Rasta-Chef Niemeyer: Alles muss auf den Prüfstand
Den Basketballern von Rasta Vechta droht nach erfolgreichen Jahren der Abstieg aus der Bundesliga. Im NDR Interview stellt Geschäftsführer Stefan Niemeyer auch die Trainerfrage.
Wer dieser Tage mit Stefan Niemeyer spricht, der sieht ihm förmlich an, was gerade mit seinem "Baby" geschieht. "Ich leide extrem, alle im Club", sagt der Chef des Basketball-Bundesligisten Rasta Vechta dem NDR. Der selbst ernannte "geilste Club der Welt" steuert nach erfolgreichen Jahren dem Abstieg entgegen. Abgeschlagen zieren die Niedersachsen das Tabellenende in der höchsten deutschen Spielklasse, trotz des 90:82 (39:36)-Erfolgs am Freitagabend gegen Bamberg.
Als "Mannschaft mit zwei Gesichtern" hat Niemeyer das Team in dieser Saison erlebt: die erste Halbzeit ganz schlecht, dann wieder mal ein Viertel sehr gut. "Es ist ein bisschen: Täglich grüßt das Murmeltier", sagt Trainer Thomas Päch. Seine Spieler verschliefen einen Teil der Spiele regelrecht. "Das geht nicht. Wir können nicht nur eine Halbzeit Basketball spielen." Die ersten elf Spiele gingen durchweg verloren, obwohl Rasta in München, in Ulm und auch gegen Oldenburg Chancen hatte. Aber die Konstanz fehlt, und vor allem in der Abwehr geht der Halbfinalist von 2019 nicht aggressiv genug zu Werke.
Nach Calles-Wechsel geht nichts mehr
"Wir werden alles versuchen, um doch die Liga zu halten", sagt Niemeyer. "Wir gucken, ob wir die Qualität des Teams verändern. Es steht auch immer, was ja ein beliebtes Mittel ist, der Trainer auf dem Prüfstand." Verkürzt könnte man sagen: Seit Pedro Calles zu den Hamburg Towers gewechselt ist und Päch als Headcoach übernommen hat, läuft nichts mehr bei Rasta. Aber das ist eben verkürzt. Calles' Entscheidung für den Wechsel kam spät, erst nach dem Finalturnier Ende Juni in München, bei dem Vechta Platz neun belegt hatte. Der Neuaufbau unter Pandemie-Bedingungen war nicht einfach. "Wer mich kennt, weiß, dass ich den wirtschaftlichen Gedanken an die oberste Stelle setze", sagt Niemeyer. "Rasta Vechta muss nicht diese Saison überleben, Rasta Vechta muss langfristig überleben." Mit entsprechend wenig Risiko stellte der Club den Bundesliga-Kader zusammen.
"Wenn wir glauben, dass wir durch einen Trainerwechsel uns noch mal die Chance eröffnen, in der Ersten Liga zu bleiben, dann würden wir auch einen Trainerwechsel machen." Stefan Niemeyer
Dass Mitte November staatliche Corona-Hilfen in Höhe von etwa 750.000 Euro auf die Rasta-Konten fließen würden, daran hatte der Unternehmer Niemeyer - er leitet das Futtermittelunternehmen Miavit - nicht geglaubt, bis das Geld schließlich da war. Vielleicht wird ein Teil davon in Verstärkungen investiert, vielleicht setzt der Club den Hebel aber doch beim Trainer an.
Niemeyer: Trainerwechsel wäre menschliche Katastrophe
Niemeyer hatte im Sommer bewusst auf Päch gesetzt, der kurz zuvor bei seiner ersten richtigen Station als Headcoach in Bonn (2017 coachte er als Interimstrainer Alba Berlin) Lehrgeld bezahlt hatte. Aber der 38-Jährige ist auch ein Verfechter konsequenter Jugendarbeit, die zur Rasta-DNA gehört. "Ich weiß, was er in Bonn lernen musste, was bei uns bei ihm auch schiefgelaufen ist. Das kann er selber aber auch einschätzen", sagt Niemeyer. Noch sei Päch der Richtige, aber der Clubchef macht keinen Hehl daraus, dass er bei diesem Thema in Gewissensnot kommt. "Wenn wir glauben, dass wir durch einen Trainerwechsel uns noch mal die Chance eröffnen, in der Ersten Liga zu bleiben, dann würden wir auch einen Trainerwechsel machen", sagt er, aber: "Für mich wäre das eine menschliche Katastrophe, sollten wir zu dem Schritt kommen, uns von ihm trennen zu müssen."
Entscheidend sind für Niemeyer die Spiele ab kommender Woche, wenn Vechta gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte antritt. "Wenn wir da keine Siege holen, wissen wir eigentlich Mitte Februar schon, was uns nächste Saison blüht." Die Zweite Liga, wenn aufgrund zahlreicher Spielausfälle wegen Corona-Infektionen die Abstiegsregel nicht doch noch ausgesetzt wird.
Neue Spieler kennen den Hexenkessel Rasta-Dome gar nicht
Niemeyer will nicht jammern, denn er ist dankbar, dass die Basketball-Bundesliga in dieser Situation überhaupt noch spielen darf. Aber gerade an einem Standort wie Vechta sei das Fehlen von Zuschauern eine Katastrophe. Er habe mit etablierten Spielern wie Robin Christen, Josh Young oder Philipp Herkenhoff darüber gesprochen, wie sehr die Hexenkessel-Atmosphäre im Rasta-Dome fehlt. "Sie alle sagen: Hätten die neuen Spieler überhaupt ein Gefühl davon, was bei uns in der Halle passiert, wenn man ein Spiel hat, wo man nach zehn Punkten Rückstand wieder an den Gegner herankommt, was da für eine Identifikation herrscht. Sie würden viele Dinge anders sehen und auch viel mehr Adrenalin haben, um das Letzte aus sich herauszuholen."
"Am Ende habe ich auch keine Angst vor einem Szenario Zweite Liga. Wir werden überleben." Stefan Niemeyer
Sollte Vechta drei Jahre nach dem zweiten Aufstieg 2018 die Bundesliga wieder verlassen müssen, ist Niemeyer nicht bange. Der Alleingesellschafter garantiert den Sponsoren, dass Rasta nicht mit einem Minus aus der Saison geht. Und: "Am Ende habe ich auch keine Angst vor einem Szenario Zweite Liga", sagt er. "Wir werden überleben."
