Innenminister Boris Pistorius in einer Porträtaufnahme © picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte Foto: Julian Stratenschulte

Nach Polizeikontrolle: Pistorius räumt Mängel bei Kommunikation ein

Stand: 10.08.2022 13:36 Uhr

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hat eine konsequente Aufarbeitung des Vorgehens der Wolfsburger Polizei gegen Bremer Fans angekündigt. Der SPD-Politiker räumte Fehler ein.

"Es kristallisiert sich heraus, und das werden wir sorgfältig prüfen und entsprechend Schlüsse ziehen, dass man möglicherweise nicht alles so hätte machen müssen und vor allem hätte man es besser kommunizieren müssen als es geschehen ist", sagte er am Mittwoch in Hannover. Werder-Ultras waren am Sonnabend aus Protest nicht zu dem Spiel in Wolfsburg (2:2) gekommen. Sie hatten Durchsuchungen und Personalienbestimmungen der Beamten am Wolfsburger Hauptbahnhof als unverhältnismäßig empfunden.

"Das muss aufgearbeitet werden, und das werden wir sorgfältig tun, weil ich ein großes Interesse daran habe, Sicherheit in den Stadien zu gewährleisten", versprach Pistorius. Derzeit werde ein Bericht im Landespolizeipräsidium ausgewertet.

Pistorius verweist auf Vorfälle beim Werder-Spiel in Cottbus

Der Innenminister verteidigte die grundsätzliche Einschätzung der Polizei und verwies auf den Einsatz von Pyrotechnik durch Bremer Fans im DFB-Pokal eine Woche zuvor. "Ich darf daran erinnern, dass es bei dem Spiel Cottbus gegen Bremen heftigste Exzesse mit Pyrotechnik gegeben hat und dass die Polizei Grund zu der Annahme hatte, dass sich das in Wolfsburg wiederholen könnte."

Videos in den Sozialen Medien hatten Fans gezeigt, die von mehreren Polizisten vor Einsatzfahrzeugen umgeben sind und die Ansage der Beamten erhalten, dass die Anhänger sich nicht im Stadtgebiet aufhalten und nur zum Stadion gehen dürften. Die Wolfsburger Polizei teilte am Sonntag mit, dass sich Bremer Fans im Stadtgebiet hätten aufhalten dürfen. Die Aktion sollte "Auseinandersetzungen von Fangruppierungen" verhindern, schrieb die Behörde auf Twitter.

Fanhilfe will wegen "rechtswidriger Kontrolle" klagen

Die Bremer "Grün-Weiße Hilfe e.V." hatte bereits am Montag ankündigt, vor das Verwaltungsgericht Braunschweig ziehen zu wollen. Das niedersächsische Polizeigesetz zähle ganz genau auf, aufgrund welcher Straftaten eine Kontrollstelle eingerichtet werden dürfe, erklärte Wilko Zicht, Vorstandsmitglied der Fan-Organisation, dem NDR. Der Einsatz von Pyrotechnik und daraus möglicherweise resultierende Straftaten (zum Beispiel gefährliche Körperverletzung) zählen nicht dazu: "Deshalb gehen wir davon aus, dass schon die bloße Einrichtung der Kontrolle rechtswidrig war. Und das gilt natürlich erst recht für die massiven Grundrechtseingriffe wie erkennungsdienstliche Maßnahmen."

Zicht richtet sich auf eine lange Auseinandersetzung ein: "Das Gericht wird wahrscheinlich erst in zwei Jahren urteilen, dass die Polizei so nicht hätte vorgehen dürfen." Deswegen sei die öffentliche Diskussion jetzt wichtig: "Die Verantwortlichen müssen sich fragen, ob wir so mit Gästefans umgehen wollen." Es gebe schließlich auch die üblichen Einlass-Kontrollen an den Stadien.

Die Bremer Fanhilfe hat auf ihrer Website einen Online-Fragebogen für Fans eingerichtet, die in Wolfsburg waren und nun Angaben dazu machen können, wie sie die Polizeikontrollen erlebt haben.

Fritz und Schmadtke kritisieren Polizei

Es sei zudem "überraschend" gewesen, dass die Polizei die Bundesligapartie (2:2) in der Gefährdungsstufe "Rot" eingeordnet habe, so Zicht weiter. In der Sicherheitsbesprechung zuvor sei davon keine Rede gewesen: "Wenn das der Maßstab ist, dann sind ja praktisch alle Spiele Hochrisikospiele", so Zicht.

"Es ist absurd, ausgerechnet die Partie VfL Wolfsburg - Werder Bremen als Hochrisikospiel einzustufen." Wilko Zicht

Man sei sich vorher mit den Wolfsburgern einig gewesen, dass die Partie kein Risiko darstelle, hatte Werder Bremens Profifußball-Leiter Clemens Fritz gesagt. In den vergangenen Jahren sei es bei dem Duell "immer ruhig" gewesen: "Ich habe da kein Verständnis."

Auch Wolfsburgs Sportchef Jörg Schmadtke kritisierte in der "Wolfsburger Allgemeinen Zeitung": "Wenn diese Gangart der Beamten Standard ist, stellt das für mich die gesamte Polizeiarbeit infrage. Es kann doch nicht sein, dass die Polizei eingreift, bevor du überhaupt etwas getan hast." VfL-Profi Max Kruse solidarisierte sich mit den Werder-Fans: "Was die Polizei mit den Werder-Fans gemacht hat - absolutes Unding. Personalisieren, für jeden, der in Wolfsburg ankommt, wo leben wir denn?", sagte der 34-Jährige, der einst auch für Werder spielte, in einem Instagram-Video.

Polizei: VfL Wolfsburg war über Risiko-Einstufung informiert

Die Polizei hatte dagegen am Sonntag mitgeteilt, sowohl die Polizei Wolfsburg als auch die Polizeibehörde Bremen stufe "das Verhältnis beider Fanlager als rivalisierend ein". Die Begegnung sei als "Rot-Spiel eingestuft" und dies dem VfL Wolfsburg am 11. Juli auch mitgeteilt worden.

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Bei den Durchsuchungen am Hauptbahnhof sei es darum gegangen, Pyrotechnik aufzuspüren: "Es handelte sich somit um eine präventive Maßnahme der Gefahrenabwehr und nicht um eine repressive Maßnahme der Strafverfolgung." Die Kontrollen seien "insgesamt vollkommen entspannt und störungsfrei" verlaufen. Anschließend hätten "ca. 4.200 Bremer Fans einen spannenden und sicheren Bundesliga-Auftakt ohne den Abbrand jedweder gesundheitsgefährdender Pyrotechnik" erlebt. Rund 270 Ultras hatten jedoch aus Protest direkt die Rückreise angetreten.

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 08.08.2022 | 14:17 Uhr

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