Stand: 05.05.2020 17:01 Uhr

Corona: Begünstigt Feinstaub schwere Covid-19-Verläufe?

Röntgenaufnahme einer Lunge © colourbox Foto: Bunyos
Zu viel Staub führt in der Lunge zu Entzündungen, vermehrtem Schleim und verengten Atemwegen.

An den Folgen von Luftverschmutzung sind im Jahr 2015 weltweit 8,8 Millionen Menschen vorzeitig gestorben, mehr als an den Folgen des Rauchens (7,2 Millionen). Damit ist die hohe Feinstaubbelastung nach einer Studie der Universitätsmedizin und des Max-Planck-Instituts in Mainz ein größeres Gesundheitsrisiko als bisher angenommen. Und jetzt verdichten sich die Hinweise, dass Luftverschmutzung auch zu mehr tödlichen Verläufen der vom neuen Coronavirus ausgelösten Krankheit Covid-19 führt.

Einfluss von Stickoxid auf tödliche Covid-19-Verläufe

Obwohl Sars-CoV-2 weltweit wütet, ist die Zahl der Todesopfer regional sehr unterschiedlich. Geowissenschaftler der Uni Halle haben nun einen möglichen Zusammenhang entdeckt: Vor allem in Regionen mit starker Luftverschmutzung sterben besonders viele Menschen an Covid-19. Während die meisten Forscher die Ursache in Vorerkrankungen der Betroffenen suchten, betrachteten die Geowissenschaftler die Umweltfaktoren und werteten dafür Daten des ESA-Satelliten Sentinel 5 aus Januar und Februar aus, die sie mit Todesraten durch Covid-19 verglichen. Das Ergebnis: Dort, wo besonders viel Stickoxid gemessen wurde, fordert die Krankheit auch mehr Todesopfer.

Feinstaub: Je feiner, desto gefährlicher

Stickoxid entsteht dort, wo auch andere Luftverschmutzungen wie Feinstaub entstehen. Zu den Hauptverursachern gehören Industrie, Landwirtschaft, Straßen- und Schiffsverkehr. Feinstäube haben eine Größe von 0,1 bis 10 Mikrometern und entsprechen damit der Größe von Viruspartikeln. Zum Vergleich: Ein rotes Blutkörperchen hat einen Durchmesser von etwa 7,5 Mikrometern. Feinstaub ist also umso gefährlicher, je kleiner die Körnergröße ist. Die Staubteilchen gelangen mit der Atemluft in den Körper, wobei größere Teilchen in den Atemwegen von kleinen Härchen und Schleim abgefangen werden. Kleinere Staubpartikel gelangen dagegen bis tief in die Lunge.

Feinstaub: Diese Grenzwerte gelten

Feinstaub wird - abhängig von der Partikelgröße - in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt:

  • PM10 (particulate matter10) steht für Partikel mit einem maximalen Durchmesser von zehn Mikrometer
  • PM2,5 ist die Bezeichnung für Partikel mit einem Durchmesser von maximal 2,5 Mikrometer
  • PM0,1 sind ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 Mikrometer.
Für die Feinstaubfraktion PM10 gelten laut dem Umweltbundesamt derzeit 40 Mikrogramm pro Quadratmeter Luft als zulässiger Jahresmittelwert. Für die noch kleineren Partikel PM2,5 gilt ein Grenzwert im Jahresmittel von 25 Mikrogramm pro Quadratmeter Luft.

Folgen für Lunge, Herz und Gefäße

Zu viel Staub führt in der Lunge zu Entzündungen, vermehrtem Schleim und verengten Atemwegen. Es kommt zu einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Aber nicht nur Lungenerkrankungen, sondern auch Schlaganfälle und Herzinfarkte treten in feinstaubbelasteten Gebieten häufiger auf. Ultrafeine Staubpartikel treten aus der Lunge in die Blutbahn über und gelangen so in den gesamten Organismus. Sie führen zu Entzündungen der inneren Gefäßwand (Endothel), die langfristig das Bild von Gefäßverkalkung erzeugen. Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt und Schlaganfall können so letztlich durch Feinstaub ausgelöst werden.

Greift Sars-CoV-2 die inneren Gefäßwände an?

Studien legen jetzt nahe, dass auch die Sars-CoV-2-Viren das Endothel angreifen und dort akute Entzündungen verursachen, die letztlich zum Versagen des Herzens oder anderer Organe führen können. Bei Menschen, die zum Beispiel in der Landwirtschaft oder in der Industrie über Jahrzehnte hohe Luftverschmutzung aushalten mussten und dadurch bereits ein schwer verändertes Gefäßsystem haben, ist somit bei einer weiteren Schädigung der Gefäße durch das Virus mit einer deutlich erhöhten Sterblichkeit zu rechnen.

Umweltschützer fordern geringeren Feinstaub-Grenzwert

Experten fürchten, dass sich die hohe Luftverschmutzung der vergangenen Jahre rächen und viele Menschen anfällig für schwere Covid-19-Verläufe machen könnte. Darauf deutet nicht nur die aktuelle geowissenschaftliche Studie aus Halle hin, denn auch bei dem ersten Sars-Coronavirus 2003 war die Sterblichkeit in Regionen mit hoher Luftverschmutzung höher. Um die Gefahr durch die Luftverschmutzung zu begrenzen, fordern Umweltschützer eine Verringerung des Feinstaub-Grenzwertes in Deutschland von derzeit 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf den von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegten Höchstwert von 10 Mikrogramm.

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Experten zum Thema

Dr. Yaron Ogen, Geowissenschaftler
Institut für Geowissenschaften und Geographie
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU)
Universitätsplatz 8/9
06108 Halle
www.geo.uni-halle.de

Univ.-Prof. Dr. Thomas Münzel, Direktor
Kardiologie I am Zentrum für Kardiologie
Universitätsmedizin Mainz
Langenbeckstraße 1
55131 Mainz
www.unimedizin-mainz.de/kardiologie-1

Sönke Diesener, Geograph M.Sc.
Referent für Umweltpolitik, Umweltschutz im Hafen, Verkehr und Luftreinhaltung
NABU Hamburg
Klaus-Groth-Straße 21
20535 Hamburg
www.hamburg.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/klimaschutz

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Visite | 05.05.2020 | 20:15 Uhr

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