Jazz als Soundtrack der US-Bürgerrechtsbewegung
Schon zu Zeiten Martin Luther Kings war Jazz eine Art Soundtrack der Bürgerrechtsbewegung. Und das ist er heute noch.
Seit 1986 gibt es den Martin Luther King Day. An jedem dritten Montag im Januar gedenken die USA des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers. Wofür Martin Luther King eintrat, seine Forderung nach Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, erweist sich als unvermindert aktuell. Damals wie heute war der Jazz eine Art Soundtrack der Bewegung. Brachte Billie Holidays "Stange Fruit" Trauer und Erschütterung über den rassistischen Terror zum Ausdruck, so mündete die "Freedom Now Suite" von Max Roach im Appell zum Aufbegehren.
Musiker gestalteten ihre Musik zu Pamphleten, etwa das Ton-Poem "Freedom" von Charles Mingus, aufgenommen im heißen September 1963, drei Wochen nach dem Marsch auf Washington, an dem sich 250.000 Menschen beteiligten und bei dem Martin Luther King seine berühmte Rede hielt: "I Have a Dream". Es war die neben ihm stehende Gospelsängerin Mahalia Jackson, die ihn dazu bewegte, seine Rede spontan zu ändern, indem sie ihm zuflüsterte: "Tell'm about the dream, Martin", woraufhin Martin Luther King vom Manuskript abwich und mit Worten von biblischer Kraft eine Vision von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit beschwor.
In der Musik spiegeln sich Verzweiflung und Protest
Der Geist der Bürgerrechtsbewegung bewegte damals auch den amerikanischen Jazz. Musiker wie John Coltrane ließen sich von der Rhetorik schwarzer Prediger inspirieren. Wenn Coltrane mit seinem Titel "Alabama" einen Gesang auf die bei einem rassistischen Anschlag in Birmingham, Alabama, ermordeten Mädchen anstimmte, sprach sein Saxofon von Empörung, Trauer und Trost.
Im Jazz jener Zeit spiegelten sich Verzweiflung und Protest, Aufbruch und Aufruhr. Alle bedeutenden afroamerikanischen Free-Jazz-Musiker können in diesem Kontext gesehen werden: Charles Mingus und Max Roach, ebenso wie Albert Ayler und Archie Shepp, der mit seiner 1965 aufgenommen Platte "Fire Music" den ermordeten Radikalenführer Malcolm X beklagte. "Wir sind keine zornigen jungen Männer", sagte er damals, "wir sind rasend vor Wut.“ Musik als Spiegel der gesellschaftlichen Umstände: "Man kann in der Musik die Power und die Dringlichkeit hören, mit der wir auf die Unterdrückung in jener Zeit reagierten, in der Zeit von Malcolm X, Martin Luther King und der Bürgerrechtsbewegung. Afroamerikanische Musik steht immer in einem Verhältnis zu dem, was ringsum passiert."
Jazz im Zeichen von "Black Lives Matter"
Insistieren im Sinne von Martin Luther King, das bedeutet Beharren auf Freiheit und Gleichberechtigung - aktuell unter den Vorzeichen der "Black Lives Matter"-Bewegung. "I Can't Breathe", ein Stück von Marcus Miller, führt in die unmittelbare Gegenwart. "Ich kann nicht atmen", "I Can't Breathe", das war der letzte Hilferuf des Afroamerikaners Eric Garner, der im Juli 2014 in New York bei einem brutalen Polizeieinsatz ermordet wurde. "I Can't Breathe", das waren auch die letzten Worte von George Floyd, der im Mai 2020 in Minneapolis sein Leben lassen musste. Marcus Miller mit dem Rapper Chuck D. "Not good, when you're breathing in fear".
Was bei John Coltrane in spiritueller Besinnung ihren Widerhall fand, goss Archie Shepp Mit seinem Tenorsaxofon in heiße Klänge des Zorns. Heute sind es Musiker wie Robert Glasper, Ambrose Akinmusire, Marcus Miller, die den Forderungen, auch unter den Vorzeichen der "Black Live Matters"-Proteste, musikalisch Nachdruck verleihen.
