Stand: 08.08.2019 16:43 Uhr

Die Zeit ist reif für einen Deutschen Muslimtag!

Anmod.: Rund vier Millionen Musliminnen und Muslime leben laut der offiziellen Statistik in Deutschland. Doch nicht alle von ihnen gehören der gleichen Glaubensrichtung an. Es gibt Sunniten, Schiiten, Aleviten, Ahmadiyya - um nur einige zu nennen. Wie kann man den innermuslimischen Dialog zwischen diesen Glaubensrichtungen verbessern? Unser Gastautor, der deutsch-afghanische Journalist und Islamwissenschaftler Abdul-Ahmad Rashid, hat eine Idee.

Ein Kommentar von Abdul-Ahmad Rashid

Abdul-Ahmad Rashid © Abdul-Ahmad Rashid
Der Journalist und Islamwissenschaftler Abdul-Ahmad Rashid ist Mitglied der ZDF-Redaktion Kirche und Leben.

"Es wird Zeit, dass Du mal etwas anderes machst als nur Islam", lautete die Aufforderung. Ausgesprochen hatte sie mein Chef, der Leiter der evangelischen Kirchenredaktion beim ZDF. Das war vor zehn Jahren. Er wollte, dass ich mit zum anstehenden Kirchentag in Bremen komme. Verbunden damit war der Auftrag, für den obligatorischen Abschlussbericht einen Beitrag beizusteuern. Und so fand ich mich wenige Wochen später in der Hansestadt Bremen wieder. Bis dahin hatte ich diese Treffen nur in den Medien wahrgenommen, ohne richtig zu wissen, was sich dort genau abspielte. Ich dachte immer, der Kirchentag wäre ein etwas zu groß geratener Gottesdienst. Christen kämen dort zusammen, um zu singen und zu beten.

Mehr als ein Ort des Gesangs und des Gebets

Vor Ort beeindruckte mich die Masse an Menschen, die in die enorm große Zahl an Veranstaltungen strömte. Ich lernte, dass ein Kirchentag mehr war, als ein Ort des Gesangs und des Gebets, sondern auch ein Ort der Diskussion und der verbalen Auseinandersetzung, nicht nur zu religiösen, sondern auch zu politischen, sozialen und ökologischen Themen. Zu den Besuchern gesellten sich prominente Gäste aus Politik, Wissenschaft und Kultur.

Besucherinnen des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dortmund halten das Motto des Kirchentages auf einem Schal hoch: "Was für ein Vertrauen". © picture alliance / dpa Foto: Bernd Thissen
Begeistert von der "heiteren, friedlichen und inspirierenden Stimmung" beim Evangelischen Kirchentag, wünscht sich Abdul-Ahmad Rashid so etwas auch für die Muslime.

Beeindruckt fragte ich mich: Haben wir Muslime auch so etwas? Die Antwort lautete: Nein! Das einzig vergleichbare Ereignis im Leben der Muslime ist die Wallfahrt nach Mekka, die jeder gesunde sowie finanziell belastbare Muslim einmal im Leben durchführen muss. Doch die Wallfahrt nach Mekka ist ausschließlich ein spirituelles Ereignis, das vielleicht größte weltweit, mit dem Ziel für den Pilger, der Kaaba und damit Gott so nahe wie möglich zu kommen. Sie ist alles, nur keine Plattform für einen angeregten und konstruktiven Meinungsaustausch. Und mir kam die Idee, eine ähnliche Veranstaltung wie den Kirchentag für Muslime ins Leben zu rufen. Einen Ort, an dem Muslime der unterschiedlichsten Prägungen in Deutschland sich treffen und im geschützten Raum austauschen können.

Vereinsziel: Ein Deutscher Muslimtag

Vor einigen Jahren habe ich mit einer Gruppe aus Muslimen und Nichtmuslimen einen Förderverein gegründet, der es sich zum Ziel gemacht hat, einen Deutschen Muslimtag zu veranstalten. Nach Vorbild der Kirchentage soll es eine Art Laienbewegung sein, unabhängig von den muslimischen Verbänden. Diese reagierten damals übrigens empört, weil sie nicht eingebunden wurden. In regelmäßigen Abständen sollen sich Musliminnen und Muslime der unterschiedlichsten Glaubensrichtungen an einem Ort treffen, um sich miteinander auszutauschen, zu diskutieren und zu streiten. Ziel: Eine Debatten- und Diskussionskultur unter den Muslimen zu schaffen, bei der sich alle Seiten mit Respekt und Offenheit begegnen.

Nichtmuslimische Gäste sind selbstverständlich willkommen, denn sie bereichern die Diskussion mit Fragen und Wortbeiträgen. Und wie bei den Kirchentagen auch, soll hier am Ende ein Ergebnis als Signal in die Gesellschaft gesendet werden.

Die Zeit ist reif

Weitere Informationen
Hamideh Mohagheghi © Claus Röck

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Mit einer solchen Veranstaltung würden Muslime zeigen, dass sie ein selbstverständlicher Teil dieses Landes sind und demokratische Spielregeln verstanden haben. Ein dadurch resultierender Nebeneffekt könnte der Abbau einer sich immer mehr ausbreitenden Muslimfeindlichkeit in der deutschen Gesellschaft sein. Denn ein solcher Muslimtag wäre auch ein Ort der Wissensvermittlung über den Islam und die Muslime für die Öffentlichkeit. Und die letzte Sitzung der Deutschen Islam Konferenz im Herbst vergangenen Jahres und die dort geführten lebendigen Diskussionen unter den Teilnehmern haben gezeigt: Die Zeit ist reif für einen solchen Muslimtag!

Im Juni war ich übrigens wieder als Reporter unterwegs für das ZDF beim Evangelischen Kirchentag, diesmal in Dortmund. Und so wie jedes Mal seit dem Kirchentag in Bremen war ich begeistert von der heiteren, friedlichen und inspirierenden Stimmung dort. So etwas wünsche ich mir auch von einem Deutschen Muslimtag.

Ein Halbmond ist auf dem Dach einer Moschee durch eine Glaskuppel zu sehen. © picture alliance / dpa Foto: Peter Steffen
AUDIO: Plädoyer für einen Deutschen Muslimtag (5 Min)

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 09.08.2019 | 15:20 Uhr

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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