Problemzone Bahnhof: Wie mit Obdachlosen und Suchtkranken umgehen?

An den großen Bahnhöfen Norddeutschlands gehören Menschen aus der Alkohol- und Drogenszene zum alltäglichen, beklemmenden Bild. Die betroffenen Kommunen gehen mit der Situation unterschiedlich um.

von Simona Dürnberg und Lucie Kluth

Der Raschplatz in Hannover liegt unmittelbar am Hauptbahnhof. Längere Zeit schon war das Areal ein Treffpunkt von Obdachlosen und der Drogenszene. Im Frühjahr dieses Jahres hat die Stadt Hannover versucht, den Platz aufzuwerten: Eine Sport- und Freizeitfläche unter freiem Himmel wurde eingerichtet, Volleyball- und Fußballfelder sollten anderes Publikum anziehen. Schon kurz nach Eröffnung meldeten sich Obdachlosen- und Suchthilfeorganisationen zu Wort und beklagten, dass ihre Klientel durch das neue städtische Angebot verdrängt werde.

Mittlerweile sind obdachlose und drogenabhängige Menschen in Teilen wieder zurück auf dem Raschplatz. Auch weil es in Hannover keine offiziellen Ausweichflächen für sie gebe, sagt Lars Eilers von der benachbarten Drogenhilfeeinrichtung Stellwerk. Lediglich ein betonierter Platz direkt vor dem im Stellwerk eingerichteten Drogenkonsumraum stehe für sie zur Verfügung, so Eilers. Bis zu 400 Menschen täglich hätten sich dort im Sommer aufgehalten. "Das sorgt zwangsläufig für Eskalation", erzählt der Sozialarbeiter. Den ganzen Sommer habe es keine Sitzmöglichkeiten und Unterstände gegeben. Mittlerweile werden diese aber offenbar gerade gebaut.

Die Stadt Hannover schreibt Panorama 3 dazu: Nach Abschluss der Arbeiten in einigen Wochen werde dort eine deutlich erhöhte Aufenthaltsqualität vorzufinden sein. Betont wird auch: "Der öffentliche Raum ist für alle Menschen da, auch für Menschen mit dem 'Lebensmittelpunkt Straße' […]".

Bremer Imbiss leidet unter Situation

Auch am Bremer Hauptbahnhof gibt es Probleme. Schnell fallen dort auf: Obdachlose, Menschen, die nach Kleingeld fragen, und öffentlicher Drogenkonsum, obwohl die Stadt bereits eine Ausweichfläche in der Nähe geschaffen hat.

Vor dem Hauptbahnhof verkaufen Dealer ihre Ware. Oft auch direkt neben dem Wurstimbiss von Familie Kiefert. Der Imbiss ist ein Bremer Traditionsunternehmen, seit über 90 Jahren verkauft er am Bremer Hauptbahnhof Würstchen. Die Situation sei in den letzten Jahren immer schlimmer geworden, berichtet Imbissbesitzerin Marianne Kiefert. Ständig müssten die Mitarbeiterinnen morgens Blut und Kot wegwischen oder Spritzen wegräumen. Der Imbiss könne nur noch bis 20 Uhr geöffnet bleiben statt bis Mitternacht, es sei sonst zu gefährlich für Personal und Kunden. "Wir fühlen uns allein gelassen und das seit Jahren", sagt Kiefert.

Die Bremer Innenbehörde erklärt auf Anfrage: "Aufgrund der abgestimmten Maßnahmen von Polizei und Ordnungsamt [...] hat sich die Situation verbessert. Dennoch ist die Lage am Hauptbahnhof auch in unseren Augen nicht zufriedenstellend." Vor allem die Crackszene stelle eine große Herausforderung dar.

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Crack zieht Kriminalität nach sich

Um die Situation zu entschärfen, soll ab Oktober eine Alkohol- und Drogenverbotszone am Hauptbahnhof geschaffen werden. An den Bus- und Bahnhaltestellen darf dann nicht mehr konsumiert werden. Streifen von Ordnungsamt und Polizei sollen das Verbot durchsetzen.

Die Probleme am Bremer Bahnhof seien durch die Droge Crack sichtbarer geworden, erklärt Cornelia Barth von der Drogenhilfeeinrichtung Comeback, die gegenüber des Bahnhofs sitzt. Crack wirkt sehr schnell und intensiv, das Suchtpotenzial ist hoch. Das ziehe auch Kriminalität nach sich. Zur Verbotszone sagt sie: "Ich hoffe, dass zeitgleich auch noch mal eine weitere Toleranzfläche und ein paar lokale Aufenthaltsmöglichkeiten geschaffen werden." Sonst führe der Druck am Bahnhof dazu, dass sich das Problem in die anderen Stadtteile verlagere und dort zu Belastungen führe.

Von der Baubehörde heißt es, man sei dabei, entsprechende Flächen zu finden: "Hierbei wird mindestens eine konkrete Aufenthaltsfläche jeweils für die Drogen- und Alkoholszenen in der Nähe des Hauptbahnhofs benannt werden."

Imbissbesitzerin gibt auf

Dem Imbiss von Marianne Kiefert wird das Alkohol- und Drogenverbot am Bremer Hauptbahnhof nichts mehr bringen. Ende des Jahres will sie schließen. Die Zustände seien für sie nicht mehr tragbar, sagt sie.

 

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