Kommentar: Gottesdienst-Absage ist Zeichen der Nächstenliebe
Die evangelischen Gemeinden in Lübeck haben die Präsenzgottesdienste Corona-bedingt bis zum 10. Januar abgesagt. Das ist im Vergleich zu dem was viele Menschen momentan durchmachen nur ein kleiner Verzicht.
Ein Kommentar von Stefan Böhnke, NDR Landeshaus-Korrespondent
Machen wir uns nichts vor, die Corona-Pandemie ist außer Kontrolle geraten. Die Situation, die uns in den Lockdown zwingt, ist wesentlich gefährlicher als im Frühjahr. Seit Mittwoch greifen die harten Maßnahmen, aber bis sie - wenn überhaupt - Wirkung zeigen, dauert es erfahrungsgemäß 14 Tage.
Genau in diese zwei Wochen fällt Weihnachten. Für viele das schönste christliche Fest, bei dem ein Besuch eines Gottesdienstes dazu gehört. Die Kirchen sind an Heiligabend traditionell voll - voller als an jedem anderen Sonntag oder kirchlichen Feiertag. Nicht alle, die dann in die Gotteshäuser kommen, sind tatsächlich aktive Christen. Für viele gehört es auch einfach dazu, um in die richtige Stimmung vor der Bescherung zu kommen.
Ansteckungsgefahr lässt sich nicht ausschließen
Aber natürlich sind unter ihnen auch viele, die gerade in diesen Stunden die Nähe zu Gott in der Kirche suchen. Die bittere Botschaft für beide Gruppen lautet: Weihnachten wird in diesem Jahr anders ausfallen müssen. Selbst wenn Gottesdienste in Kirchen stattfinden würden - in Schleswig-Holstein mit 50 Menschen maximal - auf Abstand: Es würde sich nicht gut anfühlen, auch weil sich eine Ansteckungsgefahr eben nicht restlos ausschließen lässt, wo Menschen in diesen Tagen zusammenkommen. Und schon gar nicht in Städten wie Lübeck, in denen der Inzidenzwert Richtung 200 schießt.
Absage schützt Leben
Die Entscheidung der evangelischen Kirchen in der Hansestadt, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, ist eine Entscheidung aus Nächstenliebe. Es schützt Leben! Jede Begegnung, die nicht notwendig ist, muss verhindert werden. Es wäre daher gut, wenn andere Gemeinden, diesem Beispiel folgen könnten. Die Begegnung mit Gott an diesen Feiertagen kann auch außerhalb der Kirchen stattfinden. Kreativität ist gefragt. Und Seelsorge für diejenigen, die in diesem Jahr noch einsamer sind, als ohnehin an Weihnachten. Per Telefon, per Videogespräch könnten sie z.B. aufgefangen werden.
Im Vergleich ein kleiner Verzicht
Ich bin sicher, dass unsere Kirchengemeinden das nach neun Monaten pandemischer Ausnahmesituation hinbekommen werden. Der Verzicht auf Präsenzgottesdienste ist bitter, aber im Vergleich zu dem, was viele in diesen Wochen und Monaten durchmachen, weil sie um ihre Angehörigen oder ihre Existenz bangen, ist es nur ein kleiner Verzicht. Der umso kleiner ausfällt, weil Rettung in Sicht ist. Möglicherweise kann ausgerechnet Weihnachten 2020 mit Impfungen begonnen werden. Je mehr Menschen in diesen Tagen vor dem Virus geschützt werden, desto schöner wird Weihnachten 2021. Versprochen!
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