US Open: Alexander Zverev nah wie nie am ersten Grand-Slam-Titel?
Tennisprofi Alexander Zverev will bei den US Open seinen ersten Grand-Slam-Titel gewinnen - und die Zeichen stehen gut. Viele Topstars fehlen und der Olympiasieger strotzt vor Selbstvertrauen. Für Boris Becker ist er erster Herausforderer von Novak Djokovic.
Wenn nicht jetzt - wann dann? Ein Jahr nach der "bittersten Niederlage seiner Karriere" sind die Erwartungen der Experten, aber auch von Zverev selbst riesengroß, in Flushing Meadows (30. August bis 12. September) den ersten Grand-Slam-Titel endlich perfekt zu machen. Der Olympiasieger hegt nach seinem goldenen Triumph von Tokio und der prompten Erfolgsbestätigung beim Masters-Turnier in Cincinnati kaum Selbstzweifel. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Deutschlands derzeit bester Tennisspieler scheint erwachsen geworden zu sein.
Statt bisweilen schnöselig, aufbrausend und zur Selbstüberschätzung neigend, gibt sich der gebürtige Hamburger auf dem Court souveräner, fokussierter - und neben dem Platz nicht minder locker und zumeist kontrollierter.
Thiem, Nadal und Federer müssen passen
Der Stachel der unglücklichen Finalniederlage vor Jahresfrist im Arthur-Ashe-Stadium gegen Dominic Thiem, den er bei dessen erstem Major-Titel fast schon bezwungen glaubte, sitzt noch immer tief. Eine Revanche wird es im Big Apple nicht geben. Der Österreicher hat seine Saison verletzungsbedingt ebenso beendet wie der Spanier Rafael Nadal und der Schweizer Roger Federer, die es zusammen auf zehn Siege bei dem letzten der vier Grand-Slam-Events des Jahres gebracht haben. Die Chancen für Zverev könnten größer kaum sein. Oder wächst nur mehr die Gefahr, die Konkurrenz zu unterschätzen?
Beckers Favorit ist Djokovic: "Dann aber kommt Sascha"
"Er ist imstande, bei den US Open ganz Großes zu erreichen", ist Boris Becker überzeugt. Topfavorit im Titelrennen ist für den 53-Jährigen, der in New York wieder als TV-Kommentator unterwegs ist, noch immer sein früherer Schützling Novak Djokovic. "Dann aber kommt Sascha", so Becker. Wie im Halbfinale bei Olympia werde der Serbe den Weltranglisten-Vierten sicher nicht noch einmal unterschätzen. "So eine Niederlage tut schon weh, das hat ihn mehr als gewurmt", sagt der sechsmalige Grand-Slam-Sieger, der 1989 in Flushing Meadows erfolgreich war.
Matteo Berrettini, Stefanos Tsitsipas, Andrej Rublew, Daniil Medwedew oder Jannik Sinner nennt er als Außenseiter, die den Generationenwechsel wie Zverev weiter vorantreiben werden.
Djokovic greift nach dem Grand Slam
"Ich denke, dass Novak unglaubliches Tennis spielen wird", sagt Zverev. Dennoch wird er den Blick sicherlich schon - wenn auch heimlich - gen Halbfinale geworfen haben. Dort könnte er gegen Djokovic abermals die wohl härteste Nuss zu knacken haben. Schließlich will sich der Serbe nicht nur für die Schmach von Tokio schadlos halten, sondern auch den möglicherweise größten Stolperstein auf dem Weg zum Grand Slam wegräumen.
Nach den Siegen in Melbourne, Paris und Wimbledon könnte er als erster Tennisspieler seit dem Australier Rod Laver 1969 binnen eines Jahres alle vier großen Titel gewinnen. Eine Herausforderung, an der selbst Tennis-Größen wie Federer, Nadal oder auch Pete Sampras und Andre Agassi gescheitert sind.
Beste Phase der Karriere?
Für Zverev spricht, dass er inzwischen zu wissen scheint, wie es geht mit Siegen gegen die Nummer eins der Tennis-Welt. "Und er weiß im tiefsten Inneren", so Becker, "dass er auf dem vielleicht besten Lauf in seiner Karriere ist. Und warum soll dieser Lauf ausgerechnet in New York aufhören?" Es gibt sogar nicht wenige Experten, die glauben, momentan den besten Zverev aller Zeiten zu erleben. Das allerdings wäre schade, denn mit erst 24 Jahren sollte er noch viele bessere Tennis-Zeiten vor sich haben.
Zverev weist Vorwürfe von Ex-Freundin zurück
Zumal bei dem Tennisprofi im Privaten längst nicht alles zum Besten bestellt ist. Wenige Tage vor dem ersten Ballwechsel bei den US Open musste sich Zverev einmal mehr mit aus seiner Sicht haltlosen Vorwürfen seiner Ex-Freundin Olga Scharypowa über angebliche physische und psychische Gewalt befassen. "Die erhobenen Anschuldigungen sind verleumderisch und unwahr. Ich bestreite kategorisch, Olga missbraucht zu haben", so der 24-Jährige via Twitter.
Seine Anwälte hätten bereits eine einstweilige Verfügung "gegen die Quelle und den Autor" der neuerlichen Veröffentlichung erwirkt. Ein weiteres Statement wolle er zu diesem Thema vorerst nicht abgeben.
Tennischef Kohlmann: "Initialzündung mitnehmen"
Welchen Einfluss der private Ärger auf Zverevs Vorbereitung in New York hat, könnte schon das Erstrundenmatch gegen den erfahrenen Sam Querrey am Dienstag zeigen. Der 33 Jahre alte US-Amerikaner ist zwar nur die Nummer 77 der Weltrangliste und hat die bislang zwei Vergleiche gegen den Hamburger verloren, aber Auftaktmatches bieten bekanntlich immer Potenzial für Überraschungen. "Bleibt nur zu hoffen", so Michael Kohlmann, Head of Men's Tennis beim Deutschen Tennis Bund (DTB), "dass er die Initialzündung von Olympia mit zu den US Open nehmen kann." Wenn nicht jetzt - wann dann?
Schlagwörter zu diesem Artikel
Tennis
