Vendée Globe: Herrmann von Kollision dramatisch ausgebremst
Drama um Boris Herrmann bei der Vendée Globe: Der Hamburger Skipper kollidierte bei der Solo-Weltumseglung kurz vor dem Ziel mit einem Fischtrawler. Den Sieg sicherte sich der Franzose Yannick Bestaven.
Herrmann kämpfte im Showdown der härtesten Solo-Regatta des Segelsports um einen Podestplatz, als er knapp 90 Seemeilen vor dem Ziel von dem Zusammenstoß ausgebremst wurde. Herrmann blieb unverletzt, verlor aber viel Zeit - die Schäden an seinem Boot ließen nur eine deutlich geringere Geschwindigkeit zu. Theoretisch wäre zuvor auch der Sieg noch möglich gewesen. Doch alle Chancen waren nach dem Zwischenfall dahin. Der Hamburger wird wohl am Donnerstagvormittag das Ziel erreichen.
Herrmann: "Das war ein Schock"
"Ich habe geschlafen, bin aufgewacht und habe den Fischtrawler wie eine große Wand vor mir gesehen. Ich bin mehrmals dagegen gestoßen, konnte dann aber weiterfahren. Das war ein Schock", berichtete Herrmann, der mehrere Reparaturen vornehmen musste.
"Vielleicht werde ich nie wieder so nah rankommen an so ein Podium? Ich habe gekämpft wie ein Löwe in den letzten Tagen." Boris Herrmann
"Das ist der schlimmste Albtraum, der mir bislang widerfahren ist. Aber ich bin noch im Rennen und kann es ins Ziel schaffen. Ich habe zwar viele Plätze eingebüßt, aber das ist jetzt zweitrangig", so Herrmann, der rätselte, wie es zu dem Zusammenstoß kommen konnte. "Ich hatte alle Alarme an und zuvor getestet. Aber hier haben sie nicht angeschlagen. So etwas habe ich auf See noch nie erlebt. Aber das Wichtigste ist, dass niemand verletzt wurde."
"Das ist eine Katastrophe. Das Schlimmste, was einem passieren kann. Aber er ist der Sieger der Herzen. Dass er daran teilgenommen hat, dass er uns alle mit auf See genommen hat, das ist eine gigantische Leistung." Hochsee-Profi Tim Kröger
Franzose Bestaven ist der Sieger
Zum Sieger krönte sich am Donnerstagmorgen der Franzose Yannick Bestaven. Er erreichte das Ziel zwar nur als Dritter, bekam aber für die Rettungsaktion des schiffbrüchigen Kevin Escoffier eine Zeitgutschrift von 10:15 Stunden. Damit setzen die Franzosen ihre Siegesserie bei der Vendée Globe fort. In allen neun Rennen seit 1989/90 waren sie erfolgreich. Auch Herrmann war an der Rettung Escoffiers beteiligt und wird eine Bonifikation von sechs Stunden erhalten.
Nach 50.000 Kilometern hatte der Franzose Charlie Dalin am Mittwochabend als Erster das Ziel vor Les Sables-d'Olonne erreicht. Er belegt nun im Gesamtklassement hinter Bestaven Rang zwei.
So oder so ein Riesenerfolg für Herrmann
Von Stunde zu Stunde war die Spannung in der letzten Phase des Rennens gewachsen. Auch Klimaaktivistin Greta Thunberg, die von Herrmann 2019 im Segelboot über den Atlantik nach New York gebracht worden war, verfolgte das Finale. "Ein wahrer Held" sei Herrmann, schrieb die 18-Jährige bei Twitter.
Herrmann, für den die Regatta unabhängig von der Platzierung und dem Drama kurz vor Schluss ein Riesenerfolg ist, ging aufgeregt in die finalen Stunden der größten Herausforderung seines Lebens. "Es ist aufregender, als ich es will oder brauche", sagte er: "Ich bin wie ein Kind an Weihnachten. Ich weiß nicht, ob ich jemals so aufgeregt gewesen bin."
Wiedersehen mit der Familie
Die Spitze hatte für den finalen Abschnitt des Rennens unterschiedliche Routen gewählt. Herrmann folgte dem führenden Dalin auf seinem östlichen Weg, während unter anderem Bestaven auf die Winde weiter im Norden setzte und von Zwischenzeit zu Zwischenzeit der Spitze näher kam. Herrmann fieberte dem Ende des langen Rennens entgegen, nicht allein getragen von der Aussicht auf eine starke Platzierung. "Einige Freunde und meine Frau sind bereits in Les Sables-d'Olonne", sagte er. Und auch, dass er sich unheimlich auf seine kleine Tochter freut. Das - wenn auch nun etwas verzögerte - Wiedersehen nach 80 Tagen auf See dürfte ein Trost für Herrmann sein, der trotz des späten Rückschlags bei seinem fantastischen Vendée-Globe-Debüt deutsche Segel-Geschichte geschrieben hat.
