © NDR

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Redaktion
Schiffermueller, Dietmar

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