Panorama 3

Große Ziele: Wie ein junger Politiker EU-Gesetz ändern will

Dienstag, 17. Januar 2023, 21:25 bis 21:55 Uhr
Donnerstag, 19. Januar 2023, 01:45 bis 02:15 Uhr

Rasmus Andresen steht vor einer der größten Herausforderungen seiner Karriere: Die Schifffahrt in der EU soll klimaneutral werden. Bei der Arbeit an einem Gesetzesentwurf begleitet ihn Panorama 3 über ein Jahr lang. Zu Ausschusssitzungen und Lobbygruppen, von Schleswig bis nach Straßburg, am Küchentisch und im Europäischen Parlament.

Von Kim Kristin Mauch und Carsten Janz

"Das ist ja eine tolle Adresse, kann man sagen. Sie haben hier ja einen guten Ausblick." Rasmus Andresen ist zu Besuch bei Deutschlands größter Reederei Hapag-Lloyd. Der 36-jährige EU-Abgeordnete aus Schleswig-Holstein lässt sich vom altehrwürdigen Sitz direkt an der Hamburger Binnenalster nicht beeindrucken. Aber es ist für ihn schon gewöhnungsbedürftig, als er in einen Raum geführt wird - mit nur einem Tisch für ein Mittagessen mit privatem Kellner. Er trifft sich hier mit dem Direktor für Nachhaltigkeit bei Hapag Lloyd.

Rasmus Andresen vor dem Hamburger Hafen. © NDR
Will die Schifffahrt klimaneutral machen: Rasmus Andresen.

Knapp zwei Stunden haben sie sich Zeit genommen, um über die Zukunft der Schifffahrt zu sprechen. Rasmus Andresen erarbeitet für einen Ausschuss des EU-Parlaments einen Gesetzentwurf zu diesem Thema. Bis wann kann es die Branche schaffen emissionsfrei zu fahren? Und mit welchen Kraftstoffen wäre das möglich? Wie Hapag-Lloyd als Riese in der Industrie darüber denkt, ist für Rasmus Andresen interessant. Als Abgeordneter der Grünen hat er etwas andere Vorstellungen von Klimaschutz als das Unternehmen. Er würde gerne schnell emissionsfrei werden. Klimaneutralität bis 2040 lautet sein Ziel. Nur entscheiden tut er das natürlich nicht alleine.

Der Einfluss der Lobby

Seit vier Jahren sitzt er für die Grünen im EU-Parlament in Brüssel. Die Abgeordneten haben sich hier in Fachausschüssen organisiert, um Gesetzentwürfe zu bearbeiten. Andresen ist Mitglied im Industrieausschuss. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, den Entwurf der EU-Kommission zu emissionsfreier Schifffahrt zu überarbeiten. Zunächst kann er gemeinsam mit seinem Referenten Julius Silbernagel eigene Ideen entwickeln, aber später müssen sie dafür in ihrem Ausschuss eine Mehrheit finden.

Aufgestapelte Container stehen auf einem Containerschiff der Reederei Hapag-Lloyd im Hamburger Hafen. © picture alliance / dpa Foto: Bodo Marks
Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd ist einer der größten Player in der internationalen Container-Schifffahrt.

Es ist langer und aufwendiger Prozess, auf den viele nur allzu gern Einfluss nehmen würden. Sie sind mit Lobbyisten aus allen Lagern verabredet, sowohl mit Umweltverbänden als auch mit Industrievertretern. Aufmerksam hören sie sich alle Argumente an. Sollten sie später in den Verhandlungen mit anderen Abgeordneten darauf treffen sind sie vorbereitet.

Als Abgeordneter die Zukunft voraussagen

Ein Termin in Schleswig birgt dabei besonders viele Überraschungen. Ein Unternehmen, dass Wasserstoffboote bauen will, fordert schon bis 2030 klimaneutral zu werden. Rasmus Andresen Vorschlag, 2040, ist ihnen zu spät, aber dem Politiker ist klar, dass er sich mit noch stärkeren Forderungen nie wird durchsetzen können.

Es ist wie ein Blick in die Kristallkugel: Was wird in der Zukunft möglich sein? Wie schnell kann man Änderungen von einer gesamten Branche verlangen, wenn es noch gar keine klare Vorstellung davon gibt, wohin sich alles entwickeln soll? LNG, Biogas, Methanol, Wasserstoff oder doch vielleicht Strom? Die eine richtige Antwort auf die Frage nach dem Treibstoff gibt es noch nicht. Das sei sehr herausfordernd, sagt Rasmus Andresen, aber man dürfe sich nicht zu sehr davon treiben lassen, was heute der Stand sei. In einem Jahr könne das schon ganz anders aussehen.

Ein schmerzhafter Kompromiss

Doch die Verhandlungen mit seinem Ausschuss laufen nicht, wie er es sich wünscht. Andere Abgeordnete halten seine Ambitionen für unrealistisch. Mit zu hohen Forderungen würde man nur den Markt stören. Auch wenn es schmerzhaft ist, einigt er sich auf Klimaneutralität bis 2050. Alle mussten sich von ihren Positionen wegbewegen. Alle sind unglücklich, aber in Brüssel hält man das für einen guten Kompromiss.

Der Gesetzentwurf wird jetzt aber noch nicht dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Denn zwei weitere Ausschüsse haben parallel an demselben Gesetzentwurf gearbeitet und nun müssen sich alle drei Ausschüsse auf einen davon einigen.

Eine Wand aus Einzelinteressen

Der Verkehrsausschuss ist dabei federführend. Von hier an übernimmt ein konservativer Abgeordneter der EVP aus Schweden die Verhandlungen. Rasmus Andresen war schon von Beginn an klar, dass seine Ziele deutlich über denen der anderen Fraktionen liegen. Sich noch einmal mit den anderen Abgeordneten darüber auseinanderzusetzen, weshalb es die braucht, kostet viel Kraft.

Der EU-Parlamentarier Rasmus Andresen vor leeren Sitzen im Plenum. © NDR
Kompromisse im EU-Parlament zu finden, ist eine schwierige Aufgabe für Rasmus Andresen.

"Man fängt hier irgendwie bei null an und die vertreten eigentlich nicht das Ziel des Gesetzes, nämlich den Bereich emissionsfrei zu machen, sondern die vertreten halt Einzelinteressen von einigen wenigen, die ein Interesse daran haben, den Prozess auszubremsen", sagt Rasmus Andresen. "Das ist immer wieder das Problem gewesen, dass man gegen so eine Wand anrennt, die vielleicht nach außen hin über grüne Schifffahrt redet, aber die ehrlich gesagt wenig dafür tut."

Keine Stimme für mickerige Ziele

Tatsächlich kann er sich in dieser Runde mit seinen Forderungen kaum durchsetzen. Am Ende ringen sie um jeden Prozentpunkt für die Reduktion von Emissionen und landen bei gerade mal 80% bis 2050. So einen Kompromiss kann und will Rasmus Andresen nicht mittragen. Er zweifelt daran, ob der Entwurf mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist und will ihn nicht mit seiner Stimme grün waschen.

Am Ende stimmt er im Parlament gegen einen Entwurf, in den er über ein Jahr lang viel Arbeit gesteckt hat, aber der ihm einfach nicht weit genug geht. Das sei Politik, sagt Andresen. Man müssen schon eine gewisse Frustrationstoleranz mitbringen. Veränderungen bräuchten immer Zeit und dies sei nun ein gutes Beispiel dafür.

Redaktionsleiter/in
Maike Rudolph
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