Das Studio des TV-Triells © dpa-Bildfunk Foto: Christian Charisius/dpa

TV-Triell der Spitzenkandidierenden in SH: Kontroverse im fairen Ton

Stand: 04.05.2022 23:46 Uhr

Vier Tage vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben sich Daniel Günther (CDU) und Thomas Losse-Müller (SPD) und Monika Heinold (Grüne) ein munteres Rede-Triell geliefert. Das NDR Fernsehen hatte am Mittwochabend alle in den Landtag eingeladen - zum direkten Schlagabtausch.

Die von NDR Chefredakteur Andreas Cichowicz und Julia Stein, Leiterin für Politik und Recherche im NDR Schleswig-Holstein, moderierte Diskussion führten die drei Spitzenkandidaten ohne scharfe Attacken. Wenn Thomas Losse-Müller mal etwas forscher angriff, reagierte Daniel Günther betont ruhig. Monika Heinold gab sich zwischendurch angriffslustig, blieb aber überwiegend sachlich. In der 75-minütigen Debatte im NDR Fernsehen standen die wichtigen landespolitischen Themen wie Verkehr, Bildung, Klimaschutz, Wirtschaft und Soziales im Mittelpunkt.

Eröffnet wurde die Runde mit der Diskussion über den Krieg gegen die Ukraine und die Frage, was Schleswig-Holstein als Land tun kann, damit die Menschen keine Angst vor einem Einsatz von Nuklearwaffen haben müssen. "Das Wichtigste auf allen Ebenen, was wir tun können, ist Geschlossenheit zeigen. Europa muss zusammenstehen, die Nato muss zusammenstehen. In Schleswig-Holstein können wir helfen, unabhängig von Lieferungen aus Russland zu werden. Das ist eine Stärke von Schleswig-Holstein - zum Beispiel mit dem Bau eines LNG-Terminal", antworte Daniel Günther.

SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller betonte, dass Friedenspolitik immer wichtig ist. "Wir liefern Waffen. Der Kurs des Bundeskanzlers ist richtig. Wir unterstützen die Ukraine. Aber es hat Grenzen, wir wollen keine Kriegspartei werden", sagte er. Monika Heinold erklärte, sie wolle der Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock den Rücken stärken. "Sie ist auf einem sehr guten Kurs. Wir können in Schleswig-Holstein mit Hochdruck weiter daran arbeiten, von Gas und Öl unabhängig zu werden, damit wir nicht mehr auf Russland angewiesen sind", meinte die Finanzministerin.

Wird der Wohlstand weniger?

Führt der Krieg in der Ukraine dazu, dass die Menschen in Schleswig-Holstein auf ihren gewohnten Wohlstand verzichten müssen? Eine klare Antwort darauf hatte Monika Heinold. "Wir werden nicht die Situation haben, die wir vor dem Krieg hatten. Wir werden Verzicht üben müssen", sagte sie - und verknüpfte das Thema mit der Energiewende. Man müsse jetzt gegensteuern und eine Zukunft ohne fossile Energieträger, sondern mit erneuerbaren Energien aufbauen.

Daniel Günther sagte dazu: "Unser Ziel als Politik muss es sein, dass wir den Wohlstand, den wir in Deutschland haben, auch erhalten." Trotzdem sei es in diesen Zeiten nicht möglich, den Menschen zu garantieren, "dass diese Krise völlig spurlos an allen vorbeigeht". Es sei Aufgabe von Politik, dass das sozial ausgewogen passiere. Er unterstütze in diesem Punkt auch das Entlastungspaket des Bundes. Thomas Losse-Müller sagte dagegen, er sei zuversichtlich, dass das Wohlstandslevel gehalten werden könne. "Dafür ist es wichtig, dass wir in erneuerbare Energien investieren, dass wir uns unabhängig machen von russischem Gas, russischem Öl."

