30 Jahre - 30 Orte: Schüssel-Schorse auf Tour
Vor 30 Jahren, am 9. November 1989 fiel die Mauer. Zwei Wochen lang hat Schüssel-Schorse mit der "30 Jahre - 30 Orte"-Tour an das historische Ereignis erinnert. Für jedes wiedervereinigte Jahr hat er einen Ort an der ehemaligen innerdeutschen Grenze vorgestellt. Aber nicht nur das, er hat auch Menschen getroffen, die spannende und bewegende Geschichten zu erzählen haben. Wie Familie von Rautenkranz, die in der ehemaligen Grenzstadt Darchau jetzt ein Café betreibt, Brocken-Benno, der seit dem Mauerfall täglich den Brocken besteigt oder Gerhard Borchert, der erzählte, wie er beim Kartoffelroden im Grenzgebiet von Grenzern festgehalten wurde. Natürlich war Schüssel-Schorse wieder mit seiner Schorsetta unterwegs, ein T1 VW-Bulli aus dem Jahr 1964.
30 Jahre - 30 Orte in Bildern
Ort 30: Das Grenzlandmuseum Eichsfeld. Pünktlich zur Live-Sendung aus dem Grenzlandmuseum trifft Schorse am letzten Ort seiner "30 Jahre - 30 Orte"-Tour ein. Das Grenzlandmuseum Eichsfeld befindet sich seit 1995 am ehemaligen Grenzübergang Duderstadt/Worbis und informiert als Erinnerungs- und Lernort über die Geschichte der deutschen Teilung.
Ort 29: Die Siedlung Neu-Böseckendorf. Es ist die erste Siedlung der Bundesrepublik, die für Flüchtlinge gebaut wurde. Dort lebt Bernward Klingebiel, der 1961 als 18-Jähriger mit seiner Familie in einem Pferdewagen von Böseckendorf in den Westen geflohen ist.
Ort 28: Das Friedland Museum. Dort trifft Schorse Gästeführer Klaus Magnus. Er gewährt Schorse Einblicke in die Geschichte des ehemaligen Grenzdurchgangslager.
Ort 27: Das Grüne Band. Tierfilmer Heinz Sielmann träumte schon vor der Grenzöffnung von einem europäischen Biotop entlang der Grenze. Gleich nach der Grenzöffnung haben Naturschützer dafür gekämpft, den ehemaligen Todesstreifen als Natur-Refugium zu erhalten. Das war die Geburtsstunde des Naturschutz-Großprojektes Grünes Band.
Heute beheimatet das Grüne Band wertvolle Perlen der Natur. Schorse hat Dr. Heiko Schumacher von der Heinz Sielmann Stiftung getroffen. Er kümmert sich gemeinsam mit der Stiftung um die Erhaltung der Natur.
Ort 26: Das Rittergut Besenhausen. Dort trifft Schorse Gutsherr Detlev Flechtner, der eindrucksvoll davon erzählt, wie das Rittergut zeitweise für Flüchtlinge aus der DDR das "Tor zur Freiheit" war.
Ort 25: Am Grenzstein zwischen den zwei Dörfern Weißenborn und Siemerode trifft Schorse Hermann Hille (ganz rechts) aus Weißenborn und Peter Nolte aus Siemerode. Sie berichten Schorse, dass die beiden Dörfer bundesweit die einzigen sind, die seit 30 Jahren den Tag der Deutschen Einheit gemeinsam feiern. Der Verein "Zaunspechte" organisiert immer zum 3. Oktober ein riesiges Fest.
Ort 24: Der Horchposten Stöberhai. Jahrelang wurde von dort in die DDR hineingehört. Dabei ging es darum, die militärische Stärke der DDR-Truppen zu erfassen. 2005 wurde er gesprengt.
Im Museum Stöberhai trifft Schorse Volker Wille. Er hat von 1974 bis 1993 auf dem Posten Stöberhai gearbeitet. Stündlich meldeten er und seine Kollegen ihre Erkenntnisse einer zentralen Stelle in Trier. Nachbarn und Freunde wussten, dass er auf dem Stöberhai arbeitete - erzählen durfte er nichts, alles streng geheim. Manchmal sei das auch belastend gewesen, sagt er heute.
