Stand: 19.06.2016 08:25 Uhr

Michael Westphal: Ein Schattendasein

von Johannes Freytag, NDR.de
Michael Westphal © Witters Foto: Witters
Michael Westphal im Jahr 1989 - noch ist von der Krankheit nichts zu sehen.

Mittlerweile lässt sich auch nicht mehr die mysteriöse Krankheit verheimlichen, die dem Sportler immer mehr zusetzt - und möglicherweise auch schon vorher in seinen Leistungen beeinträchtigt hatte. 1988 wird bei Westphal die HIV-Infektion festgestellt - er macht dies aber nie öffentlich. Eine wirksame Therapie gegen die Immunschwäche-Krankheit gibt es noch nicht. Die heutigen HIV-Medikamente hätten Michael Westphal sehr wahrscheinlich stabilisiert und seinen frühen Tod verhindern können. 1988 aber ist eine HIV-Diagnose nahezu gleichbedeutend mit einer Todesurteil. Und in der Gesellschaft herrscht ein aggressives Klima gegenüber HIV-Positiven. Das Virus wird mit einem Leben außerhalb der bürgerlichen Welt assoziiert, vor allem mit der Homosexuellen- und der Drogenszene. Erst kurz zuvor, 1987, hatte die offensive Information und Aufklärung mit der Kampagne "Gib Aids keine Chance" begonnen. Aus Angst vor Ausgrenzung spricht Westphal stets nur von einem "Infekt", ohne Aids beim Namen zu nennen.

Medien lassen Westphal fallen

Die Krankheit, die sich Westphal nach Aussagen seiner Lebengefährtin Jessica Stockmann bei einem Seitensprung zugezogen hatte, bricht 1989 aus: Der Sportler hat Herzrhythmusstörungen, Haarausfall und Hautallergien - einhergehend mit Chemotherapien und längeren Krankenhausaufenthalten. Comeback-Versuche scheitern immer wieder und schließlich zeigt sich der auf 55 Kilogramm abgemagerte Westphal in der Öffentlichkeit nur noch selten. Ohnehin hat sich der Medienboulevard längst auf ihn eingeschossen, lässt den "Versager" fallen. Seine frühere Äußerung zum Profitum ("es gibt noch andere Dinge neben Tennis") wird zum Bumerang. Fast scheint es so, als sei die Krankheit nur die logische Folge seines "lotterhaften" Lebens. "Am meisten schmerzte, dass ich ausgezählt wurde wie ein k.o. geschlagener Boxer", gibt er einmal zu Protokoll. Freunden erzählt er, wie er als Besucher bei Tennisturnieren leidet: "Jetzt merke ich, dass ich überhaupt keinen Beruf habe. Unglaublich, wie schnell man die Beziehung zu seinen früheren Kollegen verliert."

Stiftung hält Westphals Schicksal in Ehren

Der große Halt in seinem Leben ist Stockmann. Obwohl sie schon vor der Aids-Diagnose mit Westphal liiert ist, infiziert sie sich nicht. Die 24-Jährige begleitet ihn in seinen schwersten und letzten Stunden. Am 19. Juni 1991 stirbt Michael Westphal im Alter von nur 26 Jahren in der Hamburger Universitätsklinik. Die wahre Todesursache bleibt lange im Dunkeln: "Ich habe versprochen, zehn Jahre zu schweigen und gegen Aids zu kämpfen", sagt Stockmann später und hält Wort. Erst 2001 lüftet sie das Geheimnis um den Tod ihres Lebensgefährten. Gemeinsam mit Westphals Freund Michael Stich, den sie 1992 heiratet, ruft sie 1994 die "Michael Stich-Stiftung" ins Leben, die sich für HIV-infizierte Kinder einsetzt.

Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 08.05.2016 | 23:15 Uhr

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