Ensemble-Foto der NDR Bigband 2022 © Yvonne Schmedemann Foto: Yvonne Schmedemann

Musikfest ION & NDR Bigband: Ein neues Werk für einen neuen Frieden

Der norwegische Komponist und Chefdirigent der NDR Bigband Geir Lysne hat auf Grundlage ausgewählter Schüler:innengedichte ein Werk für die NDR Bigband und Chor komponiert. Die Uraufführung findet am 2. Juli beim fulminanten Finale des ION Festivals 2023 statt.

Gedichte für den Frieden

Die in dem Werk vertonten Gedichte entstanden im Rahmen eines Schreibwettbewerbs der NDR Bigband. Es gab weit über 100 Einsendungen, von denen vier Gedichte für das neue Werk von Geir Lysne ausgewählt wurden. Es sind ergreifende Beispiele für eine neue Generation Friedenssuchender voller Leidenschaft und Enthusiasmus, voller Verletzlichkeit und imponierender Zuversicht.

Und auch wenn eine friedvolle Weltgemeinschaft derzeit unendlich weit entfernt scheint, sollten wir alle immer wieder voller Hoffnung kraftvoll in diese unsere Welt treten und ganz unmittelbar und direkt beginnen, den Frieden zu suchen. Wie die 14-jährige Carla in ihrem Gedicht schreibt: "Darum stimmt mit ein. An jedem Ort." Fangen wir an. Am besten heute.

Frieden – an jedem Ort!

Frieden ist das,
was Hass überwindet,
neue Wege findet,
ein Lächeln, ein Blick, ein Wort
an jedem Ort.

Nicht schweigen,
Interesse zeigen.
Jeder kann es wagen,
mit beizutragen,
an jedem Ort.

Denn keiner kann allein
Friedensbote sein.
Darum stimmt mit ein,
an jedem Ort. Carla Fohrholz (14 Jahre) aus Hildesheim

72. Musikfest ION
So, 02.07.2023 | 19 Uhr                                          
Nürnberg, St. Sebald (Sebalder Platz)                

Messe für Orgel, Bigband und Chor
(Uraufführung)


Florian Weber Orgel
Vokalensemble St. Lorenz
Geir Lysne Komposition & Leitung
NDR Bigband

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Wunsch nach Frieden ist universell

Frieden lautet das große Sehnsuchtswort unserer Zeit. Unserer Zeit? Fast scheint es, dass der Wunsch nach Frieden, nach dem Ende von Krieg, Streit und Gewalt ein existentieller Begleiter unseres Menschseins ist. Zu allen Zeiten und in allen Winkeln dieser Welt gab und gibt es den Ruf nach Frieden. Und in unzähligen Variationen hallt dieses Wort durch Kirchen und Säle, über Marktplätze und Theaterbühnen, wurde es im engsten Familienkreis einander zugeraunt oder auf großen Kundgebungen skandiert: Frieden!

Dieses Wort wurde zitternd in Notizbücher gekritzelt, in Briefen um die Welt geschickt, in Bildern, Gedichten und Romanen verarbeitet. Und in Noten geformt. Als Musik dringt dieses Wort durch die Jahrhunderte an unser Ohr. Will uns berühren und bewegen.

Nürnberg als Friedensort

Auch im Konzert in St. Sebald, im Herzen Nürnbergs. In Nürnberg, dieser Stadt der Brüche, diesem Ort, an dem Menschenverachtung in großen Inszenierungen zur Schau gestellt wurde und auf den nach 1945 dann die Weltgemeinschaft blickte, als es darum ging, Taten und Täter juristisch aufzuarbeiten. Heute ist es eine Stadt der Menschenrechte, der gelebten kulturellen Vielfalt. Und mittendrin gibt es mit dem Musikfest ION ein Festival, dass 1951 im Geist der Versöhnung in den Trümmern der Stadt gegründet wurde.

Nächtlicher Blick auf die Kirche St. Sebald in Nürnberg © picture alliance/dpa | Daniel Karmann
Das Abschlusskonzert des ION-Festivals findet in der Kirche St. Sebald statt.

