Martin Kind steht in einem Stadion. © picture alliance/dpa/Swen Pförtner Foto: Swen Pförtner

Hannover 96: Kind lässt Abberufung als Geschäftsführer prüfen

Stand: 28.07.2022 20:17 Uhr

Nach seiner unerwarteten Abberufung als Geschäftsführer durch den Vorstand des Hannover 96 e.V. lässt Martin Kind den Beschluss rechtlich prüfen. Das teilte die Hannover 96 Management GmbH am Donnerstag mit. Es droht eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem ausgegliederten Profifußball-Bereich und dem großen Breitensportverein.

Der Vorstand des Muttervereins Hannover 96 e.V. war auch am Donnerstag zunächst zu ergänzenden Erklärungen der überraschenden Ausbootung des langjährigen Vereins-Patriarchen als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH nicht bereit. In der knappen Begründung der Trennung von Kind, seit fast 25 Jahren in unterschiedlichen Führungspositionen für die Niedersachsen tätig, hatte der e.V.-Vorsitzende Sebastian Kramer am Vortag von "wichtigen Gründen" gesprochen.

Genau dies wird nun wohl juristisch bewertet, denn nur wenn dies zutrifft, darf der e.V. laut Clubsatzung eigenmächtig handeln - auch ohne die Zustimmung der Gesellschafter, zu denen Kind weiterhin gehört. So oder so droht dem 126 Jahre alten Traditionsverein nun viel interne Unruhe.

Kind: Nur Aufsichtsrat darf Geschäftsführer abberufen

Bei Hannover 96 gibt es eine komplizierte Struktur mehrerer Gesellschaften. Der 78 Jahre alte Kind ist Mehrheitsgesellschafter der Hannover 96 Sales&Service GmbH&Co. KG, der die Profifußball-KGaA zu 100 Prozent gehört. Da die 50+1-Regel in Deutschland jedoch vorschreibt, dass der Stammverein immer die Stimmen-Mehrheit in einer ausgegliederten Kapitalgesellschaft besitzen muss, werden die Geschäftsführer der KGaA von der Hannover 96 Management GmbH bestimmt. Und die gehört zu 100 Prozent dem Stammverein.

Kinds Absetzung war am Mittwochabend eine Entscheidung des e.V.-Vorstands. Der Hörgeräte-Unternehmer verweist jedoch darauf, dass nur der Aufsichtsrat der Management GmbH einen Geschäftsführer berufen und abberufen darf. Dieses Gremium ist mit je zwei Vertretern der Kapital- und Vereinsseite besetzt, wurde laut Mitteilung der KGaA aber nicht über die Absetzung Kinds informiert. Das Aufsichtsratsmitglied Roland Frobel bestätigte dies. Kramer teilte unterdessen mit, dass der e.V. bereits einen Nachfolger für Kind gefunden habe.

Kritik von Schatzschneider und Neururer

Kind verweist zudem auf eine weitere Besonderheit beim Club: den sogenannten 96-Vertrag von 2019, der im Kern zwei Dinge regelt - der angeschlagene Mutterverein hält sich aus dem Profifußball heraus und wird im Gegenzug aus dessen Millionen-Geschäft mitfinanziert. Vereinsikone Dieter Schatzschneider kritisierte deshalb die überraschende Abservierung deutlich. "Wenn dieser Vorstand jetzt die Profis übernimmt, ist das das Ende des Profifußballs von 96. Ich bin sauer, weil immer nur draufgehauen wird auf Martin Kind, gerade vom Vorstand des Gesamtvereins", sagte der 64-Jährige der HAZ.

Auch der frühere 96-Trainer Peter Neururer kann den Beschluss schwer nachvollziehen. "Ohne Martin Kind wäre 96 längst von der Fußballlandkarte verschwunden. Hoffentlich wissen die handelnden Personen genau, was sie da machen und wen sie da in Zukunft ersetzen müssen", sagte der 67-Jährige.

"Martin Kind wurde als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH mit sofortiger Wirkung aus wichtigen Gründen abberufen. Die Gremien werden zeitnah über die Neubestellung der Geschäftsführung entscheiden." Mitteilung Vorstand Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V.

Konflikte nach Antrag für Ausnahmegenehmigung von 50+1-Regel

Kind war 1997 zum Präsidenten von Hannover 96 gewählt worden, als der Club in der Dritten Liga spielte. Unter ihm gelang die Rückkehr in die Bundesliga, der Umbau des Stadions in eine WM-Arena - und die Ausgliederung des Profibereichs. Als Kind nach 20-jähriger Förderung seines Clubs genau wie der VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und 1899 Hoffenheim eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) bekommen wollte, spitzten sich die Konflikte bei 96 zu. Kinds Antrag wurde abgelehnt, die Opposition im Verein immer stärker.

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Als sich der langjährige Clubboss als Präsident des Muttervereins zurückzog, um sich nur noch um den Profifußball zu kümmern, wählten die Mitglieder 2019 lauter Kind-Gegner und 50+1-Befürworter an die Spitze des Hannover 96 e.V. Von da an arbeiteten Kapital- und Vereinsseite mehr gegen- als miteinander.

Schäfer als Kind-Nachfolger abgelehnt

Beide Seiten konnten sich nie auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Kind-Nachfolge an der Spitze der Profifußball-Gesellschaft einigen. Den von Kind und Drogerie-Unternehmer Dirk Roßmann erst 2021 verpflichteten Robert Schäfer lehnte die e.V.-Spitze dafür ab. Die Konflikte schienen sich vorerst beruhigt zu haben, weil Kind auch mit seinem Geld die Verluste der Corona-Zeit ausglich und in diesem Sommer eine hochambitionierte neue Mannschaft zusammenstellte. Doch diese Ruhe ist nun vorbei.

Wie auch immer die (erneut unruhige) Zukunft aussieht, Kind wird als Mehrheitsgesellschafter selbst dann noch großen Einfluss haben, wenn er nicht mehr Geschäftsführer der KGaA ist. Und was, wenn er und seine Mitstreiter ihr Kapital zurückziehen sollten? Der Mutterverein müsste dann für potente Alternativen sorgen.

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Sport aktuell | 28.07.2022 | 13:17 Uhr

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