Radwege statt Parkplätze? Streit über Kieler Verkehrspolitik

Stand: 04.05.2023 14:48 Uhr

Kiels Oberbürgermeister baut zusammen mit der rot-grünen Ratsmehrheit immer neue und breitere Radwege und investiert Millionensummen. Doch was Radfahrer freut, sorgt bei Autofahrern für Frust.

von Balthasar Hümbs

"Ich wollte nur einen Umsatz auf der Bank einzahlen und fahre jetzt hier mindestens schon zehn Mal rum!", ärgert sich Volker Lenger, der hinter dem Steuer seines weißen Kleintransporters sitzt. Aus seiner Sicht gibt es in Kiel zu wenige Parkplätze. Vielen, die in Kiel mit dem Auto unterwegs sind, geht es so. Ihnen ist die immer fahrradfreundlichere Verkehrspolitik im Rathaus ein Dorn im Auge.

Kiel: Fahrzeuge parken auf einem Bürgersteig. © NDR Foto: Balthasar Hümbs
Die Zahl der Parkplätze in Kiel soll laut einem von der Ratsversammlung beschlossenen Konzept weiter reduziert werden.
CDU, FDP und AfD wollen Fahrradstadt verhindern

Auch in der Politik haben die Kritiker ihre Fürsprecher. "Unser Oberbürgermeister versucht, Kiel als Fahrradstadt zu etablieren und auch gegen Widerstände durchzudrücken", ärgert sich CDU-Fraktionschef Rainer Kreutz. Dort, wo viele Parkplätze etwa für neue Radwege wegfallen, sei der Ärger besonders groß, meint Kreutz. Die AfD spricht in ihrem Programm von einem "zunehmenden Ärgernis im Lebens- und Berufsalltag der Bürger". Und FDP-Baupolitikerin Christina Musculus-Stahnke ist zwar grundsätzlich für den Ausbau von Radwegen, kritisiert aber, dass die Verbesserungen für den Radverkehr auf dem Rücken der Autofahrer ausgetragen würde. "Wir haben den Eindruck, es wird erst immer etwas abgeschafft und nicht der entsprechende Ausgleich geschaffen."

Ein Fahrradfährer fährt durch die Kieler Innenstadt. © NDR Foto: Balthasar Hümbs
Freie Fahrt für Radfahrer und Busse, gesperrt für Autos: Insbesondere in der Innenstadt werden immer mehr Straßen verkehrsberuhigt.
Oberbürgermeister: Keine autofreie Stadt geplant

Oberbürgermeister Ulf Kämpfer sieht in der Aufregung über die Fahrradstadt vor allem Wahlkampfgetöse. "Es geht nicht darum, einen Verkehrsträger wegzuekeln", so der SPD-Politiker und verweist auf große Parkhäuser in der Innenstadt. Für ihn sei der fahrradfreundliche Umbau Kiels schlicht eine Notwendigkeit. "Immer mehr Menschen wollen Fahrrad fahren. Wir haben Lastenräder, wir haben Anhänger, also wir brauchen einfach mehr Platz." Nach eigenen Angaben investiert die Stadt aktuell pro Jahr 30 Euro je Einwohner in den Radverkehr. "So viel wie Kopenhagen", sagt Kämpfer stolz.

Grüne wollen Gleichberechtigung für Radfahrer

Massiv unterstützt wird der Umbau Kiels zur Fahrradstadt von den Grünen. Fraktionschefin Anke Oetken möchte, dass Radfahrer nicht mehr, wie sie meint, schlechter behandelt werden als Autofahrer - zum Beispiel an Baustellen. "Kein Mensch würde von einem Autofahrer erwarten, dass er sein Auto schiebt", so Oetken. Die Verwandlung Kiels von der "autogerechten" Stadt hin zur Fahrradstadt möchte sie fortsetzen.

Verbesserungen für Radfahrer kommen an

Und viele Kieler wissen das zunehmend offene Ohr der Stadtpolitik für die Bedürfnisse der Radfahrer zu schätzen. "Ich kann mein Fahrrad gut abstellen. Das ist viel einfacher als vorher", freut sich Nathalie Schnoor, die gerade ihre Einkäufe erledigt - natürlich mit dem Fahrrad.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 04.05.2023 | 19:30 Uhr

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