Cholesterin senken über Mikrobiom im Darm

Stand: 17.07.2023 14:12 Uhr

Propionsäure hat nach aktuellen Erkenntnissen einen positiven Effekt auf das LDL-Cholesterin. Die Cholesterinaufnahme im Darm wird gesenkt.

Was wir essen, landet im Darm und wird von den Darmbakterien verstoffwechselt - und das hat Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Denn die Darmbakterien, das sogenannte Mikrobiom, beeinflussen viele Abläufe in unserem Körper. Nach neuen Erkenntnissen gilt das auch für den Cholesterinspiegel. Ist das LDL-Cholesterin erhöht, steigt das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Viele Erkrankungen gehen mit verändertem Mikrobiom einher

Das Darmmikrobiom, umgangssprachlich auch Darmflora genannt, ist bei jedem Menschen individuell zusammengesetzt und so einzigartig wie ein Fingerabdruck. In den einzelnen Abschnitten des Verdauungstrakts (vom Mund bis zum After) - mit Ausnahme des Magens - tummeln sich verschiedene Arten. Die größte Vielfalt konnte im Dickdarm nachgewiesen werden. Bakterien machen einen großen Teil aus, auch Viren und Pilze sind vorhanden, weitere Arten sind noch nicht identifiziert. Ein gesundes Mikrobiom hat eine hohe Artenvielfalt, die Menge einzelner Arten scheint dabei eine nicht so große Rolle zu spielen.

Zudem gibt es eine enge Verbindung zwischen Gehirn und Darm. Über elektrische Impulse "sprechen" die beiden Bereiche miteinander. Auch Haut, Lunge oder Mundhöhle haben eigene Mikrobiome. In vielen Untersuchungen in den vergangenen Jahren haben Forscher und Forscherinnen Hinweise darauf gefunden, dass unterschiedliche Erkrankungen mit einem veränderten Mikrobiom einhergehen:

Klar ist den Forscherinnern und Forschern aber noch nicht, ob das veränderte Mikrobiom Folge oder Ursache der Erkrankungen ist.

 

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Mikrobiom: Stuhltest nicht ratsam

Von Stuhltests, die zum Beispiel im Internet angeboten werden, um das Mikrobiom zu analysieren, raten Expertinnen und Experten ab. Denn noch fehlen Erkenntnisse, wie das optimale Mikrobiom des Einzelnen aussieht. So fehlt das Wissen, wie es gezielt und individuell verbessert werden könnte. Darum gibt es auch keine individuellen Empfehlungen für Nahrungsergänzungsmittel.

LDL-Cholesterin durch richtige Ernährung positiv beeinflussen

Klar ist: Durch die Ernährung lässt sich die Darmflora beeinflussen. Ernährt sich zum Beispiel ein Fleischesser plötzlich vegan, verändert sich das Mikrobiom innerhalb von 72 Stunden komplett und stellt sich auf die neue Ernährung ein. Das zeigt eine Studie aus dem Jahr 2019.

Denn die Nahrung hat Einfluss darauf, welche Bakterien sich vermehren und welche nicht. Beispielsweise reduziert Salz die "guten" Milchsäurebakterien, sodass eine salzarme Ernährung ein gesundes Mikrobiom fördern kann. In einer Studie wurde dies bereits 2017 nachgewiesen. Auch Emulgatoren und viel Fett tun der Darmflora nicht gut. Ernährungsmediziner raten von Fertigprodukten mit vielen Konservierungsstoffen sowie einer Ernährung mit zu viel tierischen Fetten sowie Transfetten ab.

Ballaststoffreiche Kost gut für das Mikrobiom

Besonders gut scheint eine gesunde, ballaststoffreiche Kost für das Mikrobiom zu sein. Zucker und Fertiggerichte wirken sich dagegen negativ aus. Bei einem erhöhten Cholesterinwert kann eine Ernährungsumstellung helfen. Dabei steht die Mittelmeerkost im Mittelpunkt. Besonders frisches Gemüse spielt eine entscheidende Rolle, denn die enthaltenen Ballaststoffe senken das schlechte LDL-Cholesterin.

Empfohlen werden für Erwachsene mindestens 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag, besser sogar 40 Gramm. Der durchschnittliche Verzehr in Deutschland liegt bei unter 22 Gramm. Wie viel Gemüse und Vollkornprodukte Betroffene essen müssen, um das LDL-Cholesterin dauerhaft und effektiv zu senken, ist noch nicht abschließend wissenschaftlich geklärt.

Propionsäure senkt LDL-Cholesterin

Verantwortlich für die cholesterinsenkende Wirkung der Ballaststoffe ist Propionsäure. Diese Fettsäure produzieren die Darmbakterien, wenn sie Ballaststoffe verdauen. Die Erkenntnis, dass Propionsäure Einfluss auf den Cholesterinspiegel hat, ist ein Zufallsbefund. In einer Studie nahmen Patienten und Patientinnen mit Multipler Sklerose Propionsäure als Präparat ein. Ziel war es, zu untersuchen, ob sich Propionsäure positiv auf Multiple Sklerose auswirkt. Dabei machten die Experten und Expertinnen die Entdeckung: Propionsäure verbessert den LDL-Cholesterinwert über einen langen Zeitraum. Eine weitere kardiologische Studie bestätigte den ersten Befund.

Ballaststoffreiche Ernährung: Darm produziert Propionsäure

Experimente haben dann gezeigt, dass Propionsäure die Cholesterinaufnahme im Darm direkt senkt, die Cholesterinaufnahme wird herunterreguliert. Die "bösen" Fette werden durch die Propionsäure sozusagen direkt im Darm abgefangen. Da der Darm bei ballaststoffreicher Ernährung Propionsäure selbst produziert, funktioniert auch eine Ernährungsumstellung ähnlich.

LDL-Cholesterinwert senken durch Ernährung

Jeder Mensch hat einen individuellen, angeborenen Cholesterinwert. Aber mit einer ballaststoffreichen Ernährung kann der LDL-Cholesterinwert um 10 bis 15 Prozent gesenkt werden. Je höher der Ausgangswert ist, desto größer ist der potentielle positive Einfluss der Ernährung. Und eine gesunde Ernährung sorgt dafür, dass der Darm gesund bleibt - so kann gegen steigende LDL-Cholesterinwerte auch vorgebeugt werden.

Ist der Cholesterinwert allerdings viel zu hoch und es bestehen bereits Folgeschäden wie koronare Herzerkrankung, Schlaganfall, Arteriosklerose oder Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), ist eine Einnahme von Cholesterinsenkern nötig. Die Wirksamkeit der Statine kann durch gesunde Kost aber gesteigert werden.

 

Das Mikrobiom im Darm

Mikroorganismen besiedeln in unterschiedlicher Dichte fast alle unsere äußeren und inneren Oberflächen des Körpers und machen etwa zwei Kilogramm unseres Gewichts aus. 99 Prozent dieser Mikroben leben im Verdauungstrakt. Das gesunde Mikrobiom des Darms umfasst dabei etwa 100 Billionen Bakterien, bildet mehr als 90 Prozent der Stuhlmasse und enthält 2 bis 20 Millionen Gene. Zum Vergleich: Das menschliche Genom besteht insgesamt aus „nur“ 22.000 Genen. (Quelle: Peter Layer, Viola Andresen)

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Visite | 18.07.2023 | 20:15 Uhr

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