Zusammenlegung der Regio-Kliniken: Hoffnungen und Sorgen
Aus zwei mach eins: Die Regio-Kliniken im Kreis Pinneberg sollen zusammengelegt werden. Was für eine Zentralisierung spricht - und was Kritiker befürchten.
In Mölln und Tönning, in Wedel und Uetersen, in Kaltenkirchen und Glückstadt: Seit der Jahrtausendwende sind in Schleswig-Holstein sechs Standorte mit allgemeinversorgenden Krankenhäusern geschlossen worden. Das schreibt die Krankenhausgesellschaft auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein. Sie geht davon aus, dass es auch in Zukunft eine "Tendenz zur Konzentration von Krankenhausbehandlungen" geben wird.
Jetzt sollen auch die Regio-Kliniken in Elmshorn und Pinneberg zusammengelegt werden. Der Betreiber, die Sana-Kliniken, will innerhalb der kommenden zehn Jahre ein Zentralklinikum bauen. Wo genau das neue Krankenhaus stehen soll, ist noch unklar.
Nachdem der Pinneberger Kreistag grundsätzlich grünes Licht für die Zentralisierung gegeben hat, wollen die Regio-Kliniken nun Förderanträge beim Land stellen. Während das Unternehmen argumentiert, der medizinische Fortschritt mache den Neubau unumgänglich, gibt es auch Kritik an dem Vorhaben.
Deshalb sollen die Kliniken zusammengelegt werden
Aus Sicht der Regio-Kliniken führt kein Weg an einem Neubau vorbei. Die Gebäude der jetzigen Standorte seien viel zu alt, um auf Dauer im modernen Klinikalltag bestehen zu können. "Unsere Kliniken sind teilweise von 1930", sagt Geschäftsführerin Regina Hein. "Es wird irgendwann überproportional teurer, etwas Altes zu sanieren als etwas Neues zu bauen."
Ohnehin wäre es Beschäftigten und Patienten nicht zumutbar, wenn die Gebäude im laufenden Betrieb von Grund auf saniert würden, meint die Geschäftsführerin. "Zwanzig Jahre auf einer Baustelle zu arbeiten, ist keine Perspektive, die irgendwie attraktiv ist."
Zusammenlegung könnte die Beschäftigten entlasten
Außerdem würden sich die Leistungsangebote beider Standorte überschneiden, sagt Hein. Wegen gesetzlicher Vorgaben müssten einige Stationen in beiden Krankenhäusern rund um die Uhr offengehalten werden - darunter die Kardiologie oder die Notaufnahme. Das sei aufwendig und belaste die Beschäftigten.
Mitarbeiter, wie die leitende Pflegerin Petra Mecklenburg-Braatz, erhoffen sich deshalb von einer Zusammenlegung der Häuser spürbare Entlastungen im Arbeitsalltag: weniger Nacht- und Wochenenddienste, weniger Pendeln. Mecklenburg-Braatz betreut in der Kardiologie Teams an Standorten in Elmshorn und Pinneberg.
"Für mich als Bereichsleitung ist es einfach schöner, wenn ich dichter an meinen Teams dran sein kann." Petra Mecklenburg-Braatz, leitende Pflegerin
Das Ziel: Für Fachkräfte attraktiv bleiben
Angesichts des Fachkräftemangels sei es zudem wichtig, attraktivere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu schaffen, meint der Berliner Professor für Krankenhausmanagement, Thomas Kersting. Er hat im Auftrag des Landesgesundheitsministeriums ein Gutachten verfasst und sieht in der geplanten Zentralisierung viele Vorteile.
Für bestimmte medizinische Eingriffe gebe es sogenannte Mindestmengen, erklärt Kersting. Das bedeute, dass Krankenhäuser eine bestimmte Anzahl von Eingriffen durchführen müssten - ansonsten dürften sie diese Leistungen nicht mehr anbieten. "Man kann deshalb für spezialisierte Fachkräfte nur attraktiv bleiben, wenn man in der Lage ist, entsprechende Fallzahlen zu generieren", sagt der Professor.
Im Klartext heißt das: Sollten die Regio-Kliniken diese Mindestmengen in Zukunft nicht erreichen, würden sie spezialisierte Fachkräfte verlieren. In einem größeren Zentralklinikum, so die Hoffnung, könnten solche Fallzahlen eher erreicht werden.
