Sendedatum: 23.05.2016 | 22:00 Uhr | 45 Min | Archiv
1 | 25 15.000 Tomatensorten gibt es auf der Welt. Für den Handel zugelassen sind hierzulande lediglich 43, davon gelten zehn als alte Sorte. Uschi Reinhardt bewahrt solche historischen Tomatensorten seit 20 Jahren in ihrem Garten im niedersächsischen Schandelah.
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2 | 25 "Es sind ausschließlich Sorten, die nicht mehr im Handel sind, mit denen ich mich beschäftige", erklärt Tomatenzüchterin Uschi Reinhardt. "Diese Sorten sind in Gefahr, weil sie von niemand anderem genutzt werden." Uschi Reinhardts Hauptmotivation, sich um alte Sorten und die Vielfalt zu kümmern: selbst bestimmen zu können, was sie auf dem Teller hat.
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3 | 25 Mexikanischer Honig, Beutel aus Kasachstan oder Pansy Ap heißen nur drei der rund 80 Sorten, die Uschi Reinhardt zum Beispiel auf dem Tomatenfest in Schandelah präsentiert.
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4 | 25 Alte Tomaten-, aber auch andere Gemüse-Sorten, haben einige Vorteile: Sie gelten vielen als robuster und schmackhafter. Außerdem sind die Pflanzen samenfest. Das heißt, man kann sie über ihr Saatgut vermehren. Das Saatgut gewerblich genutzter Pflanzen hingegen lässt sich in der Regel nicht für die Nachzucht verwenden.
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5 | 25 Um ihre alten Tomatensorten zu erhalten und an interessierte Hobbygärtner weitergeben zu können, stellt Uschi Reinhardt aus ihren Tomaten Saatgut selbst her.
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6 | 25 Dazu lässt die Tomatenzüchterin die Samen mit dem restlichen Fruchtfleisch darum herum einweichen. Anschließend verteilt sie sie auf Zeitungspapier zum Trocknen. Das Saatgut wird dunkel, kalt und trocken gelagert.
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7 | 25 Hobbygärtner können das Saatgut bei Uschi Reinhard bestellen. Tütchenweise gibt die Züchterin die Tomatensamen gegen eine kleine Gebühr ab.
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8 | 25 Ein paar Hundert alter Sorten hat Uschi Reinhardt davor bewahrt, in Vergessenheit zu geraten. Saatgut stellt sie nicht nur für sich selbst her, sondern gibt es gegen eine kleine Gebühr auch an andere ab - ein Verstoß gegen das Saatgutverkehrsgesetz. Es schreibt vor, dass man nur mit dem Saatgut von Sorten Handel treiben darf, die auch eine offizielle Sortenzulassung haben.
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9 | 25 Für Uschi Reinhardt wäre es unbezahlbar, offiziell mit dem Saatgut ihrer historischen Sorten wie der Feuerwerk handeln zu dürfen. Denn um alle ihre Sorten in die sogenannte Sortenschutzrolle eintragen zu lassen, müsste sie einmalig 200 Euro pro Sorte bezahlen. 70.000 Euro an Gebühren kämen so zusammen. Zusätzlich würden noch 30 Euro Schutzgebühr laut Saatgutverkehrsgesetz anfallen - und das jährlich, pro Sorte.
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10 | 25 Auch Karsten Ellenberg ist ein Sorten-Retter. "Ich habe überhaupt nicht gewusst, dass es blaufleischige oder rotfleischige Kartoffeln gab oder Hörnchen oder gebogene Kartoffeln", sagt der Landwirt aus Barum. "Das hat mich so fasziniert, dass ich gesagt habe, Mensch, das baue ich doch wieder an."
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11 | 25 210 Sorten Kartoffeln sind in Deutschland für den Anbau zugelassen. Im Handel dominieren etwa zwei Dutzend. Karsten Ellenberg baut unter anderem die rotfleischige Heiderot an. Diese hat, wie fast alle seiner Kartoffeln, keine Sortenzulassung. Laut Gesetz muss er seine Kunden darauf hinweisen, seine Kartoffeln nur zu essen, sie aber - auf keinen Fall - selbst anzubauen.
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12 | 25 "Ich arbeite streng nach Vorschriften, aber ich sehe auch, wo Rahmen bestehen, die es ermöglichen, ein bisschen anders zu arbeiten", erklärt Karsten Ellenberg. "Das nutze ich halt. Letztendlich bin ich ein freier Bauer und ich lasse mich nicht knebeln. Und gute Sachen und gesunde Lebensmittel lasse ich mir nicht verbieten."
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13 | 25 Viele Kartoffelsorten hat Ellenberg schon gerettet, weil er diese auch ohne Sortenschutz weiter anbaut. Der Landwirt verfügt über eine eigene Samenbank. In steriler Umgebung konserviert er viele alte Sorten und bewahrt seltenes Saatgut vor dem Verschwinden.
