VIDEO: Reiseärger: Fluggesellschaft zahlt nicht (6 Min)

Fluggastrechte: Was tun bei Flugverspätung und -ausfall?

Stand: 11.03.2024 09:44 Uhr

Fallen Flüge wegen eines Streiks aus oder sind verspätet, ist das für Reisende ärgerlich. Welche Rechte haben sie? Was passiert, wenn ein Flug gestrichen wird? Wie erhalten sie Entschädigung?

Ob Streik, technische Probleme oder Überbuchung: Erster Ansprechpartner für Flugreisende ist bei individueller Buchung die Fluggesellschaft, bei Pauschalreisen der Reiseveranstalter. Auf ihren Internetseiten bieten die Airlines in der Regel Informationen über die aktuellen Abflug- und Ankunftszeiten. "Erfahren Reisende mindestens zwei Wochen vorher, dass sich die Flugzeiten am geplanten An- und Abreisetag ändern, müssen Sie das meist so hinnehmen", so Alina Menold von der Verbraucherzentrale Niedersachsen.

Es gebe jedoch auch Ausnahmen: Wird die Nachtruhe oder ein ganzer Reisetag beeinträchtigt, kann das ein Reisemangel sein. Das hängt zum Beispiel von der Reisedauer ab. Bei einem kurzen Trip ist die Beeinträchtigung größer als bei einer mehrwöchigen Reise. "Letztlich muss das aber immer im Einzelfall geprüft werden", erklärt Menold.

Flug annulliert: Anspruch auf alternative Beförderung oder Erstattung

Eine Schlange wartender Passagiere auf dem Hamburger Flughafen © NDR
Bei längeren Wartezeiten müssen Airlines ihre Fluggäste versorgen.

Grundsätzlich gilt: Fällt ein Flug ganz aus, hat der Kunde Anspruch auf einen anderen Flug oder eine anderweitige Beförderung, etwa mit der Bahn. Alternativ kann der Fluggast vom Vertrag zurücktreten und eine Erstattung des Ticketpreises verlangen. Bei einer Pauschalreise ist der Reiseveranstalter in der Pflicht, Urlauber auf alternativen Wegen ans Ziel zu bringen.

Bei längeren Wartezeiten muss die Airline sogenannte Betreuungsleistungen erbringen. Dazu zählen Essen und Getränke und - falls notwendig - eine Übernachtung und der Transfer zum Hotel. Kommt die Airline dem nicht nach, muss sie die Ausgaben erstatten. "Reisende sollten Belege daher gut aufheben und gegebenenfalls vor Ort Fotos von der Anzeigentafel mit der Verspätung machen", rät Menold. Ist der Flug Teil einer Pauschalreise, können Betroffene ab vier Stunden Verspätung gegenüber dem Reiseveranstalter gegebenenfalls zusätzlich Reisemängel geltend machen.

Flugverspätung und -ausfall: Wann gibt es Entschädigung?

Ist ein Flug überbucht, wird kurzfristig annulliert oder verspätet sich um mehr als drei Stunden, steht Passagieren laut EU-Fluggastrechteverordnung eine Entschädigung zu - je nach Länge der Flugstrecke sind das 250 bis 600 Euro. Voraussetzung: Der Flug findet innerhalb der EU statt, startet von einem Flughafen in der EU oder wird von einer Fluggesellschaft aus der EU durchgeführt. Nicht zahlen müssen Airlines bei sogenannten außergewöhnlichen Umständen. Dazu zählen etwa Unwetter oder politische Instabilität. Ab fünf Stunden Verspätung haben Reisende die Möglichkeit vom Ticketkauf zurückzutreten. Die Airline muss dann den vollständigen Kaufpreis erstatten.

Fluggäste können bei großer Verspätung auch dann eine Entschädigung fordern, wenn eine Reise aus mehreren Flügen besteht und diese von unterschiedlichen Gesellschaften durchgeführt wurden, so ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Entscheidend ist, dass es sich um eine zusammenhängende Buchung handelt, also etwa ein Reisebüro die Flüge kombiniert, dafür einen Gesamtpreis in Rechnung stellt und ein einheitliches Ticket ausgibt. Anspruch auf Entschädigung besteht auch, wenn der Flug mit Umstiegen verbunden ist und die Verspätung bei einem Anschlussflug außerhalb der EU auftritt, so ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs.

Streik: Was sollten Fluggäste tun?

Ist ein Streik der Fluggesellschaft angekündigt, rät die Verbraucherzentrale Hamburg Fluggästen Folgendes:

  • Bei der Airline nachfragen, ob der gebuchte Flug betroffen ist. Ist das der Fall, nach einem alternativen Beförderungsangebot fragen.
  • Auf keinen Fall vorschnell selbst eine Bahnfahrkarte kaufen. Denn es ist nicht sicher, ob die Fluggesellschaft die Kosten dafür erstattet.
  • Teilt die Fluggesellschaft nichts Gegenteiliges mit, rechtzeitig am Flughafen sein, falls der Flug schneller als erwartet startet oder ein Ersatzflug angeboten wird.

Wie kommen Kunden an eine Entschädigung oder Erstattung?

Die Stiftung Warentest rät Verbrauchern, sich mit ihrer Forderung zunächst direkt an die Fluggesellschaft zu wenden. Das geht bei vielen Airlines einfach per Online-Formular auf deren Website. Alternativ können Betroffene die Flugärger-App der Verbraucherzentrale nutzen. Die Verbraucherschützer informieren umfassend über Fluggastrechte und bieten Musterbriefe an. Wurde die Reise pauschal gebucht, sollten sich Betroffene jedoch immer zuerst an den Veranstalter wenden.

Dienstleister übernehmen Klage gegen Provision

Verweigert eine Fluggesellschaft die Entschädigungszahlung, muss der Verbraucher den Rechtsweg einschlagen. Wer keine Rechtsschutzversicherung hat, muss zunächst die Kosten übernehmen - ohne Gewissheit, ob die Klage erfolgreich ist. Unternehmen wie Claimflights, Flightright oder Fairplane nehmen Passagieren dieses Risiko ab. Sie bringen den Fall vor Gericht und kassieren bei Erfolg etwa zwischen 20 und 30 Prozent Provision. Verlieren sie das Verfahren, zahlt der Kunde nichts.

Schlichtungsstelle hilft im Streitfall mit Airlines

Außerdem gehören alle deutschen und viele internationale Flugunternehmen der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) an, die im Streitfall nach einer einvernehmlichen außergerichtlichen Lösung sucht. Das Schlichtungsverfahren ist für die Passagiere kostenfrei. Einen kostenlosen Musterbeschwerde-Brief bietet das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland an. Weitere Informationen zum Thema finden sich auch beim Luftfahrt-Bundesamt.

Was gilt bei Streik des Sicherheitspersonals am Flughafen?

Wer seinen Flug verpasst, weil das Sicherheitspersonal streikt und sich die Kontrollen verzögern, hat es schwerer, Entschädigung zu fordern. Denn für Sicherheitskontrollen zuständig ist die Bundespolizei. Mögliche Ansprüche müssen also gegenüber dem Staat geltend gemacht werden. Unter Umständen bleibt nur der Weg zu einem Anwalt oder Dienstleister, die auf Fluggastrechte spezialisiert sind.

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NDR Info | Nachrichten | 11.03.2024 | 06:40 Uhr

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