Ort 23: Der Bahnhof in Walkenried. Dort trifft Schorse Eisenbahnfreund Michael Reinboth (rechts). Diese Strecke war der erste Lückenschluss. Am 12. November 1989 fuhr der erste Personenzug von Ost nach West. Klaus Koch (links) war damals Fahrdienstleiter und bekommt heute noch Gänsehaut wenn er sich an diesen Tag erinnert.
Ort 22: Hohegeiß. Hier spricht Schorse mit Friedemann Schwarz. Direkt hinter seinem Gartenzaun begann früher die DDR.
Friedemann Schwarz erzählt, wie er nicht mehr durch seinen Gartenzaun in den 3-km-entfernten Nachbarort gehen konnte. Wenn er Verwandte dort besuchen wollte, musste er über Helmstedt fahren - 300 Kilometer lang war die Strecke dann. Heute genießt er es, das Gartentürchen zu öffnen und Richtung Osten zu laufen.
Ort 21: Die ehemalige Wurmberg-Skischanze auf dem Wurmberg bei Braunlage lag direkt an der Grenze. Die Schanze aus Stahl wurde 1951 gebaut und 2014 wegen Rost abgerissen. Hannes Westphal war jahrelang Veranstaltungsmanager in Braunlage und holte in den Glanzzeiten sogar das Weltcup-Springen der Damen nach Braunlage.
Ort 20: Kukkis Suppenküche. An der B 27 zwischen Braunlage und Elend hat Jürgen Kurkiewicz im Frühjahr nach der Grenzöffnung 1990 mit einem Grillstand an der Straße angefangen.
Ein gutes Geschäft, schließlich sind viele losgefahren, um mal im Osten oder mal im Westen zu gucken... Heute betreibt Sohn Rene Kurkiewicz die Suppenküche weiter. Seit fast 30 Jahren gibt es bei "Kukki" Erbsensuppe aus der Gullaschkanone.
Ort 19: Der Brocken. Benno Schmidt aus Wernigerode - auch "Brocken Benno" genannt - hat den Brocken mehr als 8.000 Mal bestiegen. Nach dem Fall der Mauer ging er täglich rauf auf den Brocken. An seinem 88. Geburtstag im Mai 2020 möchte er zum 8.888. Mal auf dem Brocken gewesen sein. Benno ist putzmunter, auch heute schafft er es noch vier- bis fünfmal pro Woche auf den Brocken.
Ort 18: In Eckertal erzählt Alfred Heinicke, wie in Bad Harzburg die Nacht zum Tag wurde. Bis November 1989 war Bad Harzburg nämlich ein kleiner Kurort ganz am Rande der westlichen Welt, einer Welt, die wenige Kilometer östlich bei Eckertal buchstäblich aufhörte.
Dort war die Zonengrenze mit einem großen Blechwall. Aber am 11. November 1989 waren Geräusche hinter der Absperrung zu hören. Die Menschen arbeiteten sich durch die Mauer.
Am Nachmittag gegen 16 Uhr kam schließlich der Durchbruch. Die Menschen strömten buchstäblich durch das Loch in der Mauer Richtung Westen und liefen über die Straßen und Feldwege nach Bad Harzburg.
Ort 17: Die Grenzanlage Hötensleben. Der Grenzdenkmalverein Hötensleben hat die gesamte Grenzanlage nach dem Mauerfall vollständig erhalten. So umfassend wie hier kann man die Ausmaße der Zonengrenze nirgends sonst in Deutschland erleben.
Dieter Buchwald ist Vorstandsmitglied des Grenzdenkmalverein Hötenslebens. Er erklärt Schüssel-Schorse die Grenzanlage.
Ort 16: Das Heimatmuseum in Hornburg. Dort trifft Schorse Peter Hanke. Er war vor dem Mauerfall als Grenzpolizist bei Hornburg im Dienst und erzählt wie seine "Kollegen" auf der Ost-Seite versucht haben ihn als Spion anzuheuern.