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14 | 25 Kartoffelbauer Ellenberg schneidet Kartoffelpflänzchen klein, um sie zu vermehren. "So kann ich Tausende Sorten eigentlich ewig erhalten", erklärt der Landwirt und ergänzt: "Das macht natürlich Arbeit, ich muss ja auch rechnen. Aber ich bin dadurch unabhängig und das macht Spaß."
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15 | 25 Etwa hundert verschiedene Kartoffelsorten baut der Landwirt an. Rund 35 Sorten umfasst sein jährliches Sortiment. Karsten Ellenbergs Ziel ist es, Vielfalt aufzubauen. Vor allem aber sollen seine Kartoffeln gut anzubauen und lagerfähig sein sowie vor allem schmecken.
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16 | 25 "Wir haben angefangen, alte Sorten mit neuen Sorten zu kreuzen und auch Wildkartoffelarten mit eingekreuzt", erklärt der Kartoffelbauer. Nach der Ernte beurteilen Karsten Ellenberg und seine Assistentin, wie gut der Ertrag tatsächlich ist. Ganz am Ende entscheidet der Geschmack: "Wenn eine Sorte top aussieht und riesige Erträge bringt, aber nicht schmeckt, will ich sie nicht haben."
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17 | 25 Lieber entscheidet sich der Kartoffelbauer für eine Sorte, die nicht so leicht zu schälen ist. Der Angeliter Tannenzapfen hat auffällig tiefe Augen, aber einen besonders feinwürzigen Geschmack. Durch den zusätzlichen Schälabfall würden die Tannenzapfen-Kartoffeln bei einer Prüfung durch das Bundessortenamt Minuspunkte bekommen, glaubt Karsten Ellenberg.
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18 | 25 Das dürfe aber kein Kriterium sein, findet Ellenberg. "Ich bin als Landwirt ja Unternehmer und ich möchte etwas verkaufen können. Und wenn [...] ein Amt sagt: 'Bloß nicht!', kann ich das nicht verstehen. Dann sind wir nicht in einer freien Marktwirtschaft, sondern haben ein Diktat von der Politik oder anderen Leuten über das Bundessortenamt. Da müssen wir aufpassen, denke ich. Und uns zur Not auch dagegen wehren."
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19 | 25 Auch Reinhard Lühring will sich mit den gesetzlichen Vorgaben nicht abfinden. Im Garten des Grünkohlzüchters wachsen Pflanzen, die ohne ihn wohl ausgestorben wären. "Das sind alles Sorten, die ich hier in Ostfriesland gefunden habe", erzählt er. "Die sind von meist älteren Leuten jedes Jahr wieder angebaut worden. Die haben das Saatgut selbst gemacht und praktisch in jedem Dorf eigene Grünkohlsorten entwickelt.
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20 | 25 In Deutschland sind noch zwei Grünkohlsorten auf dem Markt. Ganze vier Amateursorten haben eine Zulassung für den privaten Anbau. Reinhard Lühring hat allein in Ostfriesland etwa 30 Grünkohlsorten gefunden. Zum Beispiel den Diepholzer Dickstrunk, dessen Strunk man auch essen kann, fast wie bei einem langgezogenen Kohlrabi.
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21 | 25 "Diese ganzen Sorten sind erhalten worden, weil sie immer gegessen wurden, weil das lecker ist, weil das gelebt wurde", beschreibt der Grünkohlzüchter das Erbe dieser Kulturpflanzen.
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22 | 25 Reinhard Lühring will alte Grünkohl- und andere Gemüsesorten wieder unter die Leute bringen. Deshalb stellt er eigenes Saatgut her. Besonders in Ostfriesland war das eine Tradition, die über Jahrhunderte von Eltern an ihre Kinder weitergegeben wurde.
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23 | 25 "Die Kulturpflanzen haben ja nicht irgendwelche Saatgutzüchter entwickelt", betont Reinhard Lühring. "Das waren Bauern und Gärtnerinnen, das waren alle, die Gemüse gegessen haben." Saatgut wurde an die Familie oder die Nachbarn weitergegeben und mit ihnen getauscht.
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24 | 25 Zwei Mitarbeiter beschäftigt der Grünkohlzüchter. Sein Saatgut vertreibt er online über einen Verein von Gleichgesinnten. "Wir verkaufen unser Saatgut an Privatleute, die Kleingärten haben oder Balkone - die das im Kleinen machen."
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25 | 25 Der Staat kümmere sich nicht um die Vielfalt an Grünkohl- und anderen Gemüsesorten, bedauert Reinhard Lühring. Wie so viele andere Sorten, die über Generationen hinweg von Einzelkämpfern und Vereinen bewahrt worden sind, haben auch seine Grünkohlsorten keine Zulassung für den Verkauf.
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