Stand: 17.03.2015 16:40 Uhr

Scharlatane? Die Einflüsterer der Impfgegner

Max war noch ein Baby, als er sich mit Masern ansteckte. Er war noch zu jung, um geimpft zu werden, und das hatte schwere Konsequenzen für ihn. Anfangs schien es, er hätte die Krankheit gut überstanden. Nach ein paar Wochen mit schwerem Fieber war er wieder fit. Ein aufgeweckter Junge, erzählen seine Eltern, immer in Aktion. Doch im Alter von zehn Jahren hat Max plötzlich Aussetzer beim Sprechen, fällt immer wieder hin. Die Diagnose: SSPE, eine Folgeerkrankung der Maserninfektion, die das Gehirn angreift und zerstört. Im vergangenen Jahr ist Max daran gestorben - mit 19 Jahren.

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Masern werden unterschätzt

Für seine Eltern ist es jedes Mal ein Schlag ins Gesicht, wenn sie von Leuten hören, die ihre Kinder bewusst nicht impfen lassen. Denn sie gefährden damit ihre eigenen Kinder - statistisch erkrankt ungefähr eine von 3.300 Personen, die während ihrer ersten fünf Lebensjahre eine Maserninfektion durchgemacht haben(*) später an SSPE - und sie gefährden auch andere Kinder, die noch zu jung für eine Impfung sind. "Wären die anderen um Max herum geimpft gewesen, wäre er nicht krank geworden", sagt Rüdiger Schönbohm, der Vater von Max. Dr. Peter Seiffert von der Helios Klinik Duisburg bestätigt das. Impfen sei der beste und einzige Schutz gegen die Masern. Er hat nach einer Masernwelle mit rund 1.600 Erkrankten in Duisburg mehrere Kinder mit SSPE behandelt und gesehen, wie sie starben. "Es macht mich in erster Linie traurig, weil diese Dinge so leicht zu verhindern wären", so Dr. Seiffert. Er geht davon aus, dass - zurückhaltend kalkuliert - die Häufigkeit für SSPE in NRW bei ca. 1:3.300 (wohlgemerkt alle Altersklassen) liegt. Der Ausbruch in Duisburg legt diese Zahlen nahe.

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Elena Kuch © NDR / Ulla Brauer Foto: Ulla Brauer

Elena Kuch

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Einerseits wird die Impfung nicht mehr so ernst genommen, weil offenbar vielen nicht mehr klar ist, wie gefährlich die Krankheit ist. Sie schieben die Impfung auf, vergessen sie nachzuholen. Andererseits gibt es eine kleine, aber einflussreiche Lobby von erklärten Impfgegnern, die hartnäckig streuen: Der Schaden durch das Impfen sei größer als der Nutzen. Ihr Forum finden die Impfgegner hauptsächlich im Internet, die einschlägigen Seiten werden häufig besucht. Dort wird über Impfschäden berichtet, über die interessengeleitete Pharmaindustrie und angebliche Gifte in und Gefahren durch Impfstoffe.  

Gerüchte und Verschwörungstheorien gegen Impfungen

Impfgegner Hans Tolzin
Impfen verursacht Autismus, HIV und Ebola sind Panikmache: Impfgegner Tolzin vertritt eigenwillige Thesen.

Doch wer betreibt diese Internetseiten? Der Autor der beliebtesten impfkritischen Homepages, impfkritik.de und impf-report.de, ist Hans Tolzin, selbsternannter Medizinjournalist. Ungerührt aller Gegenbelege behauptet Tolzin weiterhin, eine Impfung könne Autismus auslösen und bezieht sich damit auf den Briten Andrew Wakefield, der inzwischen seine ärztliche Zulassung verloren hat. Denn diverse Studien haben den Zusammenhang zwischen Impfen und Autismus längst widerlegt. Doch Tolzin warnt nicht nur vor Folgeschäden durch Impfungen, sondern vertritt auch sonst sehr eigenwillige Thesen. Er bezweifelt zum Beispiel die Existenz des HI-Virus. Auch die Ebola-Epidemie in Afrika ist seiner Ansicht nach reine Panikmache, gesteuert von der Pharmaindustrie und womöglich sogar unterstützt von der westlichen Welt, die es auf Bodenschätze in den westafrikanischen Ländern abgesehen hätte.

Nachhaltig verunsichert

Er ist nicht allein. Auch der erklärte Impfgegner Stefan Lanka zweifelt an der Existenz von Viren. Er veröffentlichte sogar eine Ausschreibung im Internet: Demjenigen, der Existenz und Größe der Masernviren mithilfe wissenschaftlicher Publikationen belegt, wolle er 100.000 Euro bezahlen. Ein Mediziner schickte ihm diverse Studien und verlangte das Geld. Ein Gericht urteilte jüngst, Lanka müsse zahlen, die Beweise seien erbracht. Doch Lanka und seine Anhänger erschüttert das Urteil nicht. Sie verdrehen weiter Realität und Fakten und schüren Ängste. Panikmache, die sie ihrerseits Wissenschaftlern und Gesundheitsbehörden vorwerfen. Und doch scheinen sie Erfolg zu haben. Es gelingt dem kleinen Kreis offenbar eine große Wirkung zu erzielen und Menschen bei ihrer Impfentscheidung nachhaltig zu verunsichern.

(* )In einer früheren unseres Beitrags Version hieß es: "statistisch erkrankt ungefähr einer von 3.300 Masernpatienten später an SSPE" Die Zahl bezieht sich auf Kinder bis fünf Jahre. Wir haben die Angabe dahingehend präzisiert.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 17.03.2015 | 21:15 Uhr

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