Ort 15: Der "Naturpark Elm-Lappwald" liegt östlich von Helmstedt auf dem Gebiet der ehemaligen Zonengrenze. Einige begeisterte Wanderer und Radfahren aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt haben sich vor Jahren zusammengetan, um Touren zu entwickeln, die die Natur und Geschichte des Grenzgebietes deutlich machen.
Eine der Initiatorinnen der Initiative ist Viola Vorbrod: "Wir haben von Anfang an grenzenlos gedacht", erklärt sie. Inzwischen hat sie bereits 30 Wanderwege und 20 Radtouren entwickelt.
Ort 14: An der Giordano-Bruno-Gesamtschule in Helmstedt trifft Schorse Lehrer Claus Wessels (links) und Schüler Rouven Noorzaie. Für eine Ausstellung im Grenzmuseum Helmstedt haben sie sich wochenlang mit dem Thema "Zonengrenze" beschäftigt.
Ort 13: Die Gedenkstätte Marienborn. Am 9. November 1989, um 21.27 Uhr, öffnet sich hier zum ersten Mal der Schlagbaum Richtung Westen und der erste Trabbi fährt nach Helmstedt. Damals schaute die ganze Welt auf die riesige, martialische Grenzabfertigungs-Stelle an der A 2.
Heute ist die ehemalige Grenzabfertigungs-Stelle eine Art Freilicht-Museum. Die Abfertigungs-Häuschen der Grenzer können ebenso betreten werden wie die alten Büroräume oder der riesige Grenzer-Turm.
Ort 12: Die Büstedter Brücke zwischen Velpke- und Oebisfelde. Dort trifft Schorse Christiane Schütrumpf, die den Heimatverein u.a. bei der Erinnerungsarbeit an der Grenze unterstützt. Oebisfelde lag unmittelbar östlich der Zonengrenze, nur wenige Kilometer von Velpke in Niedersachsen entfernt. Früher führte die Straße nach Westen über die Büstedter Brücke, die während der Deutschen Teilung verfiel.
Genau dort aber bauten die Velpker seit Beginn der 80er Jahre an jedem 1. Advent gut sichtbar einen großen Weihnachtsbaum auf, der kräftig angestrahlt wurde: ein Signal Richtung Osten. Und dort stellte so mancher DDR-Bürger am 1. Advent eine Kerze in sein Fenster Richtung Niedersachsen, als stumme Antwort auf den Appell aus dem Westen.
Ort 11: Brome. Dort trifft Schorse Landwirt Gerhard Borchert. Er erzählt, dass es für Landwirte auch gefährlich werden konnte. Einmal steckte er mit seinem Kartoffelroder fest, und musste kurz über den Grenzstreifen fahren, um wieder frei zu kommen. Er wurde von Grenzern bemerkt, festgehalten, und erhielt eine schriftliche Verwarnung: das nächste Mal werde man auf ihn schießen.
Ort 10: Die Straße zwischen Schafwedel und dem benachbarten Schmölau. Die Dörfer waren jahrzentelang durch die Sperranlagen der innerdeutschen Grenze getrennt.
Werner Schulz und seine Frau Bärbel sind Schafwedeler und waren dabei als die Gemeinde nach dem Mauerfall ein Bauunternehmen beauftragte, das - ohne jede offizielle Genehmigung - die Grenze einriss, planierte und den Weg frei machte.
"Am 18. November morgens um 6 Uhr, fiel die letzte Absperrung, und die Menschentrauben aus Ost und West fielen sich um den Hals", erzählt Werner Schulz.
Ort 9: Das Swinmark-Grenzlandmuseum von Dietrich-Wilhelm Ritzmann in Göhr.
Dietrich-Wilhelm Ritzmann war schon als Kind fasziniert von der Mauer. Als sie dann fiel, "war ich sofort drüben und habe gesammelt was nicht niet- und nagelfest war“ sagt er verschmitzt.
