Traumdebüt von Dinkci - Wie ein Teenager Werder erlöste
Sechs Tage nach seinem 19. Geburtstag hat Eren Dinkci ein traumhaftes Bundesliga-Debüt gefeiert. Keine fünf Minuten nach seiner Einwechslung wurde der Regionalliga-Torjäger zum Matchwinner in Mainz. Nun soll er gehegt und gepflegt werden.
Wenn bei Werder Bremen ein Teenager von jetzt auf gleich in die Schlagzeilen katapultiert wird, setzt an der Weser der immer gleiche Mechanismus ein: Der Spieler selbst darf erst mal gar nichts sagen. Und in dessen Umfeld breiten alle wie Glucken ihre Flügel aus, um den Nachwuchs zu beschützen. So geschehen auch jetzt bei Eren Dinkci, der mit seinem Siegtreffer in der 90. Minute in Mainz 262 Sekunden nach seiner Einwechslung den Grün-Weißen vor dem Weihnachtsfest Erleichterung verschaffte.
"Nur die Ruhe", wiegelte Trainer Florian Kohfeldt nach dem traumhaften Bundesliga-Debüt des 19-Jährigen ab. "Er ist ein sehr zurückhaltender Junge und soll sein Debüt und Tor genießen." Dinkcis Mitspieler Maximilian Eggestein verpackte höchste Anerkennung in eher nüchterne Worte. "Für Eren freut es mich sehr", sagte er. Ihn habe nicht nur beeindruckt, wie der Youngster das 1:0 erzielt habe, sondern vor allem, wie er danach als Stürmer das eigenen Tor noch verteidigt habe.
Kohfeldt hörte auf Borowski
Dass Dinkci am Sonnabend - sechs Tage nach seinem 19. Geburtstag - erstmals überhaupt im Bundesliga-Kader der Bremer stand, war zum einen der Verletztenmisere im Sturm (Niclas Füllkrug, Davie Selke, Milot Rashica) geschuldet. Zum anderen war Leonardo Bittencourt im Abschlusstraining umgeknickt. Ersatz musste her, die Wahl fiel auf Regionalliga-Torjäger Dinkci. Und dann, so berichtete Kohfeldt, habe ihm sein Co-Trainer Tim Borowski in den Ohren gelegen. "Er hat mich den ganzen Tag lang malträtiert, dass er ein gutes Gefühl bei Dinkci hat", sagte Kohfeldt. Also habe er auf den Ex-Nationalspieler gehört.
Dinkci reifte beim SC Borgfeld
Ins Blickfeld gerückt war Dinkci schon im Sommer, als er in die U23 aufrückte und angeblich Juventus Turin ein Auge auf ihn geworfen hatte. Seine fußballerische Jugend hat der hochgewachsene, schlaksige Mittelstürmer beim SC Borgfeld mit der Vereinsanschrift "Hinter dem Großen Dinge" an den Niederungen der Wümme verbracht. Er sei ein ruhiger, bodenständiger Typ, sagte Eggestein. So bestand Dinkci darauf, dass er nach seiner Unterschrift bei Werder vor knapp zwei Jahren direkt wieder an Borgfeld ausgeliehen wurde, um die Saison dort zu Ende zu bringen.
Nach seinem Wechsel an den Osterdeich im Sommer 2019 lieferte der gebürtige Bremer sofort ab: In 22 Spielen für die A-Junioren knipste er 20 Mal, ehe die Saison Corona-bedingt abgebrochen wurde. In dieser Spielzeit brachte er es in der U23 auf bislang sieben Treffer in acht Regionalliga-Partien. Die Saison in der vierten Liga ist wegen der Corona-Pandemie unterbrochen, was der weiteren Entwicklung von Dinkci im Weg stehen könnte, denn er kann sich dort nicht die Spielpraxis im Herren-Bereich holen, die er für weitere und längere Bundesliga-Einsätze bräuchte.
Ab und zu darf er auch mal in den Kraftraum
Kohfeldt gab Dinkci auch gleich mit auf den Weg, woran er noch arbeiten muss: an der Passgenauigkeit, und "den Kraftraum darf er ab und zu mal aufsuchen". Grundsätzlich aber hat Dinkci bereits bei seinem kurzen Intermezzo in Mainz gezeigt, dass er mitbringt, was Werder fehlt: die Statur, um im Zentrum Bälle zu verarbeiten, an die die körperlich benachteiligen Josh Sargent, Yuya Osako oder Romano Schmid gar nicht rankommen, und den unbedingten Willen, ein Tor zu erzielen. Freilich profitierte Dinkci bei seinem mustergültigen Kopfball auch von Tahith Chongs Können. Der ebenfalls eingewechselte Niederländer, gerade mal zwei Jahre älter als Dinkci, servierte ihm unter Bedrängnis mit dem linken Fuß eine Maßflanke. Der gelungene Vortrag der Youngster schönte eine ansonsten schwache Vorstellung der Bremer in Mainz.
Kohfeldt will keinen Hype
Dass Dinkci, der ein Nachwuchs-Länderspiel für die Türkei absolviert hat, ehe er sich für die deutsche U20 entschied, in Bremen noch eine Weile "unter Verschluss" gehalten wird, davon darf man ausgehen. "Ich will keinen Hype, denn ich weiß, was das für die Jungs bedeuten kann", sagte Kohfeldt. "Da werden Erwartungen auferlegt, das haben wir schon bei Josh oder Jojo gesehen." Der einst hoch gelobte Johannes Eggestein wurde im Sommer an den Linzer ASK ausgeliehen, weil seine Entwicklung bei Werder stockte. Joshua Sargent spielt zwar beständig in der Bundesliga, hat den großen Durchbruch aber ebenfalls noch nicht geschafft.
Bleibt abzuwarten, ob Kohfeldt Senkrechtstarter Dinkci auch für das DFB-Pokalspiel am Mittwoch (20.45 Uhr) in Hannover nominiert.
