Stand: 12.07.2019 10:30 Uhr

"Die Imamausbildung der DITIB ist keine Lösung"

Die DITIB, die größte islamische Organisation in Deutschland, will mehr deutschsprachige Imame ausbilden. Das gab der türkisch-deutsche Moscheeverband in dieser Woche bekannt. Möglich machen soll das ein neuer Ausbildungsgang, den die DITIB noch in diesem Jahr starten möchte. Mehr deutschsprachige Imame, das hatte auch die Bundesregierung von den Islamverbänden immer gefordert. Rauf Ceylan ist Professor für Islamische Theologie in Osnabrück, er hat gerade eine Expertise zur Imamausbildung in Deutschland veröffentlicht. NDR Kultur hat mit ihm gesprochen.

Herr Ceylan, in Ihrer Expertise kommen Sie zu dem Ergebnis, dass das Potenzial bei der Ausbildung qualifizierter Imame noch lange nicht ausgeschöpft ist. Ist der Vorstoß der DITIB die Antwort auf das Problem?

Rauf Ceylan © Rauf Ceylan
Rauf Ceylan ist Professor am Institut für Islamische Theologie in Osnabrück.

Rauf Ceylan: Nein, denn wir haben das Ziel, dass die Theologen, die in Deutschland ausgebildet werden, unabhängig sind. Das heißt, dass sie auch unabhängig bezahlt werden, vor allem von der muslimischen Community in Deutschland. Bei DITIB ist nach wie vor das Problem, dass die Imame vom türkischen Staat bezahlt werden und deshalb kann es nicht die große Lösung sein.

Nun sind ja andere Moscheeverbände aufgerufen, sich an dem Ausbildungsgang zu beteiligen. Können Sie sich das vorstellen?

Ceylan: Das ist natürlich im Sinne einer Kooperation vielleicht möglich. Allerdings sollte das Ziel sein, dass man hier eigenständig Ausbildungsstätten nach dem Vorbild katholischer Priesterseminare aufbaut. Dass sozusagen von der Basis aus eine ähnliche Entwicklung ausgehen muss. Das ist die Lösung. Man kann zwar mit DITIB kooperieren, aber das ist nicht die Lösung par excellence.

Diese Idee eines Imamseminars haben Sie im Rahmen Ihrer Expertise vorgestellt, für die Sie auch Gemeinden der DITIB befragt haben. Wie stehen diese der Idee gegenüber?

Ceylan: Der Bundesverband ist da kritischer, die Landesverbände sind viel offener und wenn man in die lokalen Gemeinden hineinschaut und mit den Menschen vor Ort spricht, vor allen Dingen mit den jungen Leuten, dann ist man noch offener. Im Grunde genommen spricht DITIB also nicht mit einer Stimme, aber was die Zentrale sagt, ist natürlich richtungsbestimmend. Ich habe Workshops geführt mit den Landesverbänden, unter anderem mit DITIB. Sie waren sehr kooperativ, auch selbstkritisch, es konnte aufgezeigt werden, was gut läuft, dass die Imame eine gute Ausbildung haben. Was allerdings schlecht läuft ist die Deutschsprachigkeit, dass man die Jugendlichen nicht versteht - nicht nur im linguistischen Sinne sondern auch kulturell nicht versteht und von daher kommt der Wunsch, Imame in Deutschland auszubilden. Das ist alles okay und zu begrüßen, auf der anderen Seite gibt es das strukturelle Problem, das DITIB sehr eng mit der Religionsbehörde in der Türkei verhaftet ist. Das bleibt und das werden wir auch nicht von heute auf morgen lösen können und dieses Problem muss die DITIB von sich aus lösen. Ein anderes Problem, das bleibt, ist die Finanzierungsfrage. Da muss man auch zugeben, dass DITIB der einzige Verband ist, der über ausreichende Ressourcen verfügt.

Die Sendung zum Nachhören
Das Dach einer Moschee.

Freitagsforum

Der Religionspädagoge Rauf Ceylan kämpft für ein Imamseminar nach dem Theologie-Studium. mehr

Nun wurde in dieser Woche eine Studie der Bertelsmannstiftung veröffentlicht, die besagt, dass mehr als die Hälfte der Deutschen sich vom Islam bedroht sieht. Was heißt das für die Islamverbände?

Ceylan: Das heißt viel mehr Aufklärungsarbeit. Viel mehr Kommunikation nach außen. Das wird zwar gemacht, allerdings zeigen diese Ergebnisse, dass das nicht reicht. Es ist natürlich nicht allein die Bringschuld der Gemeinden, sondern es ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das ist klar. Auch die Medien sind hier in der Pflicht, sich zu fragen, in welcher Assoziation wir den Islam präsentieren. In der Regel ist das so, wenn wir über den Islam sprechen, dann leider nur im negativen Kontext. Allerdings müssten die Moscheegemeinden natürlich viel, viel offener werden und viel mehr Aufklärungsarbeit leisten. Das können sie auf lokaler Ebene machen, auf Bundesebene und da seh ich noch sehr viel Bedarf.

Das Interview führte Jan Ehlert.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 12.07.2019 | 15:20 Uhr

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