Disput beim Thema Haushaltspolitik

Beim letzten TV-Duell vor der Stimmenabgabe am Sonntag kämpften alle drei Kandidierenden um die Stimmen noch unentschlossener Wähler - und warben für ihre Positionen. Das galt auch beim Thema Haushaltspolitik. Thomas Losse-Müller betonte die Notwendigkeit, kräftig in Klimaschutz und die Entlastung der Eltern von Kita-Gebühren zu investieren. In normalen Jahren seien im Haushalt 500 Millionen Euro im Jahr übrig. Monika Heinold verwies darauf, dass in der mittelfristigen Finanzplanung jährlich 200 Millionen Euro fehlten. Sie kritisierte den finanzpolitischen Kurs ihres früheren Staatssekretärs. Daniel Günther hob hervor, es sei nötig, die Wirtschaftskraft des Landes zu stärken. Mit den geplanten Ansiedlungen werde das auch möglich sein. Daniel Günther warf seinem Herausforderer Thomas Losse-Müller unerfüllbare Versprechen vor.

Mobilität und ÖPNV - wichtiges Thema für Wählerinnen und Wähler

Auch um das Thema Mobilität und die schlechten ÖPNV-Verbindungen auf dem Land ging es in der Dreier-Runde. "Wir wollen künftig ein ganz neues Format für Mobilität in Schleswig-Holstein haben - mit einem On-Demand-System, wo sie mit einer App und einer Mobilitätsgarantie einen festen Fahrplan bestellen können", kündigte Monika Heinold für die Grünen an. Daniel Günther betonte, dass der ÖPNV nicht die schnelle Lösung für alle Verkehrsprobleme in Schleswig-Holstein sei. "Es gibt bestimmte Verkehrswege, die auch zukünftig individuell befahren werden", sagte er. Das solle dann möglichst über Elektromobilität und CO2-freien Antrieb geschehen.

Das Angebot müsse ausgebaut werden, da mangele es an Investitionen, sagte Thomas Losse-Müller. "Die Mehrheit der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner wird auch im Jahr 2050 noch mit dem Auto unterwegs sein." Dann sei es aber wichtig, dass es Elektromobilität gebe. "Deswegen fordert die SPD ja eine Landesinfrastrukturgesellschaft, die diese Lade-Infrastruktur flächendeckend ausbaut, damit nicht nur Menschen, die ein Haus haben, sich Elektromobilität leisten können, sondern wirklich alle."

Alle für A20-Weiterbau - nur wann?

Zum Thema Weiterbau der A20 sagte Daniel Günther: "Im Rahmen des Planungsrechtes, das wir in Deutschland haben, ist es nicht möglich, die A20 schneller zu bauen als bis 2030." Thomas Losse-Müller meinte, die SPD werde alles dafür tun, dass es mit dem Bau der A20 weitergehe. Monika Heinold betonte in diesem Zusammenhang, dass man auch Verantwortung für die Umwelt habe. Sie sei kein Fan von neuen, großen Straßenbauprojekten, sehe aber, dass die Westküste Mobilität brauche.

Koalitionsvorlieben - wer mit wem?

Eine spannende Frage: Regiert weiter eine Jamaika-Koalition oder übernimmt ein Zweier-Bündnis das Ruder? Laut der jüngsten NDR Umfrage wäre die bisherige Jamaika-Koalition Geschichte. Denn es würde bereits für ein Zwei-Parteien-Bündnis aus CDU und Grünen reichen. Aber auch eine Koalition aus CDU und FDP hätte eine knappe Mehrheit.

Günther hat sich bereits im Vorfeld für eine Fortsetzung der Jamaika-Koalition ausgesprochen. "Wir wollen Jamaika fortsetzen, das Bündnis hat Schleswig-Holstein gutgetan", sagte er im TV-Triell erneut. Es sei seine feste Überzeugung, dass dieses Bündnis dem Land auch in den kommenden fünf Jahren guttun werde.

Monika Heinold ist der Überzeugung, dass "ein Bündnis stabil ist, wenn alle Parteien gebraucht werden". Ihr sei es wichtig, starke Grüne in der Regierungsverantwortung zu haben. Klimaschutz, Energiewende, Artenschutz und Soziale Gerechtigkeit wären für sie wichtige Verhandlungspunkte bei möglichen Sondierungsgesprächen. "Die Regierung hat gut gearbeitet, weil wir der Motor in der Regierung waren bei der Modernität und bei der Energiewende", meinte die Spitzenkandidatin der Grünen.

