Mogelpackungen: Wie Hersteller Preiserhöhungen verschleiern

Stand: 12.04.2024 15:30 Uhr

Rund 3.000 Beschwerden über Mogel- und Luftpackungen und versteckte Preiserhöhungen registrieren die Verbraucherzentralen jedes Jahr. Die Gesetzgebung macht es Unternehmen leicht zu tricksen.

von Anneke Müller

Die Verpackungsgröße bleibt gleich, die Füllmengen hingegen ist geringer: Versteckte Preiserhöhungen um bis zu 75 Prozent sind laut Verbraucherschützern keine Seltenheit. Grund dafür: Die entsprechenden Regulierungen im Lebensmittel- und Eichrecht sind oft schwammig formuliert und geben den Herstellern großen Spielraum - auf Kosten der Kunden.

Beschwerden über Luft in Verpackungen

Die meisten Beschwerden registrieren die Verbraucherzentralen zu überdimensionierten Verpackungen, die den Kunden mehr Inhalt vortäuschen. Am häufigsten handelt es sich dabei um Plastikverpackungen, die mit zusätzlicher Luft versetzt werden, um die Qualität des Lebensmittels zu schützen. Das macht es für Kunden schwerer, die tatsächliche Füllmenge eines Produktes zu ertasten. Auch aus ökologischer Sicht sind überdimensionierte Plastikverpackungen ein Ärgernis, über das sich Verbraucher immer öfter beklagen.

Preise pro 100 Gramm vergleichen

Die Verbraucherzentralen warnen regelmäßig vor höheren Preisen von Saisonware wie Süßigkeiten, die zu Ostern oder Weihnachten angeboten werden. Verbraucher sollten die Preise vergleichen, zum Beispiel von einer Tafel Schokolade und Oster-Schokolade eines Herstellers. Hilfreich ist dabei der sogenannte Grundpreis, also der Preis pro 100 Gramm auf dem Preisschild im Supermarkt oder beim Discounter.

Versteckte Preiserhöhungen erkennen

Von Preiserhöhungen bei Lebensmitteln und Hygieneartikeln bekommen viele Verbraucherinnen und Verbraucher nichts mit, weil einige Hersteller mit verschiedenen Tricks arbeiten:

  • Neue Sorte, weniger Inhalt: Die Hersteller von Lebensmitteln wie Joghurt, Frischkäse oder Schokolade bieten immer wieder neue Sorten an. Sie unterscheiden sich oft kaum von den entsprechenden altbekannten Produkten. Dafür reduzieren manche Hersteller den Inhalt. Viele Verbraucher bemerken die versteckte Preiserhöhung nicht, weil sie eine bestimmte Marke seit Jahren kaufen und die Füllmengen nicht bei jedem Einkauf kontrollieren.

  • Light-Produkte mit weniger Inhalt: Oft ist die vermeintlich gesündere Variante mit weniger Zucker oder Fett deutlich teurer als das Original. Für Verbraucher ist der höhere Preis nicht immer auf Anhieb erkennbar: Einige Hersteller verwenden eine ähnliche Verpackung wie beim herkömmlichen Produkt, verringern aber den Inhalt.

  • Verpackungsgröße: Einige Hersteller reduzieren den Inhalt, lassen aber die Verpackung und den Preis gleich. Besonders bei Kosmetik gibt es oft große Verpackungen, deren Inhalt eher klein ausfällt.

  • Produkt-Relaunch: Erhalten Produkte einen neuen Namen oder bekommen deren Verpackungen ein neues Aussehen, nutzen viele Hersteller die Veränderung ebenfalls, um unterm Strich höhere Preise pro 100 Gramm zu generieren. Die Rezeptur der Ware bleibt dabei oft gleich, nur die Füllmenge wird reduziert. So kommt es teilweise zu hohen Preissteigerungen.

  • Erlernte Größen: Eine Tafel Schokolade hat 100 Gramm, ein Glas Joghurt 500 Gramm, eine Flasche Milch einen Liter - solche Standardmengen haben Verbraucher seit Jahrzehnten in ihrem Gedächtnis. Doch die Unternehmen schrauben auch bei sogenannten erlernten Größen immer häufiger am Inhalt. Besonders bei neuen Geschmackskreationen sollten Kunden daher vorsichtshalber einen Blick auf die Füllmenge werfen.

  • Gleiches Produkt in vermeintlicher "Premiumqualiät": Hersteller vertreiben ein und dasselbe Produkt häufig in unterschiedlicher Aufmachung. Eine Käsesorte wird dann beispielsweise einmal in der herkömmlichen Verpackung und einmal mit dem Zusatz "hauchzarte Scheiben" verkauft. Dadurch soll den Kunden eine Premiumqualität vorgetäuscht werden, die sich vor allem in einem höheren Preis niederschlägt. 

Gesetzliche Vorgaben fehlen

Die Hersteller rechtfertigen die verdeckten Preissteigerungen mit einem höheren Materialeinsatz oder gestiegenen Produktionskosten, wenn eine Verpackung beispielsweise von Plastik auf Papier umgestellt wird. Andere Produzenten sagen, dass sie sich bei der Füllmenge an Mitbewerbern neu orientiert und die eigenen Produkte dem Markt entsprechend angepasst haben.

Verboten sind die Tricks nicht, denn es gibt keine rechtlichen Vorgaben für bestimmte Füllmengen oder Preisaufschläge auf saisonale Produkte.

Musterbrief der Verbraucherzentrale für Beschwerden nutzen

Die Verbraucherzentralen stellen regelmäßig Beispiele für Mogelpackungen vor. Sie raten Kunden, Produkte mit Luftverpackung nicht zu kaufen, bis sich die Rechtslage geändert hat. Stattdessen sollte man sich direkt bei den Herstellern beschweren. Für diesen Zweck kann ein Musterbrief der Verbraucherzentrale Hamburg genutzt werden.

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Dieses Thema im Programm:

Markt | 14.04.2024 | 20:15 Uhr

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