Zur Sache: Pflegefamilien dringend gesucht
von Michaela Assmann
Alle Kinder brauchen Eltern - aber nicht alle Eltern sind in der Lage, sich um ihre eigenen Kinder zu kümmern. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich: Drogensucht, psychische Erkrankungen, Konflikte mit dem Partner oder Trennung beziehungsweise Scheidung. Ebenso kommt es vor, dass Kinder misshandelt oder missbraucht werden und deshalb nicht bei ihren Eltern bleiben können.
Pflegeeltern dringend gesucht
Sind Pflegefamilien ein zeitgemäßes Instrument des Jugendschutzes oder sind die Anforderungen an Pflegeeltern zu hoch? Darüber haben Rebekka Merholz und ihre Gäste in Zur Sache diskutiert.
Wenn die eigenen Eltern ausfallen
Dann kommen Pflegefamilien ins Spiel. Sie springen ein, wenn die leiblichen Eltern ausfallen. Pflegeeltern nehmen die Kinder so lange bei sich auf, bis die eigenen Eltern wieder in der Lage sind, sich selbst zu kümmern. Manchmal bleiben Kinder auch in den Pflegefamilien, bis sie erwachsen sind. Denn nicht immer gibt es ein Zurück zu den leiblichen Eltern.
Es werden nicht genug Pflegefamilien gefunden
In ganz Schleswig-Holstein fehlen flächendeckend Pflegefamilien. Das hat eine Abfrage von NDR 1 Welle Nord bei den Städten und Kreisen ergeben. In Lübeck ist die Zahl der Kinder, die in einer Pflegefamilie leben, in den vergangenen Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen - auf aktuell 331. Der Stadt gelingt es nach eigenen Angaben inzwischen nicht mehr, genügend Pflegefamilien zu finden. Etwa jedes zehnte Kind lebt deshalb in einer Wohngruppe oder in einem Heim.
Bereitschaft, ein Pflegekind aufzunehmen, sinkt
In Kiel ist die Bereitschaft, ein Pflegekind aufzunehmen, signifikant zurückgegangen. Seit 2009 um 40 Prozent, so eine Sprecherin der Stadt. Es fehlen passende Pflegefamilien. Die braucht es, um zu verhindern, dass Pflegeverhältnisse abgebrochen werden. Auch in Flensburg stehen - so die Stadt wörtlich - bei weitem nicht genügend passende Pflegefamilien zur Verfügung. Die Kreise Pinneberg und Dithmarschen berichten, dass es vor allem an Familien fehle, die hoch auffällige Kinder aufnehmen. In den Kreisen Plön und Herzogtum Lauenburg fehlen nach Angaben der Verantwortlichen vor allem sogenannte Bereitschaftspflegefamilien. Das sind Familien, die sehr kurzfristig und vorübergehend ein Kind aufnehmen.
Unterstützung kommt vom Jugendamt
Fast alle Kinder, die zu Pflegeeltern kommen, haben schlechte Erfahrungen gemacht. Nicht selten sind die Kinder schwer traumatisiert. Sie brauchen häufig professionelle Hilfe bei der Bewältigung ihrer besonderen Lebenssituation. Hier bieten die Jugendämter Hilfe an. Gerade, wenn zum Beispiel Probleme in der Schule auftreten und Verhaltensauffälligkeiten auftreten.
Voraussetzungen für Pflegeeltern
Wer ein Pflegekind aufnimmt, braucht Platz. Am besten hat das Kind ein eigenes Zimmer. Selbstverständlich sollte genügend Zeit für das neue Familienmitglied zur Verfügung stehen, Erfahrung im Umgang mit Kindern ist wünschenswert. Pflegefamilien sollten in stabilen finanziellen Verhältnissen leben. Vollzeitpflegefamilien erhalten aktuell pauschal zwischen 805 und 954 Euro Pflegegeld pro Kind und Monat, je nach Alter des Kindes (entsprechend der Landesunterhaltsverordnung LUVO SH).
Es wird genau geprüft, ob es passt
Um Kindern die Unterbringung im Heim möglichst zu ersparen, suchen alle Städte und Kreise im Land permanent Pflegefamilien. Selbst da, wo vermeintlich genug Pflegefamilien bereitstehen, gibt es Engpässe, da nicht jedes Kind in jede Familie passt. Um zu verhindern, dass ein Pflegeverhältnis frühzeitig beendet wird, gilt es, sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen auf beiden Seiten stimmen.
Probleme in Herkunftsfamilien
In der Zur Sache Sendung am Sonntagabend diskutierte Moderatorin Rebekka Merholz mit Gästen im Studio die aktuelle Situation von Pflegefamilien und Pflegekindern im Land. Dabei ging es auch darum, dass die Kinder immer öfter schwere Probleme in ihrer sogenannten Herkunftsfamilie haben. Und das bedeutet für die Pflegefamilien noch mehr Arbeit.
Gäste im Studio waren: Jasper Jensen, Leiter des Pflegestellenteams im Fachdienst Jugend beim Kreis Pinneberg, Lidija Baumann vom Kinderschutzzentrum Kiel, das ehemalige Pflegekind Sharon Schröder sowie ein Vater, der zwei Kinder (3 und 6 Jahre) in Pflege hat.