Nürnberg als Friedensort? Das gab es schon einmal. Dafür müssen wir zurückgehen auf den 25. September 1649 - es war ein Samstag. Von 1618 bis 1648 wütete in weiten Teilen Europas der Dreißigjährige Krieg, einer der verheerendsten Kriege in der europäischen Geschichte. Und am Ende, dem geschätzte sechs Millionen Tote durch Mord, Seuchen und Hungersnöte vorausgingen - das war etwa ein Drittel der gesamten europäischen Bevölkerung - am Ende also glich Europa einer Narbenlandschaft. Aber nicht überall. Dank einer geschickten Diplomatie war Nürnberg von den Verwüstungen dieses blutigen Religionskrieges weitgehend verschont geblieben. Und wurde nun zum entscheidenden politischen Schauplatz für die Zukunft Europas. Moment - es heißt doch Westfälischer Friede und nicht Nürnberger Friede. Das kam so.

Großer Kongress mit Diplomaten in Nürnberg ab 1649

Am 24. Oktober 1648 hatte der Dreißigjährige Krieg durch die Verträge von Münster und Osnabrück, die zwischen dem Deutschen Reich, Frankreich und Schweden geschlossen wurden, sein Ende gefunden. Das war der sogenannte "Westfälische Friede". Aber der regelte, salopp gesagt, nur das große Ganze. Er war die Über- und Unterschrift für das neue Kapitel der Geschichte. Aber die Zeilen dazwischen und ganz zu schweigen vom Kleingedruckten - das war noch gar nicht besprochen. Ein riesen Berg Unerledigtes türmte sich auf. Zahlreiche Einzelprobleme und Fragen der konkreten Umsetzung mussten geklärt werden. Und so sehr, wie die kriegserhitzten Gemüter noch glühten, war Eile geboten.

Ein großer Diplomatenkongress wurde einberufen, der von Mai 1649 bis Juli 1650 in Nürnberg tagte. Die Repräsentanten des Kaisers, Schwedens und Frankreichs, aber auch zahlreicher deutscher Territorien verhandelten hier Probleme der Demobilmachung und des Truppenabzugs aus den Kriegsgebieten. Am Ende wurden starke Beschlüsse gefasst, die als sogenannte zwei "Friedens-Exekutions-Haupt-Rezesse" eine Fortsetzung und Verstärkung des Westfälischen Friedens waren. Auch diese Nürnberger Beschlüsse waren "ein gegebenes Fundamentalgesetz des Heil(igen) Reiches und immerwährende Richtschnur". Sie sollten für "ewige norm iudicandi stet, fest und unverbrüchlich gehalten" werden.
Die Zwischenergebnisse wurden mit einem festlichen Bankett gefeiert.

So gab Pfalzgraf Karl Gustav von Zweibrücken, der Vertreter und spätere König Schwedens, am 25. September 1649 ein Fest, das als "Nürnberger Friedensmahl" in die Geschichte einging. Im festlich geschmückten Nürnberger Rathaussaal versammelten sich die Abgesandten der verhandlungsführenden Parteien an einer reich gedeckten Tafel, um Einigkeit und neuentstandene Freundschaft zu demonstrieren. Mit seiner Friedensbotschaft ist dieses symbolträchtige Ereignis als Zeichen der Hoffnung für eine nun beginnende bessere Periode deutscher und europäischer Geschichte zu verstehen.

Neues Werk als weiterer Mosaikstein der Musikgeschichte

Hier und heute essen wir nicht gemeinsam. Aber die NDR Bigband fügt der Musikgeschichte des Friedens einen weiteren Mosaikstein hinzu. 375 Jahre nach dem Westfälischen Frieden entstand ein neues Werk für einen neuen Frieden, geschrieben vom norwegischen Komponisten und Jazz-Musiker Geir Lysne. Er schrieb es für "seine" NDR Bigband, Chor und Kirchenorgel. Geir Lysne hat für die Uraufführung im Sommer 2023 beim Musikfest ION in der Kirche St. Sebald in Nürnberg eine ganz eigene Klangsprache gefunden, die den opulenten Bigband-Sound mit dem auratischen Raumklang einer Kirche verschmilzt. Mal lyrisch-tastend, mal mit kraftvollen Aufwallungen, als schwebende Harmonien oder scharfkantige Dissonanzen, im Dialog mit dem enormen Klangspektrum einer Kirchenorgel und der Unmittelbarkeit der menschlichen Stimme.

Orchester und Vokalensemble