Corona, RS-Virus und Influenza: Warum sind gerade alle krank?

Stand: 09.01.2023 09:49 Uhr

Mehr Menschen als sonst leiden derzeit an Influenza, Infektionen mit dem RS-Virus oder an Corona. Unser Immungedächtnis ist verblasst. Ob eine Corona-Erkrankung uns anfälliger für andere Viren macht, ist nicht belegt.

Durch Hygienemaßnahmen wie das Tragen von Masken und insgesamt weniger Kontakte haben sich in den vergangenen Jahren weniger Menschen mit Erregern wie Influenza, RS-Viren oder anderen saisonalen Erkältungsviren infiziert. Dadurch ist bei vielen Menschen das Immungedächtnis verblasst: Bestimmte Immunzellen, die Gedächtniszellen, merken sich nach einer Infektion das Aussehen von Krankheitserregern und sorgen bei der nächsten Ansteckung dafür, dass sehr schnell spezifische Abwehrstoffe gebildet werden. Allerdings brauchen diese Gedächtniszellen regelmäßige Updates durch erneuten Kontakt mit dem Erreger. Diese Updates haben in den letzten drei Jahren kaum stattgefunden.

Warum stecken sich im Moment so viele Menschen an?

Das Immunsystem hat gewissermaßen vergessen, wie es bestimmte Erreger bekämpfen kann. Und auch die Anzahl der Antikörper, die das Immunsystem während eines Virusinfekts bildet, nimmt im Lauf der Zeit ab. Das ist wohl der Grund, warum sich zur Zeit viele Menschen anstecken und teilweise auch heftiger erkranken als vor der Corona-Pandemie. Das Immunsystem muss sich erst wieder mit den Grippe- und Erkältungsviren auseinandersetzen, um dann in Zukunft durch passende Antikörper wieder effektiver reagieren zu können.

Ist der Körper nach Corona anfälliger für Infekte?

Bei manchen Viruserkrankungen ist das Immunsystem noch Monate nach einer akuten Infektion massiv geschwächt, wodurch es zu Folgeerkrankungen kommen kann. Masern etwa haben längerfristige Auswirkungen auf die T- und B-Zellen, die für unsere Immunabwehr verantwortlich sind. Dadurch ist nach einer Maserninfektion der Immunschutz gegen andere Erreger herabgesetzt. Es gibt allerdings bisher keine Hinweise darauf, dass eine überstandene Sars-CoV-2 Erkrankung ähnliche Folgen haben könnte.

Nach einer Infektion: Was hilft dem Immunsystem?

Unabhängig von einer Sars-CoV-2 Erkrankung gilt bei fast jedem heftigeren Infekt: Der Körper braucht einige Zeit, um nach der akuten Krankheitsphase wieder einen optimalen Immunstatus aufzubauen. Deshalb sollte man sich auch nach einer überstandenen Erkältung, Grippe, einer Infektion mit Corona oder RS-Viren noch einige Wochen schonen. Hilfreich ist es, stärkere körperliche Belastungen zu meiden und sich durch Hygienemaßnahmen wie das Masketragen noch eine Weile vor neuen Erregern zu schützen. Ansonsten schließt sich eine Infektion schnell an die nächste an.

Superinfektion: Weitere Krankheitserreger befallen den Körper

Weil der Körper noch geschwächt ist, verlaufen neue Infekte häufig mit heftigeren Symptomen und dauern länger an. Allgemeinmediziner beobachten zur Zeit vermehrt, dass Patientinnen und Patienten in der zweiten oder dritten Woche einer Virusinfektion zusätzlich noch eine Bronchitis oder eine Nasennebenhöhleninfektion entwickeln: eine bakterielle Superinfektion. Husten und Schnupfen wird man dabei über Wochen nicht los und durch eine Nasenneben- oder Stirnhöhleninfektion leidet man zusätzlich an Kopfschmerzen.

Bakterielle Superinfektion: Ursache und Therapie

Ursache für eine bakterielle Superinfektion sind kleine Risse in der Schleimhaut in Nase, Rachen oder Bronchien. Solche mikroskopisch kleinen Gewebeschäden können entstehen, weil die Schleimhäute durch den anfänglichen Virusinfekt über längere Zeit angeschwollen und entzündet waren. Bakterien können leichter durch die Schleimhaut eindringen und zu Entzündungen in Lunge und Nasennebenhöhlen führen. Da in diesem Prozess Bakterien für die zusätzlichen Entzündungsprozesse verantwortlich sind, hilft der Einsatz von Antibiotika.

Krankheiten vorbeugen: Wie lässt sich das Immunsystem stärken?

Einseitige Ernährung, wenig Schlaf und viel Stress schwächen das Immunsystem. Und umgekehrt gilt: Genug Schlaf, gesundes Essen und moderate Bewegung helfen, das Immunsystem fit zu halten. Darüber hinaus ist es sinnvoll, einen tatsächlichen Vitamin-D-Mangel durch die Einnahme von Vitamin-D-Tabletten zu beheben. Es gibt Hinweise, dass ein Mangel an Vitamin D zu einer erhöhten Infektanfälligkeit beiträgt. Doch Tabletten helfen nur, wenn tatsächlich ein Vitamin-D-Mangel vorliegt. Ist das nicht der Fall, hat die Einnahme von Vitamin D keinen Vorteil. Hilfreich für das Immunsystem sind auch Impfungen, etwa gegen Grippe, die die körpereigene Abwehr gezielt und dosiert trainieren, so dass der Körper sich bei der nächsten Ansteckung erfolgreich gegen spezielle Erreger wehren kann.

Die wichtigsten Aussagen im Überblick

Das Masketragen während der Corona-Pandemie hat unserem Immunsystem nicht geschadet. Richtig ist: Durch das Masketragen waren wir vor den Coronaviren gut geschützt - und auch vor anderen Erkältungs- und Grippeviren, die aerosol übertragen werden. Deshalb hatten in den vergangenen zwei Wintern nur wenige Menschen Erkältungen oder Grippe.

Das Immungedächtnis braucht bei bestimmten Viruserkrankungen, zu denen zum Beispiel auch Influenza und RSV gehören, regelmäßige „Updates“ - im Kontakt mit dem sich ja immer wieder leicht verändernden Erreger frischt es den Immunstatus auf und produziert frische, passende Antikörper. Dadurch, dass in den vergangenen zwei Jahren diese Auffrischung bei vielen von uns nicht stattgefunden hat, ist das spezifische Immungedächtnis gewissermaßen leicht verblasst. Das Immunsystem kann Ansteckung und Erkrankung nicht sofort effizient unterbinden. Das ist einer der Gründe, warum sich zur Zeit so viele Menschen mit Influenza, RSV und anderen Erkältungsviren infizieren und heftiger erkranken, als sie das aus früheren Erkältungssaisons gewöhnt sind. Das bedeutet aber keineswegs, dass unser Immunsystem nicht funktioniert oder beschädigt ist. Im Gegenteil: Es macht genau das, was es soll.

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