HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld © Witters

Umstrittener HSV-Vorstand Wüstefeld zurückgetreten

Stand: 29.09.2022 15:04 Uhr

Thomas Wüstefeld ist von seinen Posten als Finanzvorstand und Interimsboss beim Fußball-Zweitligisten Hamburger SV zurückgetreten. Ruhe für den Club bedeutet das aber noch lange nicht.

Wüstefeld habe den Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung über seine Entscheidung informiert, teilte der Tabellenführer am Mittwochabend mit. "Der Aufsichtsrat akzeptierte die Entscheidung und beschloss einstimmig, dass Jonas Boldt (Sportvorstand; d.Red.) vorerst als alleiniger Vorstand die operativen Geschäfte des HSV leiten wird", hieß es in der HSV-Mitteilung.

"Ich bin mir der Verantwortung bewusst und werde in sehr enger Verzahnung mit meinen Kollegen auf der Geschäftsstelle sowie mit dem Aufsichtsrat und insbesondere mit dem Finanzausschuss die anstehenden Aufgaben angehen", sagte Boldt, der mit Wüstefeld - freundlich formuliert - keine Arbeitsebene gefunden hatte. Die bisherigen Pläne sahen vor, dass Wüstefeld als Nachfolger von Frank Wettstein zunächst bis zum Jahresende seine pro bono ausgeübte Tätigkeit als Finanzvorstand weiterführen wird.

Wüstefeld: "Kein Vertrauen zu Teilen des Aufsichtsrats"

Seinen Entschluss habe er schon am Wochenende getroffen, sagte Wüstefeld am Donnerstag im Gespräch mit dem NDR. "Der Hintergrund ist das, was in den letzten Wochen passiert ist: dass die Sachthemen nicht mehr im Vordergrund standen. Es gab so viele Themen, die ich selber kaum noch verarbeiten konnte, und deswegen habe ich gesagt, ich lege mein Mandat erst einmal nieder. Hinzu kommt, dass ich kein Vertrauen zu Teilen des Aufsichtsrats habe, das ist einfach so."

Es sei für ihn "hochgradig verwunderlich, dass so viele vertrauliche Informationen an bestimmte externe Personenkreise durchgestochen wurden, welche nachweislich nur dem Vorstand und dem Aufsichtsrat bekannt waren".

Massive Vorwürfe gegen den Medizinunternehmer

Seit geraumer Zeit stehen massive Vorwürfe im Zusammenhang mit Wüstefelds Tätigkeit als Medizinunternehmer im Raum. Es geht um Millionenklagen, eine mögliche Strafanzeige wegen Untreue und angeblich illegal verkaufte Medizinprodukte. Unter dem Aktenzeichen 415 HKO 44/21 verhandelt das Landgericht Hamburg einen Wettbewerbsverstoß. Der 53-Jährige hat alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets zurückgewiesen, auch die Zweifel an seinen akademischen Titeln "Prof. Dr."

In seiner Funktion als Finanzvorstand des HSV hatte Wüstefeld zuletzt versucht, die Stadt Hamburg als Bürgen für das Millionen-Darlehen des HSV-Hauptsponsors HanseMerkur für die dringend nötige Stadionsanierung zu gewinnen und war gescheitert. Diese Baustelle, an der die Austragung der fünf EM-Spiele 2024 im Volksparkstadion hängt, hat nun Boldt auf dem Tisch.

"Als ich mir letzte Woche Donnerstag im Rathaussaal 77 Minuten Dinge anhören musste, die ich nicht zu verantworten hatte, war das für mich das i-Tüpfelchen zu sagen, 'So, jetzt endet erst einmal mein Feuerwehr-Einsatz, jetzt ist die Situation gekommen, wo ich auch mich und meine Familie schützen möchte.'" Thomas Wüstefeld

Dressel hofft nach Wüstefeld-Aus auf Klarheit

Der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) fand am Donnerstag deutliche Worte: "Vereinsinterna kommentiert der Senat nicht", sagte der Politiker: "Aber wir setzen sehr darauf, dass sich der HSV personell, wirtschaftlich und finanziell kurzfristig so sortiert, dass wir schnell finale Klarheit zur Finanzierung der Stadionsanierung bekommen - und zwar ohne weitere finanzielle Unterstützung der Stadt. Genauso wie es der HSV dem Senat beim Kauf des Stadiongrundstücks rechtsverbindlich zugesagt hat."

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Wüstefeld Gesellschafter der HSV Fußball AG

Trotz des Rücktritts ist Wüstefeld bei dem Traditionsclub noch nicht Geschichte. Der 53-Jährige ist mit 5,11 Prozent Aktienanteilen Gesellschafter der HSV Fußball AG. Die Anteile hatte Wüstefeld dem Milliardär Klaus-Michael Kühne abgekauft, sieht sich von dem Logistik-Unternehmer allerdings getäuscht und würde gerne den Preis nachverhandeln. Beide Parteien liegen im Clinch. Es ist kein Geheimnis, dass Kühne ebenso wie Boldt kein Freund Wüstefelds ist.

Nun neue Bewegung beim 120-Millionen-Angebot von Kühne?

Der Logistik-Unternehmer hatte dem HSV zuletzt ein 120-Millionen-Euro-Angebot unterbreitet, dafür aber mehr Anteile und Mitspracherecht gefordert. Boldt steht Kühnes Plänen offen gegenüber. Das Vereins-Präsidium, der e.V. ist Mehrheitsgesellschafter der AG, mit Präsident Marcell Jansen an der Spitze sprach nach einer ersten Ablehnung zuletzt von einem "konstruktiven Austausch" mit Kühne. Allerdings müssten die HSV-Mitglieder einem weiteren Verkauf von Anteilen mit einer Dreiviertelmehrheit zustimmen. Diese Mehrheit zu bekommen, dürfte schwierig werden.

Vereins-Boss und Aufsichtsratschef Jansen, der mit Wüstefeld vor dessen Einstieg beim HSV geschäftliche Beziehungen hatte, hatte sich lange hinter den Finanzvorstand gestellt. Nun hat Wüstefeld offenbar selbst die Reißleine gezogen.

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Sportclub | 02.10.2022 | 22:50 Uhr

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