Wie Wissenschaftler Pollen messen
Blauer Himmel, Sonennschein: Perfektes "Draußenwetter" - eigentlich. Doch für viele ist jetzt "Drinnensaison": Fliegende Pollen verderben so manchem Allergiker den Frühling. Sowohl die Zahl der Allergiker als auch die Heftigkeit der allergischen Reaktion nimmt immer weiter zu. Ein Grund ist das Zusammenspiel von Luftverschmutzung und Pollenflug. Auf dem Dach des Universitätsklinikums in Kiel (UKSH) wird gemessen, was so an Pollen durch die Luft fliegt - und wie viele.
Birkenpollen unter dem Mikroskop
Jede Minute saugt die Pollenmessstation durch einen Schlitz zehn Liter Luft ein. Im Inneren wird die Luft dann über eine Art Tesafilm geleitet, auf dem alles haften bleibt, was in der Luft schwebt. Zur Zeit - bei viel Sonne und leichtem Wind - sind es deutlich mehr Pollen als sonst. Professorin Regina Fölster-Holst ist Allergologin am UKSH in Kiel. Die Expertin zeigt, wie man den Blütenstaub misst. Sie nimmt die Folie ab und legt sie unter das Mikroskop: "Dann wissen wir ganz genau, welche Pollen uns belasten." Unter dem Mikroskop wird jeder einzelne Pollen sichtbar. Zur Zeit findet Regine Fölster-Holst vor allem jede Menge Birkenpollen, das laut der Expertin auch ein sehr aggressives Allergen ist: "Die Menschen, bei denen eine Birkenpollenallergie auch bekannt ist, sind jetzt schlimm dran. Mit Augentränen, Naselaufen, Jucken der Augen."
Was macht dreckige Luft mit Pflanzen?
Auffällig ist, dass viele Allergiker immer stärker leiden. Und dass Menschen, die in der Stadt wohnen, häufiger von Allergien betroffen sind, als Landbewohner. Ein Grund dafür ist die Luftverschmutzung. Das hat Dr. Ulrike Frank am Helmholtz-Zentrum für Gesundheit und Umwelt in München herausgefunden. In ihrer Pflanzenkammer wachsen Birken, Gräser und andere allergene Pflanzen. Hier kann die Wissenschaftlerin Licht, Temperatur und Zusammensetzung der Luft regulieren. Um die Wirkung von Luftverschmutzung an Straßen nachzustellen, hat Ulrike Frank Pflanzen mit Stickstoff begast. Aus den Pollen wird dann einen Extrakt gewonnen, der alle Eiweiße und Biomoleküle enthält - und der Extrakt wird mit Blutseren von Allergikern vermischt.
Aggressivere Pollen in Städten
Ulrike Frank konnte feststellen, dass die Reaktion auf die Pollen, die zuvor Abgas ausgesetzt waren, deutlich stärker ist als auf normale Pollen. Der Grund: Sie haben andere Proteine gebildet. Das Fazit der Biologin: "Erhöhte Stickoxide sind nicht nur für den Menschen gefährlich, sondern sie bedeuten auch für die Pflanze einen Stressfaktor."
Aggressivere Birkenpollen?
Erhöhte NO2-Werte (also Stickoxid) haben zur Folge, dass die Pflanze mehr Proteine produziert, die der Pflanze helfen, mit stressigen Situationen umzugehen. "Für die Pflanze sind es ganz normale Proteine, erklärt Ulrike Frank, "nur unser Immunsystem erkennt sie falsch und somit werden sie zum Allergen." Und diese hochallergenen Pollen fischt auch die Kieler Professorin Regine Fölster-Holst immer häufiger aus ihrer Pollenmessstation. Kleiner Hoffnungsschimmer für Birkenpollenallergiker: in 14 Tagen ist der Birkenpollenflug für dieses Jahr vorbei.
