NDR Story

Herr D. sucht die Fachkraft

Montag, 26. Februar 2024, 22:00 bis 22:45 Uhr

Der Mangel an Arbeitskräften ist für den Ferien- und Freizeitpark Weissenhäuser Strand an der Ostsee zur Existenzfrage geworden: Es gibt so gut wie keine Bewerberinnen und Bewerber auf die offenen Stellen. Geschäftsführer David Depenau geht deshalb einen ungewöhnlichen Weg: Mehrmals im Jahr fliegt er in Länder außerhalb der EU, um Arbeitskräfte anzuwerben.

Doch obwohl die Politik weiß, dass es ohne ausländische Fachkräfte nicht geht, stoßen David Depenau und seine Kolleginnen aus der Personalabteilung auf hohe bürokratische Hürden. Die NDR Reporterinnen Laura Borchardt und Julia Saldenholz haben Depenau und sein Team über mehrere Monate bei der schwierigen Suche nach Arbeitskräften begleitet.

Viele junge Menschen, kaum Jobs auf Madagaskar

Geschäftsführer David Depenau stellt sein Unternehmen, den Ferien- und Freizeitpark Weissenhäuser Strand, in Madagaskar vor. Er hofft, junge Menschen, die hier deutsch lernen, für eine Ausbildung in Schleswig-Holstein zu begeistern. David Depenau ist auf der ganzen Welt unterwegs, um Arbeitskräfte anzuwerben. Insbesondere die Gastronomie leidet unter Arbeitskräftemangel. © NDR/Laura Borchardt
Geschäftsführer David Depenau stellt sein Unternehmen in Madagaskar vor.

14 Stunden Flug liegen hinter ihm, als David Depenau im Juni 2023 in Antananarivo landet. In der Hauptstadt des afrikanischen Inselstaates Madagaskar will er Azubis für sein Unternehmen an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins anwerben. Madagaskar ist eines der ärmsten Länder der Welt, es gibt dort viele junge Menschen und kaum Jobs.

In Deutschland ist die Situation genau andersherum: Die Bundesagentur für Arbeit meldete Ende 2022 fast zwei Millionen offene Stellen, so viele wie noch nie. David Depenau kann selbst seine Ausbildungsstellen nicht mehr mit inländischen Bewerberinnen und Bewerbern besetzen.

In Antananarivo trifft er auf junge Menschen, die viel investieren, um in Deutschland eine Ausbildung machen zu können. In der Sprachschule von Angelique Steffeck lernen sie Deutsch. Dafür zahlen sie monatlich etwa 50 Euro, das ist ein Monatslohn in Madagaskar. Die Hoffnung: eine Ausbildung in Deutschland. David Depenau wird sechs von ihnen einen Vertrag geben.

Die Politik muss die Türen für Arbeitskräfte weiter öffnen

Wer aus einem Nicht-EU-Land zum Arbeiten nach Deutschland kommen möchte, muss eine Vielzahl von Kriterien erfüllen und unterschiedliche Nachweise für ein Visum erbringen. Christine Hartmann, zuständig fürs Personal am Weissenhäuser Strand, ist täglich damit beschäftigt, einen Weg durch den Dschungel unterschiedlicher Verfahren und Regelwerke zu finden. Immer wieder trifft sie auf überlastete und überforderte Mitarbeitende in den Behörden. Die Konsequenz: Die Verfahren ziehen sich in die Länge, Bewerberinnen und Bewerber springen ab.

Arbeitskräfte aus dem Ausland werden dringend gebraucht

Dabei braucht ihr Unternehmen wie so viele Betriebe in Deutschland dringend Arbeitskräfte aus dem Ausland. So würde das Hotel im Wellnessbereich gern eine Thai-Massage anbieten. Und wer könnte das besser als thailändische Masseurinnen und Masseure, ausgebildet an einer anerkannten Universität in Bangkok? Christine Hartmann versucht seit einem Jahr zwei von ihnen nach Deutschland zu holen. Es ist ihr nicht gelungen, auch weil die Anerkennung des Universitätsabschlusses so kompliziert ist.

Auch die Anwerbung eines indischen Kochs und einer Kenianerin, die das Unternehmen gerne einstellen würden, stockt. Die Politik nehme das Thema trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht ernst genug, kritisiert David Depenau. Er fordert, dass die Politiker die Türen weiter aufmachen sollen. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das der Deutsche Bundestag im Sommer 2023 beschlossen hat, gehe nicht weit genug.

Der erste Winter weit weg von zu Hause. Der erste Winter an der Ostseeküste von Schleswig-Holstein. Sechs Monate lang machen Kevin und Silvio bereits ihre Ausbildung im Ferien- und Freizeitpark Weissenhäuser Strand. © NDR/Henning Wirtz
Kevin und Silvio erleben den ersten Winter weit weg von zu Hause an der Ostseeküste von Schleswig-Holstein.

Die sechs angehenden Azubis aus Madagaskar bekommen immerhin ein Visum für Deutschland und beginnen ihre Ausbildung im Ferien- und Freizeitpark Weissenhäuser Strand. Es ist der erste kalte Winter für sie, die erste lange Trennung von ihren Familien und der Start in ein neues Leben.

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Autor/in
Julia Saldenholz
Laura Borchardt
Redaktion
Ben Bolz
Produktionsleiter/in
Anja Reingold