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Zeitreise: Als der Buchenwald am Bökensberg nach Zweitakter-Benzin roch

Stand: 27.05.2022 12:03 Uhr

In den 1970er Jahren ist der Buchenwald bei Sagau ein nordisches Mekka für Motocross-Fans: Das Rennen "Bökensberg International" zieht internationale Spitzenfahrer an. Und einen furchtlosen Neuling.

von Andreas Bell

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Mit der Maico auf dem Hänger zum "Bökensberg International": Bert von Zitzewitz.

"Wir haben immer eine Woche Urlaub genommen, wir mussten ja alles vorbereiten für das Rennen. Manchmal haben wir gedacht, wir schaffen das nicht", so erzählen es heute Christel und Hartmut Fischer. Das Ehepaar gehört in den 1970er-Jahren zu den 30 Mitgliedern des MSV Ostholstein. Damals dreht der kleine Motorsportverein einmal im Jahr groß auf. Lädt um die einhundert Motocross-Fahrer nach Sagau ein. Die Ehrenamtlichen sperren die Strecke ab und kennzeichnen sie, die Bäume werden mit Strohballen abgepolstert. Nicht zum Schutz der Bäume. Zum Schutz der Fahrer. Zum Pfingstwochenende muss dann alles fertig sein für das "Bökensberg International". 

Kleines Sagau, große Karrieren

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Kein einfacher Kurs: Die internationalen Fahrer schätzten den anspruchsvollen Parcours von Sagau.

Das "Bökensberg International" zieht seit den 1960er-Jahren die großen Stars der Motocross-Szene an. Erfolgreiche Skandinavier wie Bosse Lindholm und Tommy Gustavson waren dabei - und namhafte heimische Fahrer wie Heino Büse, Hans Harbeck, Niko von der Decken und in den späten 1970ern Bert von Zitzewitz. Der startet sogar seine Karriere am Bökensberg, im Frühsommer 1976. Und er erinnert sich genau an dieses Wochenende: "Das war ja wirklich mein allererstes Rennen. Vorher habe ich nur bei uns auf dem Hof trainiert und ich war extrem nervös." Bert von Zitzewitz leiht sich damals den Polo seiner Mutter, lädt seine Maico auf den Anhänger und wagt das Abenteuer Bökensberg.

Volksfest und sportliches Familenfest

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Das "Bökensberg International" hat in den 1970ern einen internationalen Ruf. Wer hier gut fährt, macht sich einen Namen.

"Beim Bökensberg-Rennen ging es nicht um Meisterschaftspunkte, deshalb war das vor allem Spaß am Querfeldeinfahren", so Bert von Zitzewitz. Er ist damals bei seinem ersten Rennen gerade 18 Jahre und denkt noch nicht an die große Karriere. Das "Bökensberg International" schien eine Art großes Familientreffen gewesen zu sein. Die Fahrer entspannt, das Publikum im Wald verteilt - beinahe auf Tuchfühlung mit den Fahrern. Rund hundert Teilnehmer verglichen sich im Massenstart und in den Sonderprüfungen. Bis zu 5000 Besucher feuerten die Fahrer an.

Erstes Rennen, erster Sieg

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Spaß am Querfeldeinfahren: Rund 5000 Besucher waren jährlich beim Motocross-Event dabei.

1976, für Bert von Zitzewitz wird das erste Rennen schwerer als erwartet. Der Kurs durch den hügeligen Buchenwald ist alles andere als leicht. Der unerfahrene Rennfahrer kommt an seine Grenzen. "Zwischenzeitlich habe ich gedacht, das war es, das ist nichts für mich. Das ist zu hart mit Blasen an den Händen. Totaler Stress." Aber Bert von Zitzewitz hält durch. Und wird belohnt: Sieger in seiner Klasse sowie bester Nachwuchsfahrer der "Bökensberg International". Der Start einer großen Karriere im Motocross- und Enduro-Rennsport: Er wird später Deutscher Meister, Vizeweltmeister und Mannschaftsweltmeister.

Ein plötzliches Ende

Insgesamt veranstaltet der MSV Ostholstein das "Bökensberg International" 20 Jahre lang, von 1960 bis 1980. "Dann kam der Rote Milan, da war alles vorbei", sagt Hartmut Fischer vom MSV. Der Rote Milan brütete angeblich am Bökensberg und als geschützte Art der Raubvogel hatte Vorfahrt, das Rennen hatte plötzlich ein Ende. Der Verein löste sich auf.

Bökensberg lebt - in der Erinnerung

Das letzte „Bökensberg International“ ist lange vorbei. Aber Teile der Rennstrecke sind noch erhalten. Und ab und an macht Bert von Zitzewitz einen Abstecher auf die alte Piste, auf seiner alter Maico: "Ein bisschen so wie damals, vielleicht nicht mehr ganz so schnell. Aber immer noch großartig."

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 29.05.2022 | 19:30 Uhr

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