Das befürchten Kritiker bei einer Zusammenlegung
Spricht man hingegen mit Patienten und Besuchern der Regio-Kliniken, ergibt sich ein eindeutiges Bild: Viele bangen um ihr Krankenhaus und haben Angst, bei einer Zusammenlegung weiter fahren zu müssen.
"Ich hatte gestern einen Notfall, musste mit dem Rettungswagen hergebracht werden. Da ist doch wichtig, dass das Krankenhaus direkt vor Ort ist." Andreas Sturm, Pinneberg
"Was machen dann die Leute, die kein Auto haben?" Christine Schlüter, Elmshorn
"Die Wege werden sicher weiter werden. Dabei haben doch schon so viele Kliniken geschlossen." Wolfgang Voigt, Elmshorn
Experte: Für viele Eingriffe genügt ein kleines Krankenhaus
Der Gesundheitsberater Lars Kyburg aus Damp (Kreis Rendsburg-Eckernförde) teilt diese Sorgen. Er ist auf Krankenhausbedarfsplanung spezialisiert. Seit dreißig Jahren berät er nach eigenen Angaben Behörden und Politiker auf der ganzen Welt. Zurzeit plant Kyburg ein Krankenhaus in Bulgarien.
"Für Fälle, die häufig auftreten - Blinddarm-OPs, Oberschenkelhalsbruch, Gallenoperationen - dazu muss man nicht ein hochkompliziertes und damit sehr teures Krankenhaus vorhalten", sagt er. "Das kann man auch in preisgünstigen kleineren Krankenhäusern machen."
Außerdem hätten sich kleinere Kliniken in der Pandemie bewährt. Wenn es etwa auf der Station eines großen Zentralkrankenhauses einen Corona-Ausbruch gebe, sei das schwieriger aufzufangen als mit zwei kleinen Kliniken. Kyburg sagt: "Die Corona-Krise ist am Anfang auch deshalb nicht so schlimm über Deutschland hereingebrochen wie über andere europäische Länder, weil wir hier einen großen Krankenhaussektor haben."
Bündnis pocht auf kurze Anfahrtswege
Auch das bundesweite "Bündnis Klinikrettung" kritisiert die Pläne für die Zusammenlegung der Regio-Kliniken. Das Bündnis setzt sich gegen die Schließung von Krankenhäusern ein und hat im Kreis Pinneberg eine lokale Initiativgruppe gegründet.
"Die vorgesehene Schließung einer Notfallaufnahme kann die Kapazität und Qualität der Daseinsvorsorge mindern", schreibt ein Sprecher auf NDR Anfrage. "Es braucht eine wohnortnahe Erreichbarkeit - auch ohne Pkw und bei Angewiesenheit auf den ÖPNV. Wegzeiten dürfen sich nicht verlängern - manchmal können zehn Minuten mehr oder weniger einen Behandlungserfolg mitentscheiden."
Neubau wäre deutlich teurer als Sanierung
Das Bündnis kritisiert zudem die hohen Kosten für den geplanten Neubau. So gehen die Regio-Kliniken zurzeit davon aus, dass ein neues Zentralklinikum 500 Millionen Euro kosten könnte. Für die Sanierung der bestehenden Gebäude würden schätzungsweise 320 Millionen Euro fällig werden.
Um die Kritiker vom Zentralbau zu überzeugen, wird das Unternehmen also noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen. Der Sana-Konzern hat eigens dafür eine Website geschaltet, auf der er für die Zusammenlegung wirbt und zum Dialog einlädt.
Unterdessen haben sich bereits die Bürgermeister von Elmshorn und Pinneberg im Rennen um einen möglichen Standort fürs Zentralklinikum zu Wort gemeldet. "Unser großes Ziel ist es, dass die Klinik hier bleibt", sagte die Pinneberger Bürgermeisterin Urte Steinberg Anfang März. Von ihrem Amtskollegen in Elmshorn, Volker Hatje, verlauteten ähnliche Signale: "Wir haben passende Flächen und eine gute Verkehrsanbindung." Alle wissen: Kommt das Zentralklinikum, wird eine der beiden Städte ihre Klinik verlieren.
