Schmerzmittel: Wie gefährlich ist Metamizol?

Stand: 03.03.2024 22:23 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Metamizol (auch bekannt als Novaminsulfon oder Novalgin) können in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen haben. Wie lassen sich Leberschäden oder eine Agranulozytose erkennen und behandeln?

Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Metamizol gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten in Deutschland - und das seit 100 Jahren. In Krankenhäusern und Altersheimen bekommen das Analgetikum (schmerzstillendes Mittel) über die Hälfte der Patientinnen und Patienten. Immer wieder gibt es allerdings Diskussionen um den Wirkstoff, denn als eine seltene, aber lebensgefährliche Nebenwirkung, kann eine sogenannte Agranulozytose auftreten. Dabei kommt es zu einer schweren Störung der Blutbildung. Darüber hinaus sind durch Metamizol Leberschäden bis hin zum Leberversagen eine mögliche Folge.

Metamizol wirkt bei akuten Schmerzen

Metamizol war bis 1987 in Deutschland rezeptfrei erhältlich. Aber aufgrund eines erhöhten Risikos einer Agranulozytose wurde eine Rezeptpflicht eingeführt, Kombinationspräparte ganz vom Markt genommen. Während Metamizol in den USA, England, Kanada und im skandinavischen Raum nicht auf dem Markt ist, ist es in Spanien oder Israel frei verkäuflich. Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Metamizol wirken vor allem gegen:

  • akute Schmerzen nach Operationen oder Verletzungen
  • Koliken
  • Tumorschmerzen
  • hohes Fieber, das durch andere Maßnahmen nicht gesenkt werden kann

Anders als Schmerzmittel aus der Wirkstoffgruppe der Nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac oder Ibuprofen wirkt Metamizol aber nicht bei Entzündungen. Metamizol wirkt in der Regel schnell und gilt als gut verträglich. Zudem gibt es verschiedene Möglichkeiten der Einnahme: als Film- oder Brausetablette, in Tropfenform, per Injektion oder Zäpfchen.

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Leberschaden nach Metamizol: Selten aber gefährlich

Vor der möglichen Gefahr einer Leberschädigung durch Metamizol wird offiziell seit Ende 2020 gewarnt (Rote Hand Brief). Der genaue Mechanismus der Schädigung ist noch nicht bekannt. Die Nebenwirkung ist selten, aber gefährlich. Es kommt zu Entzündungen von Leberzellen, teilweise sterben die Zellen ab. Im schlimmsten Falle droht ein lebensgefährliches akutes Leberversagen, so dass eine Lebertransplantation notwendig wird.

Symptome des Leberschadens

Ein möglicher Leberschaden durch Metamizol äußert sich wenige Tage bis einige Monate nach Behandlungsbeginn. Manchmal zeigt sich eine charakteristische Gelbfärbung der Haut und der Augen "Gelbsucht" (medizinisch Ikterus). Insgesamt sind die Symptome der Leberentzündung aber meist unspezifisch: Müdigkeit, Übelkeit, Schwäche. Um so wichtiger ist, dass bei der ärztlichen Verordnung über mögliche Anzeichen dieser schweren Nebenwirkung aufgeklärt wird. Patientinnen und Patienten sollten bei Verdacht ihren Arzt aufsuchen. Bei einer Blutuntersuchung würde dann eine Erhöhung der Leberenzyme auffallen. Die wichtigste Maßnahme ist dann das Absetzen des Medikaments, so dass die Leber eine Chance hat, sich zu erholen.

Agranulozytose verursacht Störung der Blutbildung

Bei der Einnahme des Wirkstoffs Metamizol kann in seltenen Fällen eine Agranulozytose auftreten. Der Körper bildet dann weniger weiße Blutkörperchen, die Anzahl der Granulozyten (Untergruppe der weißen Blutkörperchen) fällt stark ab. Die Folge: Es gibt kaum noch eine Immunabwehr - das kann unentdeckt lebensgefährlich sein.

