Am Limit: Wie weit darf Leistungssport gehen?
Die Bilder waren erschreckend. Christopher Reinhardt brach zusammen, rappelte sich auf, griff wie im Trance zum Riemen und klappte wieder hintenüber: Zuschauern wie Verantwortlichen stockte vor rund einer Woche beim Kanal-Cup, dem prestigeträchtigen Kräftemessen der besten Ruder-Achter der Welt auf einer Marathonstrecke über 12,7 Kilometer auf dem Nord-Ostsee-Kanal, der Atem - zumal kurz vor dem Ziel im niederländischen Boot ein weiterer Ruderer kollabierte.
Der Körper überlastet, nichts geht mehr - und doch gaben weder Reinhardt, der wohl nur noch auf Automatismen zurückgriff, noch seine Teamkameraden in Anbetracht seiner Nöte auf. Am Ende schnappte sich der Deutschland-Achter in einem dramatischen Rennen den Sieg, erst dann wurden die kollabierten Sportler medizinisch versorgt und ins Krankenhaus gebracht. Ein Heldenstück? Oder gefährlicher Ehrgeiz? Ganz sicher kein Einzelfall. Immer wieder schinden sich Leistungssportler, bis nichts mehr geht, merken nicht, wann es eigentlich zuviel ist und sind alleine nicht mehr in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Doch wie weit darf der Leistungssport gehen?
Sportärztin: "Ich hätte ihn rausgenommen"
Auch für Dr. Caroline Werkmeister sind die Aufnahmen von Reinhardts Zusammenbruch kein alltägliches Bild. Spätfolgen fürchtet die Hamburger Sportmedizinerin allerdings nicht. "Das sind junge, starke und gesunde Menschen, die seit vielen Jahren diesen Sport betreiben und begleitend versorgt und überprüft werden, sowohl im medizinischen als auch im Trainings-Steuerungsbereich. Es gibt keine ausgereifte Datenlage darüber. Aber wir Sportärzte gehen davon aus, dass es keinen Schaden hinterlässt, wenn es mal vorkommt", sagte sie dem NDR Sportclub. Allerdings: Reinhardt hätte besser schon vor dem Ziel versorgt werden müssen. "Ich hätte ihn rausgenommen und ich bin mir fast sicher, dass das jeder verantwortliche Arzt in der Situation auch so entschieden hätte", so Werkmeister.
"Man hat Athleten schon schlimmer gesehen"
Wie und warum aber hat das Team entschieden, das Rennen fortzusetzen? "Als er umkippte, haben in dem Moment alle im Boot 'Stopp' gerufen. Doch dann kommt er aus eigener Kraft wieder hoch, greift nach dem Hebel, kriegt die Hilfe von seinen Mitruderern und bewegt sich von alleine weiter. Er ist sicherlich im Tunnel und am Ende seiner Kräfte, aber er ist körperlich gesund und wird keinen Schaden davontragen. Man hat Athleten beim Rudern schon schlimmer gesehen", erläuterte Martin Sauer im NDR Sportclub. Als Steuermann hat er im Boot das Sagen.
Reinhardt sei aus seiner
"Wir reden nicht von irgendwelchen Athleten, der Junge ist Weltmeister im Rudern. Wir sind immer noch Menschen dabei, aber wir geben auch nicht jede Sache einfach so auf. Am Ende hat er sich stark übernommen und wäre selber stinksauer gewesen auf uns, wenn wir aufgegeben hätten an der Stelle." Martin Sauer im NDR Sportclub
Rund 20 Minuten Erinnerung fehlen
Reinhardt war schnell wieder auf den Beinen, kehrte ebenso wie der Niederländer bereits am Abend des Rennens zur Mannschaft zurück.
Wo sind die Grenzen?
"Ich habe leider zu spät gemerkt, dass die Erschöpfung zu groß wird. Dann kommt irgendwann der Hammer. Aber es
Die Grenzen austesten und bis zu einem gewissen Grad ausreizen - "das liegt in der Natur des Leistungssportes. Das ist nicht nur okay, das ist auch erforderlich, um die Leistung zu erbringen", so die Ärztin. Anders als im Amateurbereich gebe es "in diesen Bereichen heutzutage ein super aufgestelltes Netzwerk und Einrichtungen, die standardisiert und trotzdem individuell die Sportler an die Hand nehmen, um Schäden zu vermeiden". Mögliche Herzprobleme waren somit im Fall der beiden Ruderer aufgrund ständiger gesundheitlicher Kontrollen annähernd ausgeschlossen.
Sauer: Platz im Olympiaboot nicht gefährdet
Auch Predel bestätigte, der Vorfall beim Kanal-Cup sei zwar in dieser Form
