Ärzte in Sorge vor neuen gefährlichen Keimen

Anfang Januar lud das Klinikum Stuttgart zu einer Pressekonferenz. Der Anlass: In der Intensivstation des Krankenhauses Bad Cannstatt wurde ein gefährlicher Keim nachgewiesen - ein Bakterium, gegen das fast kein Antibiotikum mehr hilft. Fünf Patienten seien mit dem multi-resistenten Erreger besiedelt, teilte das Klinikum mit. Einer von ihnen starb kurz darauf - allerdings an einer anderen Erkrankung, nicht an dem Keim, betont die Klinik-Leitung. Auch bei den anderen Betroffenen würden sich noch keine Anzeichen einer Erkrankung aufgrund des Keims zeigen. Sie wurden sicherheitshalber in andere Krankenhäuser verlegt. Außerdem seien weitere Schutzmaßnahmen getroffen worden, um eine Ausbreitung zu verhindern.
Mehrere Todesfälle bei Ausbruch in Kiel
Experten fürchten allerdings, dass sich der Keim dennoch weiter ausbreiten könnte. Denn es ist extrem schwierig, einen solchen Ausbruch in den Griff zu bekommen. Das zeigen Beispiele aus den vergangenen Jahren - etwa am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. In Kiel hatte Ende 2014 ein Patient 30 weitere angesteckt. 19 von ihnen starben. Bei 16 Patienten sei die Todesursache eine andere Erkrankung gewesen, bei den drei anderen könne ein Zusammenhang mit den Keimen nicht ausgeschlossen werden, sagt das Klinikum. Die Staatsanwaltschaft in Kiel ermittelt derzeit noch und überprüft die Todesursachen.
Klar ist, der Ausbruch hat viel Geld gekostet - nach Angaben der Klinik etwa sechs Millionen Euro. Als Konsequenz wurden unter anderem zwölf neue Einzelzimmer in der Intensivstation gebaut, um künftig Betroffene komplett isolieren zu können.
Tausende sterben an multiresistenten Erregern
Insgesamt sterben Schätzungen zufolge mehrere Tausend Patienten jedes Jahr in Deutschland an multiresistenten Erregern, mit denen sie sich in Krankenhäusern infiziert haben. Die bekanntesten multi-resistenten Bakterien sind die sogenannten MRSA.
Bei den Erregern, die sowohl in Kiel als auch in Stuttgart nachgewiesen wurden, handelt es sich jedoch um extrem resistente Acinetobacter baumannii. Sie gehören zur Gruppe der sogenannten Gram-negativen Bakterien. Diese können zu verschiedenen Erkrankungen führen - etwa zu einer Lungenentzündung, einer Wundinfektionen oder einer lebensbedrohlichen "Blutvergiftung" (Sepsis).
Für gesunde Menschen unproblematisch
Solche Bakterien kommen fast überall vor. Auch in und auf vielen Menschen sind sie zu finden - meist aber, ohne dass irgendwelche Symptome zu erkennen sind. Man spricht dann von einer Besiedlung, die für gesunde Menschen unproblematisch ist. Für kranke, immungeschwächte Patienten können die Erreger allerdings lebensgefährlich werden.
Und eine wachsende Zahl dieser Bakterien ist mittlerweile gegen fast alle zur Verfügung stehen Medikament resistent. Experten bezeichnen diese Bakterien als MRGN. MR bedeutet Multi-Resistent und GN steht für "Gram-negativ". In vielen Ländern - wie Indien, Griechenland oder Italien - sind diese extrem resistenten Bakterien bereits weit verbreitet.
Bakterien entwickeln Abwehrmechanismen gegen Antibiotika
Für die Behandlung der betroffenen Patienten bleiben nur noch ein oder zwei Mittel übrig. Manche Patienten reagieren allerdings allergisch auf diese Medikamente. Außerdem besteht bei jedem Einsatz eines Antibiotikums das Risiko, dass die Bakterien auch gegen dieses Mittel Abwehreigenschaften entwickeln.
Vereinzelt sind schon Fälle aufgetaucht, bei denen das letzte verbleibende Antibiotikum keine Wirkung mehr zeigte - wie kürzlich in den USA. Dort war eine Frau mit einem MRGN-Erreger infiziert. Ihre Ärzte setzten alle 26 zur Verfügung stehenden Antibiotika ein - aber keines schlug an. Die Frau starb.