Symptome einer Agranulozytose

Erste Anzeichen sind unspezifisch, erinnern an einen grippalen Infekt. Daher besteht die Gefahr, dass die richtige Diagnose zu spät gestellt wird. Typische Symptome einer Agranulozytose sind:

  • hohes Fieber
  • Halsschmerzen
  • Schluckbeschwerden
  • Abgeschlagenheit
  • allergische Reaktionen, besonders der Haut
  • Blutdruckabfall

Wer nach der Behandlung mit Metamizol unter solchen Beschwerden leidet, sollte einen Arzt aufsuchen. Die meisten Fälle treten laut einer Studie aus 2019 in den ersten 13 Tagen nach Therapiebeginn. Wurde bereits schon einmal mit Metamizol behandelt, kann der Zeitraum deutlich kürzer sein. Das Risiko steigt mit der Dauer der Einnahme und sinkt dann mit Abstand zur letzten Einnahme.

Therapie bei einer Agranulozytose: Antibiotika und Infusionen

Betroffene müssen die Therapie sofort unterbrechen und werden isoliert, um sie vor Infektionen zu schützen. Antibiotika und Infusionen sorgen dafür, dass sich die Granulozyten im Körper wieder aufbauen. In wenigen Tagen geht es den Patientinnen und Patienten in der Regel wieder gut.

Agranulozytose kann durch eine Art allergische Reaktion ausgelöst werden

Expertinnen und Experten vermuten, dass es zu einer Immunreaktion des Körpers aufgrund einer früheren Gabe von Metamizol - zum Beispiel bei einer vorherigen Operation - kommen kann und so eine Agranulozytose entstehen kann. Auch die zusätzliche Einnahme des Wirkstoffs Methotrexat ist laut einer Studie ein wichtiger Faktor für die Entstehung einer Agranulozytose. Es gehört zu den wichtigsten Mitteln gegen Krebserkrankungen und wird auch bei rheumatoider Arthritis, entzündlichen Darmerkrankungen oder Schuppenflechte eingesetzt. Daher ist es für die behandelnden Ärztinnen und Ärzten wichtig zu wissen, welche Schmerzmedikamente eine Patientin oder ein Patient früher schon einmal verschrieben bekommen hat.

Bei Diclofenac oder Ibuprofen größeres Risiko für starke Nebenwirkungen

Dennoch: Schmerztherapeutinnen und Schmerztherapeuten halten das Metamizol trotz der möglichen seltenen Nebenwirkung für ein wichtiges und gutes Schmerzmittel, weil es sehr effektiv wirkt und dabei gut verträglich ist. Sie weisen darauf hin, dass freiverkäufliche Schmerzmittel wie Diclofenac oder Ibuprofen ein größeres Risiko für starke Nebenwirkungen haben als Metamizol. Magenbluten, Nierenschäden oder Herzinfarkte treten viel häufiger auf. Vor allem die kardiovaskulären Risiken sind um ein Vielfaches höher.

Aufklärung vor der Gabe von Metamizol

Patientinnen und Patienten müssen bei der Verordnung von Metamizol gewissenhaft ärztlich überwacht werden. Wichtig ist die ausführliche und verständliche Aufklärung und Beratung - auch von Angehörigen. Und bei Entlassung muss der Arztbrief genaue Angaben zur Gabe von Metamizol enthalten.

Für alle Schmerzmittel gilt: Sie haben Nebenwirkungen. Daher ist es wichtig, sich genau beraten zu lassen, um sie zielgerichtet einzusetzen. Risiken und Nutzen müssen fachlich abgewägt und Therapien gegebenenfalls angepasst werden. Die Anwendung sollte möglichst über eine kurze Zeit erfolgen.

Experten zum Thema

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Hartmut Göbel, Schmerzklinik Kiel

Chefarzt
Facharzt für Neurologie, Spezielle Schmerztherapie, Psychotherapie, Diplom-Psychologe
Heikendorfer Weg 9-27
24149 Kiel

 

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NDR Fernsehen | Visite | 12.03.2024 20:15

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