Levickis und Lazarova eröffneten die Festspiele MV
Die NDR Radiophilharmonie und Akkordeonist Martynas Levickis spielten unter der Leitung der bulgarischen Dirigentin Delyana Lazarova in der Konzertkirche Neubrandenburg.
Am Sonnabend, 17. Juni 2023, um 18 Uhr eröffnete der litauische Akkordeon-Star Martynas Levickis als Preisträger in Residence den diesjährigen Festspielsommer MV. Seine künstlerische Residenz war bereits für das Jahr 2020 geplant - und konnte nun endlich stattfinden, erzählte Festivalintendantin Ursula Haselböck bei der Eröffnung.
Die NDR Radiophilharmonie trat zunächst mit Maurice Ravels "Le Tombeau de Couperin" auf - unter der Leitung der bulgarischen Dirigentin Delyana Lazarova. Anschließend präsentierten die Musiker*innen George Gershwins "Rhapsody in Blue" in einer von Levickis eigens arrangierten, spektakulären Fassung für Akkordeon und Orchester - für die es vom Publikum tosenden Applaus und Standing Ovations gab.
Für den Einstieg in die zweite Hälfte des Konzerts hatte die 33-jährige Dirigentin zeitgenössische Musik gewählt: "Entre'acte" der amerikanischen Komponistin, Geigerin, Sängerin - und Pulitzer-Preisträger (2013) - Caroline Shaw. Zum Abschluss des Abends spielte die NDR Radiophilharmonie Strawinskys "Feuervogel"-Suite.
"Le Tombeau de Couperin" - eine Trauermusik mit viel Esprit
Als "Tombeau" bezeichneten französische Komponisten des Barock eine Trauermusik für einen verstorbenen Kollegen. Seinem Landsmann François Couperin widmete einige Jahrhunderte später Maurice Ravel mit seinem "Tombeau de Couperin" eine durchaus vital tönende Suite. In Ravel-typischer Manier wird hier virtuos-spielerisch mit barocken Formen experimentiert. Ab 1914 komponierte Ravel dieses ursprünglich für Klavier konzipierte Stück, das dann letztendlich auch zu einem Symbol der gegenwärtigen Trauer wurde: Ravel widmete die einzelnen Sätze den Soldaten aus seinem Freundeskreis, die im 1. Weltkrieg fielen.
Mit Akkordeon: Gershwins "Rhapsody in Blue" mal anders
Natürlich ist George Gershwins "Rhapsody in Blue" in erster Linie ein Klavierstück. Gershwin selbst erstellte ja zunächst eine Klavierfassung des Werks, die dann von Ferde Gorfé instrumentiert wurde. Musikgeschichtliche Bedeutung aber gewann es durch seinen Stilmix aus Spätromantik und Jazz, aus Alter und Neuer Welt. Und genau diese Grenzüberschreitung dürfte Martynas Levickis zu seiner Bearbeitung gereizt haben. Schließlich ist auch sein Instrument, das Akkordeon, auf keine Epoche und keinen Stil festgelegt. Levickis' Repertoire reicht von Vivaldis "Vier Jahreszeiten" bis Lady Gaga, von Beethoven bis Piazzolla. Diese Vielseitigkeit brachte ihm 2010 den Sieg bei der Akkordeon-Weltmeisterschaft ein und drei Jahre später einen Exklusivvertrag bei Decca - als erstem Akkordeonisten überhaupt.
Die zeitgenössische Komponistin Caroline Shaw fokussiert Haydn
Werke der amerikanischen Komponistin, Geigerin, Sängerin - und Pulitzer-Preisträger (2013) - Caroline Shaw hat die Dirigentin Delyana Lazarova schon des Öfteren auf die Bühne gebracht. In ihrer Musik gibt Shaw, Jahrgang 1982, ganz unterschiedlichen künstlerischen Genres Raum und Klang. So arbeitet sie beispielsweise auch mit Tänzer*innen und Rappern zusammen. Die Inspirationsquelle für ihr Stück Entre'acte war allerdings Joseph Haydns letztes Streichquartett op. 77 Nr. 2. Shaw hält sich deutlich hörbar an die Musik Haydns und schafft von dort aus ihre eigenen "subtilen Übergänge" in die musikalische Sprache des 21. Jahrhunderts. Die Komponistin dazu:
"Haydns Stück ist wie ein Menuett mit Trio aufgebaut und greift diese klassische Form auf, führt sie aber noch ein wenig weiter. Ich liebe die Art und Weise, wie manche Musik (wie dieses Menuett) einen plötzlich auf die andere Seite des Spiegels von Alice [im Wunderland] bringt, in einer Art absurdem, subtilem, farbigem Übergang."
Einfach atemberaubend: Strawinskys "Feuervogel"-Musik
Die Kraft der Magie durchströmt Strawinskys "Feuervogel" von den mystisch-dumpfen ersten Tönen bis in die energetischen, erhaben strahlenden Schlusstakte. Mit fein gezeichneten Melodien einerseits und kraftvollen Pinselstrichen aus grell-bunten Klangfarben andererseits erzählt Strawinsky das altrussische Märchen vom edlen Iwan Zarewitsch und dem böse Zauberer Kastschei, der hübsche Prinzessinnen gefangen hält. Und über dieser Welt aus Gut und Böse schwebt glitzernd-glühend der erlösende Feuervogel. Diese später zur Suite zusammengestellte Ballettmusik katapultierte den jungen Strawinsky 1910 ins Licht der Öffentlichkeit. Mit der perkussiv-motorischen Rhythmik des "Feuervogels" lag auch schon der nächste Coup Strawinskys in der Luft: Das Jahrhundertwerk "Le Sacre du Printemps" entstand drei Jahre nach dem "Feuervogel".