Der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner (l.) und der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (beide SPD) reagieren nach der Bekanntgabe der ersten Prognosen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein. © dpa-Bildfunk Foto: Markus Scholz/dpa

SPD stürzt auf ein historisch schlechtes Ergebnis ab

Stand: 09.05.2022 02:01 Uhr

Die SPD hat ihr schlechtestes Ergebnis bei Bundes- und Landtagswahlen im Norden überhaupt erzielt.

Die Stimmung auf der Wahlparty in der Räucherei in Kiel war bedrückt. Mit ungläubigen und enttäuschten Blicken verfolgten viele Sozialdemokraten die Zahlen. Mit dem vorläufigen Endergebnis schnitt die Partei mit 16 Prozent historisch so schlecht ab wie noch nie. Ihr bisher schlechtestes Landtagswahl-Ergebnis in Schleswig-Holstein hatte die SPD 2009 mit 25,4 Prozent erzielt. Bei der letzten Landtagswahl vor fünf Jahren holten sie noch 27,3 Prozent. Und nun dieser Absturz.

Als eine der Ersten meldet sich die Landesvorsitzende Serpil Midyatli zu Wort. Sie sprach mit Blick auf die Zahlen von einem bitteren Wahlergebnis für die SPD. Man habe die Wählerinnen und Wähler nicht richtig mit den Punkten aus dem Wahlprogramm erreicht, sucht die SPD-Landeschefin nach Gründen für diese Wahlschlappe, erklärte aber: Die SPD habe auf die richtigen Themen und "den richtigen Kandidaten" gesetzt.

"Das Ergebnis ist ein Debakel für die SPD" Ralf Stegner, SPD-Bundestagsabgeordnete und früherer Landesvorsitzer

Stegner: "Debakel für die SPD"

Mehrere Personen stehen auf einer Wahlparty der SPD. © dpa-Bildfunk Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
Ernüchterung bei den Sozialdemokraten auf der Wahlparty in der Räucherei in Kiel.

Auch Ralf Stegner machte seinem Unmut kurz nach den ersten Statistiken Luft: "Das Ergebnis ist ein Debakel für die SPD", sagt der langjährige Landeschef der Partei. Thomas Losse-Müller sei zwar der richtige Kandidat gewesen, hätte aber zu wenig Zeit gehabt. Außerdem sei es schwer, einen so starken Ministerpräsidenten zu schlagen. Nun komme es auf "gute Oppositionspolitik" an. Einzig der Verlust der AfD sorgte auf der Wahlparty für positive Reaktionen - auch bei Stegner: "Wenn die Rechtsradikalen aus dem Landtag sind, dann gibt es wenigstens einen kleinen Grund sich zu freuen."

Losse-Müller: "Ich bin stolz darauf, wie wir in den Wahlkampf gegangen sind"

Schon nach der ersten Prognose um 18 Uhr wendete sich der Spitzenkandidat der SPD, Thomas Losse-Müller, mit erklärenden Worten an seine Fraktion. Trotz des Negativ-Ergebnisses lobte er die Konzepte, Ideen und den Einsatz der Sozialdemokraten. Doch sei man gegen drei Parteien angetreten, die geschlossen gestanden hätten. "Uns allen war sehr, sehr klar, dass das eine große Herausforderung war", sagte Losse-Müller in seiner Rede.

Frusttrinken statt Jubeltaumel

Leere Biergläser auf der Wahlparty der SPD. © NDR
Die SPD-Mitglieder verlassen schnell die Wahlparty.

Wie die Wählerwanderung von infratest dimap zeigt, hat die SPD 61.000 Wähler an die CDU verloren, 37.000 an die Grünen und 14.000 an den SSW. NDR Reporter Stefan Niemann war bei der Wahlparty der SPD am Kieler Ostufer vor Ort. Die Räucherei hatte sich schlagartig geleert.

In kleinen Grüppchen standen die SPD-Unterstützer zuvor bei Bier und Wein im Hof der "Räucherei" zusammen, die Fernsehübertragung mit Zahlen und Politikerrunden drinnen fand dagegen weniger Interesse. Bianca Wöller vom Kreisvorstand Kiel brachte die Stimmung der Anwesenden auf den Punkt: "Wir sind frustriert." Man habe einen engagierten und guten Wahlkampf gemacht. Ole-Christopher Richter, der sich bei den Jusos engagiert, sieht den Hauptgrund für den Misserfolg in der Beliebtheit von CDU-Ministerpräsident Daniel Günther.

"Wir sind frustriert" Bianca Wöller vom Kreisvorstand Kiel

SPD-Chefin Esken spricht von sehr bitterem Wahl-Ergebnis

Ernüchterung herrschte auch in Berlin. Die krachende Niederlage für die SPD musste auch Generalsekretär Kevin Kühnert zugeben: Auf die Frage, ob es einen Effekt für das schlechte Abschneiden der SPD durch Kanzler Olaf Scholz gebe, verwies Kühnert in der ARD darauf, dass landespolitische Themen dominierend gewesen seien: "Das ist kein schöner Abend, das hatte sich angedeutet. Hier hat der Effekt durchgeschlagen, den wir jetzt von vielen Landtagswahlen kennen, ein sehr beliebter Amtsinhaber, dem wir gratulieren an diesem Abend - das ist der Wahlsieg von Daniel Günther und seiner CDU in Schleswig-Holstein." Tristesse auch bei der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken: "Ich muss ganz deutlich sagen, dass wir dieses Wahlergebnis so nicht erwartet haben."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 08.05.2022 | 19:00 Uhr

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