Unnachahmlich normal - Großer Bahnhof für Uwe Seeler
Fußball-Legende Uwe Seeler wird 85. Den NDR Film zum Geburtstag schauten sich Weggefährten und Freunde gemeinsam an. Der Jubilar aber musste passen.
"Das Schönste, was es auf der Welt gibt, ist normal zu sein." Leicht gesagt und doch ein Lebensmotto, das insbesondere im Profifußball heutzutage nur schwer zu finden ist. "Einer von uns" - so heißt natürlich und bezeichnenderweise der Film zu Uwe Seelers 85. Geburtstag, den die Hamburger Fußball-Legende an diesem Freitag (5. November) feiert. Dem Jubilar geht es gesundheitlich nicht so gut. Schade. Deshalb mussten Gäste, Freunde und Weggefährten aus den ruhmreichen Jahren bei seinem Hamburger SV und der Nationalmannschaft bei der NDR Matinee am Sonntag auf die Hauptperson verzichten.
Jubilar grüßt per Video
Dann aber doch nicht so ganz. "Wir wünschen Euch viel Spaß und Freude und alles Gute - toi, toi,toi", übermittelte "Uns Uwe" aus seinem Haus vor den Toren Hamburgs per Video, das Ehefrau Ilka kurz und knapp mit einem "und tschüs" beendete. Der herzliche Gruß entschädigte viele Anwesende dafür, dass sie ihr Idol nicht persönlich treffen konnten.
"Wer Uwe kennt, der weiß, dass er natürlich liebend gerne gekommen wäre. Aber in dem Alter muss man das respektieren und da geht die Gesundheit vor." HSV Club-Manager Bernd Wehmeyer
Gelacht wurde dennoch viel im Rolf-Liebermann-Studio. Bisweilen auch geschmunzelt über das vertraute und liebevolle Miteinander der seit 62 Jahren verheirateten Eheleute, die auch vor der Kamera authentisch und mit einer ordentlichen Portion Mutterwitz miteinander reden und so manches aus ihrer Zweisamkeit preisgegeben. Dass es mit dem Alter nicht immer lustig ist, zum Beispiel. "Wir haben noch so viel vor uns, ich weiß manchmal nicht mehr, ob wir das schaffen", sagt Ilka etwa gleich zu Beginn des Films. Und Uwe? "Alt werden ist nichts für Feiglinge", sagt er. "Aber ein paar Jährchen würde ich gerne noch machen."
Dittsche und sein Idol
Die vielleicht lustigste Anekdote für die 150 Matinee-Gäste steuerte Olli "Dittsche" Dittrich bei. Nach einem gemeinsamen Flug fand der glühende HSV-Fan nach der Landung schließlich den Mut, sein Idol anzusprechen: Wie er ihn bewundere, "habe ich gestammelt", dass er als kleiner Junge so habe werden wollen wie er, dass er seine Fußballschuhe natürlich getragen habe, auch nachts im Bett und so weiter und so fort. Uwe habe sich irgendwann umgedreht und gesagt: "Weiß ich doch, mein Dittsche." Nur am Rande erwähnt sei, dass Seeler 2012 in der gleichnamigen Sendung in Vertretung von "Schildkröte" einen legendären Gast-Auftritt hatte.
Lorenz, Göttlich, Walter und Boldt unter den Gästen
So mancher in der illustren Schar der Gratulanten bei der Matinee im NDR Funkhaus an der Rothenbaumchaussee erinnerte sich womöglich daran. Max Lorenz ("Der trug ja sogar die Koffer, ein echtes Vorbild.") und Dieter Zembski zum Beispiel, die beiden einstigen Konkurrenten von Werder Bremen, oder der Präsident des Hamburger Stadtrivalen FC St. Pauli, Oke Göttlich. Sie alle waren gekommen, den Menschen und untadeligen Sportsmann zu ehren, der nie für einen anderen Verein als den Hamburger SV gespielt hat. Heute kaum noch vorstellbar, die aktuellen HSV-Akteure - Sportvorstand Jonas Boldt und Trainer Tim Walter saßen ebenfalls im Auditorium - könnten ein Lied davon singen.
