Schwimm-Star Wellbrock: "Gehe von Olympia ohne Fans aus"
Schwimm-Weltmeister Florian Wellbrock fiebert seiner zweiten Olympia-Teilnahme entgegen. Der Bremer rechnet allerdings damit, dass die Wettkämpfe 2021 in Tokio Corona-bedingt vor Geisterkulissen stattfinden werden.
"Ich gehe davon aus, dass keine Zuschauer zugelassen werden. Es wird ruhiger ablaufen als die anderen Jahre", sagte der 23-Jährige im Sportschau-Olympia-Podcast. Die Aussicht, bei den Spielen in Japans Metropole (23. Juli bis 8. August) ohne Fanunterstützung auf Medaillenjagd gehen zu müssen, hat seine Vorfreude auf das Sportgroßereignis aber nicht getrübt. "Sie ist sogar dadurch noch gestiegen, dass man nun ein Jahr länger warten muss. Der Nervenkitzel ist noch größer", erklärte der Weltmeister über 1.500 Meter Freistil und im 10-Kilometer-Freiwasserschwimmen.
"Liebeskummer" nach Olympia-Verschiebung
Der gebürtige Bremer gab allerdings auch freimütig zu, vorübergehend in ein tiefes mentales Loch gefallen zu sein, als die Spiele im vergangenen März Pandemie-bedingt auf das kommende Jahr verschoben wurden: "Als die Absage kam, hat es sich erst einmal ein bisschen wie Liebeskummer angefühlt, als hätte mir irgendjemand etwas ganz, ganz Wichtiges genommen. Es hat eine knappe Woche gedauert, bis ich es abgehakt habe und über den Berg war."
In Rio glücklos, in Tokio strahlender Sieger?
Nach seinem glücklosen Olympia-Debüt 2016 in Rio - Wellbrock schied über 800 Meter als Vorlaufletzter aus - peilt der Doppel-Weltmeister von Gwangju (Südkorea) in Japan nun den Sprung aufs Podest an. "Die Ziele sind gleichgeblieben. Es hat sich nur das Datum geändert, an dem die Wettkämpfe stattfinden", sagte der Schwimmer des SC Magdeburg. Für seinen Traum vom olympischen Edelmetall arbeitet er hart, wie sein Coach Bernd Berkhahn berichtete: "Florian ist eigentlich die ganze Zeit über sehr ruhig und fokussiert geblieben. Er hat immer sein Training geduldig und sehr akribisch absolviert. Man hat ihm äußerlich nicht angemerkt, dass ihn die Pandemie-Situation in irgendeiner Weise trifft."
Corona? "Das bin ich sehr, sehr vorsichtig"
Doch natürlich hat sich auch Wellbrock, der sich jüngst mit Langstreckenschwimmerin Sarah Köhler verlobte, viele Gedanken über das Virus gemacht. "Ich habe Respekt vor dem Ganzen, weil insgesamt noch sehr, sehr wenig über Corona bekannt ist. Nichtsdestotrotz ist es ja so, dass Corona an vielen Menschen in meinem Alter mehr oder weniger spurlos vorbeigeht. Aber es gibt auch Einzelfälle in meinem Alter, die sehr, sehr stark davon betroffen sind. Das gibt einem schon zu denken. Deswegen bin ich da insgesamt sehr, sehr vorsichtig, was das Ganze angeht", sagte der Doppel-Weltmeister.
Sehnsucht nach der Sierra Nevada
Er habe dieses Jahr als "chaotisch" empfunden, da die Pandemie alle ursprünglichen Wettkampf-Planungen sowie Trainingslager "von heute auf morgen relativ über den Haufen geworfen hat", erklärte Wellbrock. Noch nie zuvor sei er "so viel zu Hause gewesen wie jetzt", ergänzte der Bremer, dem offenkundig langsam die Decke auf den Kopf fällt. So vermisst er aktuell sogar das sonst bei Sportlern wenig beliebte Höhen-Trainingslager in Spaniens berühmtesten Gebirge, der Sierra Nevada.
"Normalerweise ist es so, dass wir nach einer Woche alle die Schnauze voll haben, wenn wir da sind. Jetzt gerade sehne ich mich ein bisschen nach der Sierra Nevada und vermisse sie sogar etwas. Es wäre schon ganz schön, mal wieder in einem ausländischen Becken ein paar Bahnen ziehen zu können. Aber ich denke, bis dahin muss ich mich noch etwas gedulden", sagte Wellbrock.
Tokio-Start nur mit Corona-Impfung?
Derzeit ist völlig unklar, wann der Bremer wieder bei einem Wettkampf starten kann. Er verbindet seine Hoffnung, dass sich "alles wieder ein bisschen normalisiert", mit dem Corona-Impfstoff. Ängste, sich ein Vakzin gegen Covid-19 injizieren zu lassen, hat der 23-Jährige nicht. "Ich vertraue unser Wissenschaft, sodass ich mich impfen lassen würde", sagte er. Es könnte, so vermutet Wellbrock, sogar die Voraussetzung für einen Tokio-Start sein: "Ich kann mir vorstellen, dass man ums Impfen gar nicht herumkommt, wenn man um die Welt fliegen möchte oder an Olympia teilnehmen will. Deswegen wäre ich an dieser Stelle auch bereit, meinen Arm hinzuhalten und mich impfen zu lassen."
