SG Flensburg-Handewitt in der Krise: "Drückt schon aufs Gemüt"
Durchwachsener Bundesliga-Start, Probleme in der Champions League und das frühe Aus im DHB-Pokal: Die SG Flensburg-Handewitt findet in dieser Handballsaison bislang nicht in die Erfolgsspur. Zu allem Überfluss hat sich ein weiterer Leistungsträger verletzt.
Als SG-Coach Maik Machulla am Freitag die Trainingshalle in Flensburg betrat, begegnete er im Vorraum gleich seinem aktuellen Sorgenkind: Jim Gottfridsson signierte ein Trikot und humpelte dann mit einem Betreuer in einen Nebenraum. An Training ist für den schwedischen Nationalspieler derzeit nicht zu denken.
Im Gegenteil: Dem 29-Jährigen droht wegen Problemen am Sprunggelenk eine längere Pause. "Er ist natürlich Dreh- und Angelpunkt in unserem Spiel. Wenn er jetzt ausfällt, müssen wir sehr kreativ sein. Aber irgendwann hat Kreativität seine Grenzen", sagte Machulla, der trotz des jüngsten Pokal-Aus beim HC Erlangen versucht, optimistisch zu bleiben. Die Saison ist ja noch jung.
Titelrennen für die SG schon gelaufen?
Gleichwohl war die Niederlage am Mittwoch ein weiterer sportlicher Rückschlag für die Flensburger. "Das drückt natürlich schon auf das Gemüt. Wir sind ja auch in den letzten Jahren sehr erfolgsverwöhnt gewesen und kennen so eine Situation nicht", erklärte Machulla im NDR Interview.
"Im Moment haben wir eine schwere Phase, die nicht einfacher wird, wenn wieder ein Spieler ausfällt. Wir können nie in derselben Konstellation auflaufen, haben keine Automatismen. Das bringt eine Mannschaft relativ schnell in Unruhe." SG-Coach Maik Machulla
Dass Flensburg erneut im Bundesliga-Titelrennen mitmischen kann, erscheint schon jetzt überaus fraglich - die SG hat nach dem Remis gegen Erlangen und der Derby-Niederlage gegen Kiel bereits drei Minuspunkte auf dem Konto. Spitzenreiter Magdeburg ist mit sechs Siegen aus sechs Spielen schon enteilt, auch Kiel und die Füchse Berlin (jeweils 10:0 Punkte) haben noch eine weiße Weste.
In der Champions League läuft es ebenfalls nicht für die SG: Nach drei Partien schlägt lediglich ein Punkt zu Buche; wobei festzuhalten ist, dass die Gegner Barcelona, Paris und Porto keine "Laufkundschaft" waren.
Drei Rückraumspieler fehlen
Bereits in der vergangenen Saison waren die Norddeutschen vom Verletzungspech gebeutelt und wurden dennoch immerhin Vizemeister. Kaum hatte die neue Spielzeit begonnen, riss sich Rückraumspieler Magnus Rød die Patellasehne an und füllte damit das SG-Lazarett um seine Positionskollegen Gøran Søgard Johannessen und Lasse Møller weiter auf. "Es fängt fast so an, wie es aufgehört hat", sagte Machulla und beklagte, "dass wir nun wieder mit einem kleinen Kader in die Saison starten". Die Mannschaft habe in der vergangenen Saison aber bereits gezeigt, "dass wir an solchen Situationen wachsen".
Im Training muss Machulla sehr viel improvisieren: "Wenn ich sehe, dass wir heute mit Aaron Mensing, Neuverpflichtung Julius Meyer-Siebert und einem Spieler aus der zweiten Mannschaft den Rückraum bilden, weil nicht einer aus der Stammbesetzung in der Lage ist, uns zu helfen - und es auch keinen Sinn macht, dass die Jungs trainieren -, dann macht mir das natürlich schon Sorgen."
Hammer-Programm vor der Brust
Zumal den Flensburgern ein Hammer-Programm mit vier Auswärtsspielen in Folge bevorsteht: Am Sonntag gastiert die SG beim stark gestarteten Aufsteiger HSV Hamburg (Machulla: "Die sind sehr gut drauf"), dann geht es in der Champions League nach Kielce. Anschließend wartet Tabellenführer Magdeburg, ehe erneut in der Königklasse die Reise ins ungarische Veszprém ansteht. "Das sind natürlich alles andere als Spaziergänge", so Machulla.
Semper-Comeback macht Mut
Es gibt aber auch Lichtblicke an der Förde: Franz Semper hat seinen Kreuzbandriss auskuriert und bereits in drei Partien wieder Einsatzminuten bekommen. Machulla mahnte allerdings: "Wir dürfen ihn nicht ins Feuer werfen und Wunderdinge von ihm erwarten. Damit werden wir ihm nicht gerecht."
Zwar hat sich Nachwuchsakteur Oscar von Oettingen, den Machulla notgedrungen immer wieder ins kalte Wassser warf, bislang gut eingefügt. Mit der Rückkehr von Semper sind die Variationsmöglichkeiten im Angriff aber deutlich größer, zumal mit ihm auch endlich wieder ein Linkshänder zur Verfügung steht.
Mensah Larsen: "Selbstmitleid hilft keinem"
Gleichwohl ist Machulla klar, dass er als Psychologe gefordert ist: "Ich will keinem Spieler einen Vorwurf machen. Jeder will, alle kommen zum Training. Aber wenn das Selbstvertrauen nicht so groß ist, dann bist du auch nicht bereit, den letzten Risiko-Pass zu wagen und den letzten Schritt zu machen. Man versucht den Ball zu sichern - und das hemmt."
"Wir haben das im letzten Jahr geschafft, also werden wir das auch in diesem Jahr hinbekommen." SG-Profi Mads Mensah Larsen
Mads Mensah Larsen, der gerade seinen Vertrag verlängert hat und angesichts der Verletztenmisere fast immer durchspielen muss, ist dennoch zuversichtlich: "Klar ist das ein großer körperlicher und mentaler Druck. Aber Selbstmitleid hilft keinem. Es ist ja, wie es ist. Wir müssen einfach in der Spur bleiben und an unser Konzept glauben, dann kommen auch die Siege wieder."