Rechnerisch möglich laut NDR Umfrage, aber politisch unwahrscheinlich, wäre auch eine große Koalition aus CDU und SPD. Für eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP würde es dagegen derzeit nicht reichen. "Jamaika hat das Soziale nicht im Blick, das Soziale hat dort keine Stimme. CDU und FDP haben die Mietpreisebremse abgeschafft - mit der Zustimmung der Grünen. Die CDU und FDP wollten das Tariftreuegesetz nicht mehr, wir sind bei der Digitalisierung und beim Klimaschutz nicht vorangekommen. Wenn wir vorankommen wollen, ist ein 'weiter so', keine Option", sagte Thomas Losse-Müller und fügte an: "Das Soziale muss wieder am Anfang stehen."

Losse-Müller: Prien hat Lehrer bei Digitalisierung alleine gelassen

Beim Thema Bildung bekräftige Thomas Losse-Müller das Wahlversprechen, Schülern ab der achten Klasse ein Tablet geben zu wollen. Das sei Bildungsgerechtigkeit, sagte er. Die CDU-Bildungsministerin Karin Prien habe die Lehrerinnen und Lehrer bei der Digitalisierung alleine gelassen, warf er der aktuellen Regierung vor. Monika Heinold betonte, man sei in Sachen Digitalisierung nicht so weit vorangekommen, wie man es sich gewünscht habe, habe aber die Schulen ans Netz gebracht und 250 Stellen geschaffen, für Menschen, die die Lehrkräfte bei der Digitalisierung unterstützen. Daniel Günther holte zum Gegenschlag gegen Herausforderer Thoams Losse-Müller aus und sagte: "Als wir in Schleswig-Holstein die Verantwortung übernommen haben, waren zwei Schulen in Schleswig-Holstein ans schnelle Internet angeschlossen. Heute sind das 845 Schulen."

Redezeiten dicht beieinander

Fehlende Fortschritte bescheinigte dafür Thomas Losse-Müller der Koalition beim Ausbau der Windenergie. "Da ist nichts passiert." Es gebe nicht mehr Windräder als 2017. Daniel Günther hielt dagegen, 2021 habe Schleswig-Holstein die meisten Anlagen aller Bundesländer genehmigt und 200 Megawatt Leistung mehr als das viel größere Niedersachsen. "Wir gehen mit Riesenschritten voran." Einig waren sich alle drei Kandidaten, dass Klimaschutz sozialverträglich passieren müsse.

Das Triell endete fast mit einem Gleichstand bei den Redezeiten: Daniel Günther (15:48 Minuten) hatte während der Sendung lediglich 11 Sekunden länger geredet als Thomas Losse-Müller (15:37) und 46 Sekunden als Monika Heinold (15:02).

Weitere Informationen
Spitzenkandidaten der Parteien SSW, FDP und AfD stehen bei einem Triell in einem Sendestudio des NDR-Info in Kiel. © NDR-Info

Landtagswahl in SH: So lief das TV-Triell zwischen Buchholz, Harms und Nobis

Am 8. Mai wird in Schleswig-Holstein gewählt. Im NDR Fernsehen lieferten sich die Spitzenkandidaten von FDP, AfD und SSW am Dienstag ein Rede-Triell. mehr

In Kiel sind die Spitzenkandidaten Daniel Günther, CDU, Thomas Losse-Müller, SPD, und Monika Heinold, Grüne, auf Wahlplakaten für die Landtagswahl 2022 in Schleswig-Holstein abgebildet. © NDR Foto: Anna Grusnick

Landtagswahl in SH: Junge Menschen im Blick der Spitzenkandidaten

Am Sonntag wird in Schleswig-Holstein gewählt. Wie wollen die Spitzenkandidaten von CDU, SPD und Grünen die Erst- und Jungwähler erreichen? mehr

Wahlkarte mit Wahlkreuz und Wappen wird in eine Wahlurne gesteckt (Bildmontage) © Fotolia.com Foto: AndreL

ARD-Wahlumfrage: CDU stärkste Kraft in SH - Mehrere Koalitionen möglich

Am 8. Mai wird in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. Die CDU liegt laut Umfrage weiter vorn. Die SPD verliert leicht, die Grünen bleiben stabil. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 04.05.2022 | 21:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Landtagswahl Schleswig-Holstein

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Eine Drohnenaufnahme eines Offshore-Windpark. © IMAGO / Pond5 Images

Windräder auf See stehen häufiger still - vor allem vor SH

Die Netzbetreiber nutzen Offshore-Anlagen verstärkt dazu, auf Engpässe und Schwankungen im Stromnetz zu reagieren. mehr

Videos