Das Ergebnis ist sein Swinmark-Grenzlandmuseum in einer alten Scheune in Göhr: vom Original-Grenztrabbi bis zu Fahnen und unzähligen Geräten, stammt alles aus der Grenzregion in Sachsen-Anhalt rund um Salzwedel.
Ort 8: Das Rundlingsdorf Jahrsau. Nach der Teilung Deutschlands lag das Dorf sehr nah an der Grenze - zu nah für das DDR Regime. Daher wurden einige Familien 1952 zwangsausgesiedelt und 1970 wurde das Dorf dann komplett geschleift: Alle Gebäude wurden eingeebnet.
Heute erinnern Überreste von Mauern und Tafeln mit historischen Fotos mitten im Wald an das ehemalige Dorf.
Ort 7: Schnackenburg. Früher war Schnackenburg ein wichtiger Zollhafen. Es war der letzte Ort vor Einfahrt in die DDR. Heute ist im alten Zollhause das Grenzmuseum, wo Schorse Ulrich Bethge trifft.
Ulrich Bethge war zu DDR Zeiten Zöllner. Er lief nachts Patrouille am Deich und erinnert sich lebhaft, auch an Fluchtversuche junger Männer durch die Elbe, die manchmal tödlich endeten.
Ort 6: In Rüterberg trifft Schorse Meinhard Schmechel. Er wurde damals von der Insel Rügen in die Grenzkompanie nach Rüterberg versetzt. In den 60er Jahren war Rüterberg von allen Seiten mit scharfkantigen Zäunen abgesperrt. Bewohner kamen nach 23 Uhr nicht mehr raus und Besuche von außerhalb waren so gut wie ausgeschlossen.
Am 8.11.1989 riefen dann fast alle Bewohner von Rüterberg die "Dorfrepublik Rüterberg" aus. Einen Tag später fiel die Mauer. Meinhard Schmechel erinnert sich mit einem strahlenden Lächeln: "Nachts kamen schon die Ersten über die Elbe aus Damnatz (Niedersachsen) angepaddelt und haben hier gefeiert wie verrückt".
Ort 5: In Bitter trifft Schüssel-Schorse Werner Meier. Er war einer der Posaunisten der Blaskapelle Kaarßen, die so lange musizierten, bis die Grenzer am 19.11.1989 das Tor öffneten.
Zum Abschluss gibt es natürlich noch ein Ständchen für Schorse.
Ort 4: Am zweiten Tag der "30 Jahre - 30 Orte" Tour besucht Schorse den Original-Grenzwachturm Konau/Popelau. Er ist Teil eines grenzhistorischen Rundweges.
Direkt neben dem Grenzwachturm wurden ein paar Meter Grenzzaun wieder aufgebaut.
Ort 3: In Darchau wird Schüssel-Schorse von Ulrike von Rautenkranz (links) und ihrer Mutter Heidemarie von Rautenkranz empfangen.
Wo einst die Mauer direkt an der Terrasse des ehemaligen Wohnhauses verlief ...
... ist heute eine große grüne Wiese direkt vor der Terrasse des Cafés von Rautenkranz.
Ort 2: Die kleine Autofähre "Amt Neuhaus". Am Ufer erinnert ein Schild an die ehemalige innerdeutsche Grenze.
Schüssel-Schorse setzt über. Vor dem Mauerfall vor 30 Jahren durfte noch nicht einmal das Ufer des Grenzflusses betreten werden.
An Bord der Autofähre: Silke Bathel, von den Einheimischen auch "Käpt'n Silke" genannt. Sie kann sich noch ganz genau an ihre erste Tour über den einstigen Grenzfluss erinnern.
Ort 1: In Stiepelse trifft Schüssel-Schorse Heidemarie Gäde. Sie erzählt Schorse, dass das alte Bauernhaus ihrer Eltern seit den 60er-Jahren direkt hinter dem blickdichten Stahlgitterzaun am Deich stand. "Unbeschreiblich schrecklich" beschreibt sie die Situation und ...
... heute unvorstellbar. Wo ehemals der Grenzzaun verlief, hält Heidemarie Gäde ein altes Bild vor.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | 28.10.2019 | 05:20 Uhr