Tschentscher: Großartiger Botschafter
Uwe Seeler hatte mit der Jagd nach dem großen Geld und dem damit verbundenen "Wechselfieber" nie etwas im Sinn. "Er ist ein Vorbild und großartiger Botschafter unserer Stadt", sagt etwa Peter Tschentscher über den Ehrenbürger der Hansestadt. Der in Bremen geborene Erste Bürgermeister Hamburgs war sechs Jahre alt, als Seeler 1972 seine Karriere nach 476 Spielen (404 Tore) für den HSV beendet hat. Zwei Jahre vorher war schon Schluss in der Nationalmannschaft, mit der er 1966 in England Vizeweltmeister und 1970 in Mexiko Dritter geworden war. Unvergessen sein Kopfballtor zum 2:2 im Viertelfinale gegen England, erzielt mit dem Hinterkopf, ein Meisterstück, ein Fußball-Denkmal.
Hoeneß holte bei Seeler sein einziges Autogramm
Für Uwe Seeler machte sogar Uli Hoeneß eine Ausnahme, wie er via Videobotschaft frank und frei erzählte. Als junger Fußballer, der er damals war, sei er bei einer Autogrammstunde des deutschen Mittelstürmers gewesen und habe sich das "erste und einzige Autogramm meines Lebens von einem Fußballer geholt". HSV-Fan sei er in der Zeit gewesen, mit dem FC Bayern habe er damals noch nichts am Hut gehabt. Wer hätte das gewusst? Dass es beim HSV schon vor Horst Hrubesch ein "Kopfball-Ungeheuer" gab, sollte dagegen hinlänglich bekannt sein. "Als ich 1978 nach Hamburg kam, hat mir Uwe sehr geholfen", erinnert sich Hrubesch und erzählt mit einem Lächeln von einigen Trainingseinheiten, die der viel kleinere Ex-Stürmer mitgemacht habe. "Und dann steht bei einer Flanke so ein viel Kleinerer in der Luft und du denkst: Wie kommt der denn da hin?"
Kein Wechsel - der große Fehler der Mailänder
Große Sprünge waren "Uns Uwe" auf dem Rasen nicht fremd. Wohl aber, als es 1961 um einen Wechsel in die italienische Liga zu Inter Mailand ging. Damals sagenhafte 1,2 Millionen Mark boten die Mailänder - aber Seeler blieb nach kurzer Beratung beim Hamburger SV. "Ich verdiene hier gutes Geld. Da müssen wir uns das nicht aufladen", erzählt er im Film.
Ganz so einfach war die Sache aber wohl doch nicht. Das Szenario eines Wechsels nach Nord-Italien hätten sie schon durchgespielt, so Ilka Seeler, die noch heute den heimischen Laden am Laufen hält und im Film "Einer von uns" anmerkt: "Da haben die Italiener einen Fehler gemacht: Die haben nur mit Uwe gesprochen, nicht mit der Frau." Wie konnten die Azzurri auch wissen, dass Ilka Seeler schon damals ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Woran sich in nun 62 Ehejahren nichts geändert hat, was der Hausherr liebevoll und voller Überzeugung so beschreibt: "Ich bin sehr zufrieden und mein Leben war wunderbar. Das habe ich meiner Frau zu verdanken."
Hartwig: Normal zu bleiben kann man lernen
Dass "Uns Uwe" dem großen Geld nicht erlegen ist, darf sicherlich als ein Grund seiner ungebrochenen Popularität genannt werden. "Er hat alles erreicht und ist doch immer bodenständig geblieben", sagt Philipp Lahm, der wie der DFB-Ehrenspielführer Mannschaftskapitän der Nationalmannschaft war. "Ein absolutes Vorbild." Dabei habe er mit seiner Meinung nie hinterm Berg gehalten. "Er hat schon auch gesagt, wenn ihm etwas nicht gepasst hat", so Jimmy Hartwig, der noch immer lachen muss, weil Seeler nie verstanden hat, dass sein Vorname zwar mit "J" geschrieben, aber nicht so ausgesprochen wird.
"Normal zu bleiben kann man lernen", meinte der einstige HSV-Spieler Hartwig, der bekannt dafür war, mit Worten durchaus mal übers Ziel hinauszuschießen, in einer dem Film folgenden Diskussionsrunde. Er jedenfalls sei durch Uwe Seeler bodenständiger geworden. Alexandra Popp, die derzeit verletzte Nationalspielerin vom VfL Wolfsburg, sagte, man könnte "fast alles" von diesem Vorbild lernen. Nochmal Hartwig: "Einfach zuhören, was er sagt. Allein daraus kann man viel lernen. Jeder Club sollte seinen Spielern den Film zeigen."
