Sportler, Corona und die Langzeitfolgen: "Manche haben zu knapsen"
Auch Spitzensportler können unter den langwierigen Folgen einer Covid-19-Erkrankung leiden, mahnt der Lungenfacharzt Klaus Rabe. Die Gründe dafür werden gerade erst erforscht.
Im Sport wird manchmal salopp vom Tanz auf der Rasierklinge gesprochen. Auf die möglichen Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung könnte dieser Vergleich zutreffen. Egal ob schwerer oder leichter Verlauf - die Probleme nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 können insbesondere dann, wenn mehrere Organe betroffen sind, gravierend sein. "Wer eine funktionale Einschränkung hat, dem droht tatsächlich der Abstieg von der Champions League in die Regionalliga", sagt Klaus Rabe, Ärztlicher Direktor der Lungenklinik im schleswig-holsteinischen Großhansdorf.
Studien zu Langzeitverläufen
Trotz alarmierender Beispiele gibt es bislang aber keine belastbaren Beweise dafür, was das neuartige Coronavirus auf lange Sicht im Körper anrichten kann. "Fairerweise muss man sagen, dass wir nicht besonders viel Erfahrung haben mit echten Langzeitverläufen", sagt der Chefarzt der Pneumologie. Mit dem Schwerpunkt Sport wird daran an der Sporthochschule in Köln geforscht, aber auch vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) in Zusammenarbeit mit zwölf sportmedizinischen Zentren in Deutschland, die in einer dreijährigen Studie rund 2.000 Kaderathleten unter die Lupe nehmen.
Eishockey-Profi: Herzmuskelentzündung nach Corona
"Wer einen schweren Verlauf hatte, eine schwere Lungenentzündung, wird in den Wochen danach nicht annähernd das Leistungsniveau haben wie zuvor", sagt Rabe. Doch es muss nicht einmal eine schwere Erkrankung sein, wie der Fall des Wolfsburger Eishockey-Profis Janik Möser zeigt. Es begann harmlos.
Der 25-Jährige fühlte sich nach scheinbar überwundener Infektion und obligatorischer Quarantäne fit und wollte zurück aufs Eis. Dann aber zeigte das Belastungs-EKG bei Grizzlys-Mannschaftsarzt Axel Gänsslen Auffälligkeiten, die von einem Kardiologen an der Berliner Charité schließlich als Herzmuskelentzündung diagnostiziert wurden.
Rabe: "Medizinische Versorgung extrem wichtig"
"Es war ein Schock", erinnert sich Möser. Aber es zeige, dass man die Krankheit nicht auf die leichte Schulter nehmen dürfe. "Dass es passieren kann, wenn man eine Grippe verschleppt oder krank trainiert, wusste ich. Weil ich aber einen relativ leichten Verlauf hatte, war ich davon ausgegangen, wieder komplett gesund zu sein und wieder voll ins Training einsteigen zu können." Ein Irrtum, der dank ärztlicher Fürsorge nicht zur Katastrophe führte. "Eine gescheite medizinische Versorgung ist extrem wichtig", sagt Rabe.
Inzwischen ist Möser wieder voll im Training und könnte demnächst sein Debüt für die Wolfsburger in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) feiern.
Atemnot stoppt Fußballprofi
Wie wichtig eine gute medizinische Versorgung ist, dürften jüngst auch die Atemprobleme von Wolfsburgs Innenverteidiger Marin Pongracic gezeigt haben. Der 23 Jahre alte Fußballprofi, der sich während der Saison mit dem Coronavirus infiziert hatte und zuvor schon am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt war, musste im Spiel bei Union Berlin in der Halbzeit ausgewechselt werden. "Er wurde von den Zehennägeln bis zu den Haaren durchgecheckt", so Trainer Oliver Glasner vor der Partie gegen RB Leipzig.
Beim 2:2 am Wochenende freilich fehlte der Kroate, weil die Ursache seiner Beschwerden nicht zweifelsfrei ermittelt war. "Die Gesundheit der Spieler steht über allem", betont VfL-Sportdirektor Marcel Schäfer im NDR. Pongracic hat aber zumindest das Training wieder aufgenommen.
Basketball: Löwen Braunschweig in Quarantäne
Die "Wölfe" sprechen aus Erfahrung, sind in der laufenden Saison doch bereits etliche Spieler positiv getestet worden. Bei den Basketballern der Braunschweiger Löwen waren zwei Spieler infiziert. Auf Geheiß des Gesundheitsamtes machte der Team-Bus auf dem Weg zum Pokalspiel bei Alba Berlin kehrt. Das neue Jahr begann für jeden in häuslicher Isolation. Zwar stellte der Verein den Spielern Fitnessgeräte vor die Wohnungstüren und organisierte virtuelle Yoga-Stunden. "Aber natürlich kann man Basketball auf diesem Niveau nicht in den eigenen vier Wänden simulieren", sagt Geschäftsführer Nils Mittmann.
Nach überstandener Quarantäne erwartet die Niedersachsen ein Mammutprogramm mit zehn Spielen in 29 Tagen. Dass Kraft und Konzentration im ersten Spiel nach der Zwangspause nicht reichen würden, zeigte sich, als der Mitteldeutsche BC zu Gast war. Die Partie ging mit 91:104 verloren, ebenso das Spiel gegen Alba (76:82). Ein Spieler wurde zudem sehnlichst vermisst: Lukas Wank.
Virus haut Basketball-Hünen um
Auch 22 Tage nach dem ersten Nachweis seiner Corona-Infektion ist der 1,98 Meter große Basketballer, der an diesem Dienstag 24 Jahre alt wird, noch immer positiv - und hat Symptome. "Der Geschmackssinn ist halt weg, das wird wohl noch ein bisschen dauern, aber das Riechen klappt jetzt schon ein bisschen besser", sagt Wank. "Ich hätte nicht gedacht, dass mich das Virus so umhaut." Langsam fällt dem Forward in seiner Zwei-Zimmer-Wohnung die Decke auf den Kopf. Er vermisst sein Team und sein Team vermisst ihn.
Wank: "Gefühlt erst mal laufen lernen"
Angesichts der möglichen Gefahren einer Folgeerkrankung will in Braunschweig aber niemand eine (vor-)schnelle Rückkehr riskieren. "Bevor Lukas schrittweise in den Trainingsbetrieb einsteigen kann, werden wir ihn vollumfänglich medizinisch untersuchen und testen lassen. Insbesondere Herz, Lunge, innere Organe", sagt Mittmann. Wank scharrt sinnbildlich schon mit den Hufen. Und doch weiß er, dass Geduld die klügste Strategie sein wird: "Gefühlt werde ich erst einmal wohl wieder laufen lernen müssen."
Möser darf wieder aufs Eis
Auch Lungenfacharzt Rabe mahnt, Corona ernst zu nehmen. "Tatsache ist, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt wissen, dass manche junge Menschen, die einen vermeintlich nicht so schweren Verlauf der Erkrankung hatten, lange zu knapsen haben, langwierig das Problem haben, auf ihr altes Leistungsniveau zu kommen."
Nicht nur im Spitzensport, sondern ebenso im Freizeit- und Breitensport, der aus medizinischer Sicht beinahe noch mehr Sorgen bereitet, denn, so Rabe: "Diese Leute haben meist nicht eine solche medizinische Betreuung." Nicht so wie Eishockeyprofi Möser zum Beispiel, der inzwischen wieder aufs Eis darf. Seine Herzmuskelentzündung ist auskuriert.
