Stand: 17.11.2014 10:07 Uhr

Berufsbild: Professioneller Chorsänger

von Chantal Nastasi

Wie arbeitet eigentlich ein professioneller Rundfunkchor? Gerade für Musikstudenten ist das eine spannende Frage. Denn wie es nach dem Studium für sie weitergeht, hängt von vielen Faktoren ab. Was das Berufsbild "Sänger" alles beinhaltet, entdecken viele erst nach und nach. Im Studium konzentrieren sich die angehenden Profis und ihre Lehrer häufig auf das Ausbilden der Stimme für eine Solokarriere, die aber nur den wenigsten offensteht. Seminare für Chorsingen werden nur an wenigen Musikhochschulen angeboten, ganz im Gegensatz zu den Unterrichtseinheiten für Streicher und Bläser, die schon während des Studiums auf Orchesterprobespiele vorbereitet werden.

Workshop für angehende Profisänger

Für angehende Profisänger hat der NDR Chor daher in Hamburg einen Workshop initiiert, der vorige Woche in Kooperation mit den Musikhochschulen Hamburg und Lübeck stattfand. Innerhalb von drei Tagen erarbeitete der NDR Chor gemeinsam mit den Studenten ein Programm, das am Freitagabend in der Musikhochschule Lübeck aufgeführt wurde.

Lernen von den Profis

"Ich finde es spannend, wie viel von vornherein erwartet wird. Ich hatte mich natürlich vorbereitet, die anderen auch, wir hatten das drauf. Aber von anderen Chören kenne ich es, dass da viel mehr auch noch mal nachgespielt wird", erzählt Sophie Reuter. Sie studiert in Hamburg und hat gerade ihr fünftes Semester begonnen. "Hier ist es sehr professionell, dadurch geht's schnell voran, das Arbeitstempo ist hoch - für uns zumindest. Meine Professorin sagte mir auch: 'Setz dich neben die Profis, dann kannst du von ihnen lernen.'"

Einige Mitglieder des NDR Chors sind mit dabei und haben sich unter die jungen Teilnehmer gemischt. Letztere sind meist Studenten, die sich im Vorfeld durch ein Vorsingen für den Workshop qualifiziert hatten. Wie Marlen Korf von der Hamburger Musikhochschule: "Für uns alle ist das eine Riesenbereicherung, weil man sich sonst nur auf seine eigene Stimme konzentriert, auf Klangentwicklung, auf Volumen." Marlen ist sehr angetan von der "feingliedrigen Arbeit", wie sie es nennt. "Miteinander singen, Intonation und auch noch mal ganz anders den Atem dosieren, als wenn man allein singt. Natürlich produziert man nach wie vor seinen eigenen bestmöglichen Ton, aber angepasst an das Gesamtgefüge, an den Bass angeglichen, an die Harmonie, an die Dynamik. Das sind ganz andere Herausforderungen als im Sologesang."

Besondere Anforderungen: nicht jede solistische Stimme passt in einen Chor

Michael Gläser leitete den Workshop. Er hat viel Erfahrung in der Arbeit mit jungen Sängern, war selbst Mitglied im Leipziger Thomanerchor und ist seit 1994 Professor für Chordirigieren an der Münchner Musikhochschule. "Eine große Wagner-Stimme würde nie in einen Chor hineinpassen. Aber es gibt auch etliche, die beides können: die eine solistisch gut ausgebildete Stimme haben und trotzdem eine Palestrina- oder eine Bach-Motette singen können."

Augen zum Dirigenten: Michael Gläser versammelt Profisänger und Studierende für diesen Workshop in einem Chor © NDR Foto: Chantal Nastasi
Allenfalls 10 bis 15 Prozent der Studierenden werden später als Solisten auf den Bühnen der Welt stehen.

Es sei überaus wichtig, jungen Sängern die vielen Möglichkeiten aufzuzeigen, ihre Stimme einsetzen können, sagt Gläser. Und das Berufsbild des Chorsängers attraktiver zu machen. "Wir nehmen in München zum Beispiel 70-80 Sänger pro Jahr auf. Wie viele sehen wir am Ende als Solisten auf der Bühne? Das sind, wenn's hoch kommt, zehn, wenn überhaupt. Und was machen die anderen? Es ist wichtig, dass man den Beruf öffnet und den professionellen Chorgesang auch ernst nimmt."

Große stilistische Vielseitigkeit als Voraussetzung

Intensiv probte Michael Gläser im Studio E der Hamburger Laeiszhalle. Immer wieder ließ er die Sänger auch ohne Text singen, auf Nü-nü-nü, damit sie sich ganz auf Tonhöhe und Klang konzentrieren können. Bewusst hatte Michael Gläser Stücke ausgesucht, die "anspruchsvoll, aber dennoch gut machbar" sind in der Kürze der Zeit, Werke von der Renaissance über Romantik bis ins 20. Jahrhundert. "Man kann einmal hautnah erleben, wie schwierig es auch sein kann, im Ensemble zu singen, und dass man eben jede stilistische Art beherrschen muss, um in so einem Profichor singen zu können."

Das gemeinsam erarbeitete Programm war am Freitagabend zu erleben bei einem Konzert von Michael Gläser, dem NDR Chor und den Workshop-Teilnehmern im Großen Saal der Lübecker Musikhochschule.

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Hände halten Notenheft © NDR Foto: Michael Müller

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