Stand: 04.09.2018 11:10 Uhr

Chemikalien in Kosmetika: App "Tox Fox" klärt auf

Sie verbergen sich in Cremes, Shampoos und Make-up: hormonell wirksame Chemikalien, also synthetisch hergestellte Stoffe, die im Körper wie natürliche Hormone wirken. Sie werden mit Gesundheitsproblemen wie Unfruchtbarkeit und Krebs in Verbindung gebracht. Bei Föten im Mutterleib, Kleinkindern und Pubertierenden können sie die Entwicklung stören, so ein weiterer Verdacht. Doch wie lässt sich dieses Risiko vermeiden? Der BUND hat die kostenlose App "Tox Fox" entwickelt. Verbraucher können den Strichcode von Produkten einscannen und bekommen sofort angezeigt, ob sich darin hormonell wirksame Chemikalien verbergen, wie die NDR Info Perspektiven berichten.

von Susanne Tappe, NDR Info

Eine Frau scannt ein Duschgel mit der Tox Fox App vom BUND auf giftige Stoffe. © Anna Erwand/ BUND Foto: Anna Erwand
Mit der App können Verbraucher schon beim Einkaufen Produkte testen.

Ich stehe jetzt hier in dem Drogeriemarkt, in dem ich auch sonst privat einkaufe, und bin wild entschlossen, meinen gesamten Badezimmerschrank-Inhalt einmal durchzuscannen und zu gucken, was in den einzelnen Produkten drin ist. Im Badezimmer zu Hause geht das nicht so gut. Denn der Strichcode, den ich dazu brauche, ist oft auf den Pappverpackungen der einzelnen Produkte und die habe ich natürlich längst weggeworfen. Im Drogeriemarkt finde ich aber schnell alle Produkte wieder, die ich zu Hause habe. Ich fülle also den Einkaufswagen und den Speicher der App und schon kommen die Ergebnisse.

Mit einer Aktion in der Fußgängerzone macht der BUND auf giftige Stoffe in Spielwaren aufmerksam. © Jörg Farys/BUND Foto: Jörg Farys
AUDIO: App klärt über fragwürdige Chemikalien auf (4 Min)

Parabene und UV-Filter gelten als gefährlich

Eine Frau hält zwei Körperpflegeprodukte in der Hand und schaut skeptisch. © BUND
Welche Gefahren sich hinter den giftigen Inhaltsstoffen verbergen, können Verbraucher oft nicht einschätzen.

Mit gemischten Gefühlen scrolle ich durch die Liste der von mir gescannten Produkte. Die gute Nachricht zuerst: 12 von 15 Kosmetika haben ein grünes Häkchen bekommen. Das bedeutet, in diesen Produkten wurden keine hormonellen Stoffe gefunden. Neben drei Pflegeprodukten prangt allerdings, wie ein Warnschild, ein rotes Ausrufezeichen. Und zwar neben meiner Gesichtscreme, einem Make-up-Stift und der Sprüh-Spülung für die Haare. In den ersten beiden Produkten stecken Parabene als Konservierungsmittel, in der Spülung ein UV-Filter.

In der Erklärung durch die App heißt es: "Hormonelle Störungen wie Veränderungen der Geschlechtsorgane wurden bei Tieren dokumentiert. Der Stoff steht deshalb auf der Prioritätenliste der EU für hormonell wirksame Stoffe." Auf Anhieb verstehe ich nicht, was das bedeutet und wie schlimm es ist. Es ist an der Zeit, einen Experten zu fragen.

Hormoncocktail bei der Körperpflege

Edmund Maser leitet das Institut für Toxikologie an der Universität Kiel. Er sagt, generell seien etwa Konservierungsstoffe in Kosmetika sinnvoll, weil sie die Entwicklung schädlicher Keime verhinderten. Er ergänzt allerdings: "Man muss bei diesen hormonell wirksamen Substanzen genau hinschauen. Das Problem dieser Substanzen ist, dass sie selbst in geringsten Mengen schon in das Hormonsystem des Menschen eingreifen können."

Diabetes-Erkrankungen, Fettleibigkeit und Entwicklungsstörungen bei Kindern könnten die Folge sein. Das gelte auch, wenn gesetzlich vorgeschriebene Grenzwerte eingehalten würden, da manche Menschen besonders sensibel reagierten. Wenn mehrere Chemikalien aus verschiedenen Produkten im Körper aufeinanderträfen, könne das einen unberechenbaren Cocktaileffekt zur Folge haben. Das geht auch aus einer Studie des BUND zum Thema hervor.

Hersteller zum Handeln auffordern

Die Tox Fox App vom BUND scannt einen Star-Wars-Helm zum Spielen auf giftige Stoffe. © Jörg Farys/BUND Foto: Jörg Farys
Spielwaren, wie diese Star-Wars-Maske, die bereits in der Tox-Fox-Datenbank gespeichert sind, lassen sich mit der App sofort testen.

Die "Tox Fox"-App des BUND findet Maser gut, insbesondere die Funktion mit der man eine vorformulierte Protestmail an den Hersteller eines Produktes senden kann: "Vor allen Dingen, weil man dann die Hersteller dazu bringt, sich Gedanken über ihre Produkte zu machen und dementsprechend weiter Geld und Forschung zu investieren, um die Produkte für den Menschen einfach sicherer zu machen."

Die Weiterentwicklung der App konzentriert sich darüber hinaus auch auf Spielwaren. Durch das Scannen des Barcodes mit der "Tox Fox"-App wird Verbrauchern erleichtert, ihr Recht auf Auskunft wahrzunehmen. Mit einem Klick lässt sich die sogenannte Giftfrage stellen und direkt an den Hersteller senden. Sollte das Produkt besonders besorgniserregende Stoffe enthalten, muss dieser innerhalb von 45 Tagen antworten.

Besondere Vorsicht bei Schwangeren und Kleinkindern

Bleibt die Frage, was ich nun mit meiner Creme, meiner Haarspülung und dem Make-up-Stift mache? Sofort wegwerfen? Ich frage Ulrike Kallee, Chemieexpertin vom BUND: "Also letzten Endes sollten wir zusehen, dass wir uns diesen Stoffen möglichst wenig aussetzen, vor allem in kritischen Situationen - etwa in der Schwangerschaft oder wenn Kleinkinder im Haus sind. In diesem Fall, würde ich sagen, benutzen Sie es keinesfalls weiter. Ansonsten brauchen Sie das Produkt auf, kaufen Sie nächstes Mal was Besseres."

Der Selbsttest ist für die Verbraucher denkbar einfach: Die App ist kostenlos und kann im App- beziehungsweise im Playstore ganz einfach auf das Smartphone heruntergeladen werden.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 04.09.2018 | 07:50 Uhr

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